Den Parteien im hessischen Landtag stehen nach der Landtagswahl schwierige Verhandlungen bevor. Weder die CDU noch SPD und Grüne können ihre Koalitionswünsche umsetzen. Während der Union ihr Koalitionspartner FDP gänzlich abhanden gekommen ist, erreichen SPD und Grüne gemeinsam keine Mehrheit.
Die CDU konnte gegenüber der Landtagswahl 2009 um ca. 2% zulegen und behauptet sich mit 39% als stärkste Partei im Land. Ob Volker Bouffier, nach Walter Wallmann und Roland Koch der erst dritte CDU-Ministerpräsident im einst „roten Hessen“, erneut Regierungschef werden kann, wird jedoch davon abhängen, wie die Koalitionsverhandlungen nach der Wahl ausgehen werden.
Der bisherige Koalitionspartner FDP ist innerhalb von zwei Wochen aus dem bayerischen Landtag, dem Bundestag und auch aus dem hessischen Landtag geflogen. Die Liberalen, die 2009 ihr viertbestes Landesergebnis in Hessen erhalten hatten, verlieren über 11% und sind nach 1982 das zweite Mal nicht mehr im Landtag vertreten.
Die SPD erreicht nach dem dramatischen Absturz von 2009 wieder ein Ergebnis über 30%. Ihrem Spitzenkandidaten Torsten Schäfer-Gümbel ist gelungen, was nach dem Ypsilanti-Debakel von 2008 und der darauffolgenden Niederlage niemand erwartet hätte: die SPD ist geschlossen und mit dem Willen, die Regierung in ihrem ursprünglichen Stammland wieder zu übernehmen, in den Wahlkampf gegangen. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Sozialdemokraten ihr drittschlechtestes Ergebnis seit 1946 erhalten haben. Die Stabilisierung findet auf einem niedrigen Niveau statt.
Die Grünen verlieren gegenüber 2009 und können ihren Anteil zum angestrebten Ziel einer rot-grünen Landesregierung nicht beitragen. Sie fallen zurück auf das Niveau der Landtagswahlen von 1987, 1995 und 2003. Wie im Bund so zeigt sich auch in Hessen, dass das rot-grüne Lager dort, wo sich DIE LINKE als Partei etabliert, aus eigener Kraft nicht mehr stark genug ist, um zu regieren.
Der hessischen Linken gelingt zum dritten Mal in Folge der Einzug in den Landtag. Mit erneut leichtem Zugewinn, der in den ersten Hochrechnungen zwischen 0,1% und 0,4% schwankte, honorierten die Wählerinnen und Wähler in Hessen die solide Arbeit der Partei im Landtag. Die Landespartei ist ein konstanter politischer Faktor in der hessischen Landespolitik geworden - eigenständig und sozial profiliert. Sie hat die vergangenen fünf Jahre genutzt, liegen gebliebene Aufgaben im Parteiaufbau zu erledigen und sich landespolitisch als Oppositionspartei sowohl gegen das schwarz-gelbe Lager als auch unterscheidbar von SPD und Grünen zu profilieren. Hieß es 2008 noch „Wir sind gekommen, um zu bleiben“, so wird die hessische Linke künftig gebraucht, um etwas zu bewirken.
Im Vorfeld der Bundestagswahlen ist häufig ein Szenario skizziert worden, nachdem die SPD trotz einer rot-grün-roten Mehrheit in eine Große Koalition eintreten könnte, um diese zur Mitte der Wahlperiode platzen zu lassen und mit Grünen sowie LINKEN zu regieren. Dieses Szenario ist aller Voraussicht nach auf Bundesebene passé. Aber in Hessen könnte dieses Experiment gelingen.
Das hessische Parteiensystem ist geprägt durch eine Härte in der politischen Auseinandersetzung, die ihresgleichen in anderen Ländern sucht. Torsten Schäfer-Gümbel hätte in dieser Situation die Möglichkeit, durch kluges Agieren den gordischen Knoten rot-grün-roter Regierungsunfähigkeit zu zerschlagen. Er sollte für die SPD sowohl die Einladung zu Sondierungsgesprächen mit der Union annehmen, als auch Gespräche mit Grünen und LINKEN führen und die hessische Spezialität vermeiden: Türen endgültig zuzuschlagen.
Dr. Benjamin-Immanuel Hoff ist Sozialwissenschaftler und Wahlkampfberater (MehrWertConsult) sowie Professor für Governance und Public Management an der BEST-Sabel-Hochschule Berlin.