Publikation International / Transnational - Afrika Simbabwe - Solidarität versus Souveränität

Während alle Blicke des Auslands auf die Regierungsbildung gerichtet sind, bleibt der wichigste Akteur unbeachtet: Die Zivilgesellschaft. Eine Analyse von Jos Martens, RLS-Regionalbüro Südliches Afrika.

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Reihe

Online-Publ.

Autor

Jos Martens,

Erschienen

Oktober 2008

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Nach 28 Jahren Berg- und Talfahrt ist Simbabwes Wirtschafts- und Regierungssystem letztlich zum völligen Stillstand gekommen. Diese unbestreitbare Tatsache zwang das Mugabe-Regime, Gespräche mit der Opposition aufzunehmen und führte am 15. September zu der Übereinkunft zwischen der ZANU und den beiden aus der MDC hervorgegangenen Parteien der MDC-Tsvangirai (MDC-T) und der kleineren MDC-Mutambara (MDC-M).  Entsprechend dieser Vereinbarung, in der die Formierung einer Regierung der nationalen Einheit beschlossen wurde, wird Tsvangirai Premierminister und Vorsitzender des Ministerrates (Council of Ministers), während Mugabe Präsident bleibt und das Amt des Kabinettsvorsitzenden innehat. Das Kabinett wird nunmehr das wichtigste Organ sein, da es die Regierungspolitik bewertet und verabschiedet.  Der Ministerrat hingegen ist für die Berichterstattung gegenüber dem Kabinett verantwortlich sowie für die Implementierung  und Umsetzung der Regierungsrichtlinien in das alltägliche Politikgeschäft. Von hier aus kann er einen beträchtlichen Einfluss erlangen.  Interessanter – oder auch verwirrender – Weise bestehen das Kabinett und der Ministerrat aus den gleichen Ministern. Was Mugabes Macht betrifft: sie bleibt umfassend, da sein Amt als Präsident weiterhin exekutiv ist und nicht nur repräsentativ. Zudem wird er den Vorsitz des Nationalen Sicherheitsrates (National Security Council) haben. Die endgültige Entscheidung über die Machtbalance wird  somit durch die Besetzung der Ministerämter getroffen werden. Die am stärksten umworbenen Ministerien sind hierbei: Verteidigung, Finanzen, Wirtschaft, das Innenministerium (inklusive der Gewalt über die Polizei), Justizministerium, das Ministeramt für Information und Öffentlichkeit, das Außenministerium sowie das Land- und Landwirtschafts­ministerium.

Die wahrscheinlich am häufigsten gestellte Frage in der letzten Zeit war, wer – Mugabe oder Tsvangirai – letztlich den größeren Einfluss haben wird und somit über Simbabwes Zukunft entscheidet. Obwohl dies eine berechtigte Frage ist, ignoriert sie doch zwei entscheidende Faktoren: zum einen die internationalen Mächte (in Zusammenarbeit mit der lokalen Kompradoren-Bourgeosie) und zum anderen die breite Masse der Simbabwer selbst. In der Vergangenheit hatten beide einen enormen Einfluss und sie werden weiterhin eine wichtige Rolle bei der Festlegung der zukünftigen Entwicklung Simbabwes spielen (müssen).

1. Wer hatte die Kontrolle?

Werfen wir einmal einen Blick darauf, wer in den letzten drei Jahrzehnten tatsächlich die wichtigsten Entwicklungen beeinflusst hat.

Die ersten zehn Jahre: Mugabes Regierung hat die Kontrolle

In den ersten zehn Jahren nach 1980 können viele Errungenschaften der Mugabe-Regierung zugeschrieben werden. Im Namen des „wissenschaftlichen Sozialismus“ wurden sowohl das Bildungs- als auch das Gesundheitssystem umfassend überholt, dabei  wurden qualitativ hochwertige Leistungen für die breite Bevölkerungsschicht zugänglich gemacht. Analphabetismus konnte auf fast Null Prozent reduziert werden und bis heute hat Simbabwe die Bevölkerung mit der besten Ausbildung und den besten Fähigkeiten im Sub-Sahara-Gebiet. Die durchschnittliche Lebenserwartung stieg auf nahezu 70 Jahre. Und auch die Landwirtschaft entwickelte sich sehr gut: Leistungen wie Ausbildung und Training der Farmer, Begleitung und Beratung, die Ausstattung mit Farmerutensilien und mit Krediten waren bislang hauptsächlich den 5000 großen und 9000 mittelgroßen kommerziellen Farmen zugekommen und wurden nun ausgeweitet auf die mehr als eine Millionen kommunalen und wieder angesiedelten Farmen. Die Infrastruktur wurde entsprechend angepasst: die Infrastruktur wurde ausgeweitet und halbstaatliche Unternehmen wie Grain Marketing Board öffneten auch in den abgelegensten Gegenden Sammelstellen. Zudem konnte in den ersten fünf Jahren die Landumverteilung mit 57.000 wieder angesiedelten Farmern Erfolge verbuchen. Das Resultat war, dass Simbabwe der Brotkorb (oder besser die Maiskammer) der Region wurde.

Das zweite Jahrzehnt: Der Ausverkauf an den IWF

Im Jahr 1991 verkaufte die ZANU-Regierung ihre Seele an den Internationalen Währungsfonds (IWF) als es die ESAP einführte, ein neoliberales Strukturanpassungsprogramm. Damit begann Simbabwes ökonomischer Abstieg. Während ESAP für die Normalbevölkerung schlechte Zeiten bedeutete, schaffte es ungeahnte Möglichkeiten für die Elite. Bereits während der 1980er Jahre war eine kleine Clique entstanden, die hauptsächlich aus Politikern („chefs“), höheren Regierungsangestellten und anderen Menschen mit den richtigen Verbindungen bestand, die aufgrund des Domestizierungsprogramms Stellen in Behörden bekamen oder wichtige Wirtschaftspositionen erhielten. Diese Clique konnte Reichtum anhäufen, indem sie preiswert Besitztümer und Geschäfte von Menschen erwarb, die Simbabwe nach der Unabhängigkeit verlassen hatten. Korruption ließ nicht lange auf sich warten; 1987 wurde der erste Skandal öffentlich. ESAP und im Besonderen sein Privatisierungs- und  Kommerzialisierungsprogramm gaben der Elite noch mehr Möglichkeiten, sich preiswert in lukrative Geschäfte, Funktionen und Posten einzukaufen. Als Mugabe argumentierte, ESAP sei ein Simbabwisches Produkt (home-grown), so stimmte das in dem Sinne, dass die Elite dessen Einführung sehr begrüßte, weil es für sie Möglichkeiten eröffnete, noch mehr Reichtum anzuhäufen.

Die dritte Dekade: Ausverkauf an den Meistbietenden

Seit 2000 befindet sich Simbabwes Ökonomie im freien Fall. Grund hierfür ist die Kombination von neoliberaler Politik, Landaneignungen, wirtschaftlichem Missmanagement, zunehmender  Unterdrückung der Demokratie und unglaublicher Korruption. Hinzu kam ein wirtschaftlicher Ausverkauf des Landes an beliebige (vorausgesetzt: nicht-westliche) Wirtschaftskräfte wie Lybien, Korea und nicht zuletzt China. So wurden z. B. weite Landstriche an Lybien vergeben, um im Austausch eine festgelegte Menge Öl zu erhalten. China hingegen gab Simbabwe einen Kredit in konvertierbarer Währung und erhielt im Gegenzug eine reiche Ausbeute an Mineralien als Rückzahlung. Die Grenzen des Landes waren noch nie weiter geöffnet als jetzt für billige Importware und dubiose Investitionen von multinationalen Unternehmen, nur diesmal nicht aus dem Westen, sondern aus dem Osten.

2. Rolle und Einfluss der Zivilgesellschaft

Es kann mit Sicherheit gesagt werden, dass Simbabwe innerhalb der letzten 20 Jahre Opfer aus einer Kombination von internationalem Kapital und seiner Ideologie des freien Marktes und der Habgier seiner eigenen politischen und ökonomischen Elite wurde. Doch wie wirkt sich das auf die Zivilgesellschaft aus? Wie in nahezu allen anderen afrikanischen Staaten haben sich nach der Unabhängigkeit 1980 die Simbabwer selbst demobilisiert (oder sich demobilisieren lassen) und es der gewählten Führung überlassen, die Früchte des Freiheitskampfes an alle zu verteilen. Wie wir jetzt wissen, war dies ein großer Fehler.

ZCTU

Eine Ausnahme bildet hier der Zimbabwe Congress of Trade Union (ZCTU – Simbabwischer Gewerkschaftskongress). Während der späten 1980er Jahre wurde ZCTU zunehmend kritisch gegenüber der ZANU-Politik und der Ein-Parteien-Staats-Agenda - insbesondere nach dem Einheitsabkommen mit der ZAPU 1987. Nach der Einführung von ESAP im Jahr 1991, die unter anderem  den Kollaps der Textilindustrie und ein Ansteigen der Arbeitslosenrate zur Folge hatte, verschlechtere sich das Verhältnis zusehends. Nachdem der ZCTU ESAP und dessen negative Auswirkungen seit seiner Einführung angefeindet hatte, beschloss die Organisation, eine Alternative zu der desaströsen neoliberalen Regierungspolitik zu entwickeln und voranzutreiben. Ein Alternativprogramm mit der Bezeichnung „Beyond ESAP“ (nach ESAP) wurde 1996 verfasst und publiziert. Die ZANU-Regierung lehnte einen Dialog mit der ZCTU über ihr Programm jedoch ab. Nachdem die ZCTU im ganzen Land Konsultationen mit Arbeitern, Bauern, Organisationen etc. abgehalten hatte, berief es im Februar 1999 eine National Working People’s Convention (Nationaler Kongress der arbeitenden Bevölkerung) ein, in dem mehr als 400 RepräsentantInnen aus allen Regionen und Gesellschaftsschichten des Landes teilnahmen. Während der 3-tägigen intensiven Diskussionen formulierte der Kongress die Grundlage einer  alternativen Politik für Simbabwe, die sich an den mehrheitlichen Interessen der Bevölkerung ausrichtete.

MDC

Nachdem ZANU und Mugabe deutlich gezeigt hatten, dass sie nicht gewillt waren, eine alternative Politik anzunehmen und zu implementieren, entschieden die TeilnehmerInnen des Kongresses, dass jede oder jeder in den eigenen Wahldistrikt zurückkehren sollte, um herauszufinden, ob es ein Interesse an der Gründung einer neuen Partei zur weiteren Verfolgung einer alternativen Politik gibt. Einige Monate später war die Movement for Democratic Change - MDC (Bewegung für Demokratischen Wandel) geboren. Die weitere Entwicklung ist größtenteils bekannt: Nach anfänglicher Überraschung bei den Parlamentswahlen im Jahr 2000 schaffte es das Mugabe-Regime innerhalb der folgenden Jahre, auf Biegen und Brechen und mit schierer Unterdrückung, den MDC aus der Regierung herauszuhalten. Selbst jetzt ist nicht sicher, ob Tsvangirais MDC einen nachhaltigen Einfluss auf die Regierung haben wird. Viel wichtiger ist jedoch, dass der MDC, ursprünglich eine Partei mit einem Alternativ-Programm zum neoliberalen ESAP, sich nun selbst in eine neoliberale Partei mit engen Kontakten zu Weltbank und dem IWF entwickelt hat.

ANSA, Alternatives to Neo-Liberalism in Southern Africa

Im neuen Jahrtausend hat die ZCTU einen weiteren Schritt in ihrem Kampf gegen Neoliberalismus unternommen. Sie bildet nun die Spitze eines notwendigen und längst überfälligen Nachfolgerprojektes von „Beyond ESAP“, eine regionale Initiative namens ANSA – Alternatives to Neo-Liberalism in Southern Africa (Alternativen zu Neoliberalismus im Südlichen Afrika). Diese Initiative hat sich in der gesamten Region ausgebreitet und reicht nun über den Bereich der Gewerkschaften hinaus in weite Teile der Gesellschaft. Die Arbeit der Initiative besteht aus drei Säulen: Recherche und Entwicklung von möglichen Alternativen zu neoliberalen Konzepten, Training von MultiplikatorInnen und Partnerorganisationen sowie Lobbyismus. Innerhalb eines jeden Landes entwickelt die Initiative ihr eigenes Profil, entsprechend den jeweiligen Bedingungen vor Ort, jedoch mit den ANSA-Analysen und -Prinzipien als Grundlage.

ANSA ist auch zu seinem Ursprung zurückgekehrt: Der ZCTU hat die Führung übernommen und formuliert nun einmal mehr eine alternative anti-neoliberale Entwicklungspolitik für Simbabwe. Dies geschieht auch mit Blick auf die Zeit nach der politischen Krise in Simbabwe. Man will vorbereitet sein: denn die neuen wirtschaftsliberalen Pläne für Simbabwe liegen schon in den Schubladen und werden als notwendige Konditionen auf den Tisch gelegt werden, wenn Simbabwe nach der Krise Geld von der EU, Großbritannien, UNDP oder dem IWF erhalten will.

Die Nationale Gesetzgebende Versammlung – NCA (National Constitutional Assembly)

In einem parallelen Prozess hat sich die Zivilgesellschaft um eine Initiative herum organisiert, die 1997 zur Formierung der National Constitutional Assemby – NCA (Nationale Gesetzgebende Versammlung) führte. Der Zimbabwe Council of Churches und die ZCTU waren die beiden herausragenden Gründungsmitglieder dieser Versammlung, gemeinsam mit vielen anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Jugend- und Studierendengruppen, Geschäftsorganisationen (business-groups), Kirchen sowie Frauen- und Menschenrechtsorganisationen. Ausgehend von der Erkenntnis, dass viele Probleme Simbabwes darauf zurückzuführen sind, dass die derzeitige Verfassung die Exekutive über das Gesetz stellt, war und ist das Ziel des NCA, eine neue demokratische und von den Menschen bestimmte Verfassung für Simbabwe zu erarbeiten. Die NCA etablierte Arbeitsgruppen im ganzen Land, um Vorschläge für die neue Verfassung auszuarbeiten. Am Ende des Prozesses sollte ein Referendum stehen, welches den Vorschlag für die neue Verfassung annimmt. Mugabe kam dem zuvor und organisierte ein eigenes Referendum. Dieses bestand aus einem ganzen Katalog von Fragen, der jedoch nur als Gesamtpaket befürwortet oder abgelehnt werden konnte. Die Bevölkerung Simbabwes war klug genug, den Betrug zu erkennen und lehnte Mugabes vorgeschlagenen Deal ab.  Die NCA hingegen konnte kein Referendum abhalten.

3. Wer wird die Kontrolle haben?

Innerhalb der vergangenen Monate hat sich die Berichterstattung der Medien auf die drei Parteien in Simbabwe beschränkt. Ebenso waren die verschiedenen Möglichkeiten im Gespräch, mit denen man weiterhin Druck auf das Mugabe-Regime ausüben könne, wie die Ausweitung von Sanktionen oder das Zurückhalten von Hilfsmaßnahmen. Die Zivilgesellschaft jedoch blieb völlig unberücksichtigt, genauso wie die Wirtschafts- und Entwicklungspolitik, die Simbabwe nach der Krise einschlagen sollte. Das ist besorgniserregend, denn im letzten Jahrzehnt war es ausschließlich die Zivilgesellschaft (und im Besonderen die ZCTU), die versucht hat, eine bevölkerungsorientierte und bevölkerungsbetriebene (people-driven) Entwicklung zu formulieren und voranzubringen. Auch war es ausschließlich die Zivilgesellschaft, vereinigt in der NCA, die eine demokratische und von den Menschen selbst formulierte Verfassung vorangetrieben hat.

In dem Abkommen zwischen Mugabe und Tsvangirai wurden für die Zivilgesellschaft zwei mögliche Wege eröffnet:

Im Artikel III: „Wiederherstellung der wirtschaftlichen Stabilität und Wachstum“ sind die Parteien darin übereingekommen, einen Nationalen Wirtschaftsrat (National Economic Council - NEC) zu gründen, der sowohl aus Repräsentanten aller politischer Parteien  zusammengesetzt ist als auch aus Vertretern sämtlicher Wirtschaftsbereiche (verarbeitende Industrie, Landwirtschaft, Minenbau, Tourismus, Handel und Finanzwelt), aus dem Bereich der Gewerkschaften und der Akademiker sowie „anderer relevanter Sektoren“.  Allerdings wird diese Einrichtung lediglich eine beratende Funktion einnehmen. Wenn die Zivilgesellschaft mitbestimmen will, welche Richtung Simbabwes Wirtschaft einschlagen soll, muss sie ihren Willen gegenüber dem NEC und der Regierung auf den Straßen Simbabwes kundtun.

Das gleiche gilt in Bezug auf die neue Verfassung. Das Abkommen gesteht den Simbabwern im Artikel IV das Recht auf eine Verfassung von den Menschen für die Menschen zu. Allerdings legt das Abkommen den Ablauf des Verfahrens bereits penibelst fest und es wird schnell deutlich, dass die politischen Parteien die Aufsicht über diesen Ablauf behalten werden. Ein ausgewähltes Komitee aus Mitgliedern des Parlamentes (Select Committee of Parliament) wird den Konsultationsprozess so organisieren, wie das Komitee es für geeignet hält. Die Grundlage für diesen Prozess soll die sogenannte „Kariba-Constitution“ (Kariba-Verfassung) sein, ein Dokument, das im September 2007 von 6 Politikern verfasst und ohne weitere Konsultationen der Bevölkerung von den beiden MDC-Parteien und der ZANU angenommen wurde. Es überrascht wenig, dass die NCA dieses Vorgehen vehement ablehnt. Stattdessen ruft sie die Bevölkerung zur Einheit auf, um weiterhin gemeinsam für eine demokratische Verfassung zu kämpfen, angeführt von einer Kommission, die eben nicht nur aus einzelnen Politikern besteht sondern aus VertreterInnen aller Bevölkerungsschichten.

Es ist noch nicht deutlich, wer die Zukunft Simbabwes bestimmen wird: Der Westen  (Regierungen, IWF, UNDP, Weltbank, WHO) oder die aufstrebenden östlichen Wirtschaftsmächte? Eine unkontrollierte, elitäre und von westlichen Interessen geleitete Regierung oder eine demokratisch verfasste, angeführt und kontrolliert von einer pulsierenden Zivilgesellschaft?

Es sollte klar sein, dass der ZANU aufgrund ihrer langen Geschichte von Unterdrückung, Korruption und dem Ausverkauf des Landes an jeden Bieter nicht getraut werden kann, genauso wenig wie der MDC-T mit ihrer neoliberalen Einstellung. Westliche Regierungen und ihre Institutionen werden ultimativ ihre eigenen neo-liberalen Interessen durchsetzen wollen. Auch der Osten will seine eigenen Befindlichkeiten voranbringen. Letztlich können das Schicksal und die Zukunft Simbabwes ausschließlich den Simbabwern selbst anvertraut werden.

4. Solidarität versus Souveränität

Die Simbabwer haben den ökonomischen und politischen Druck durch die EU, USA und andere Weltmächte sehr begrüßt, als es darum ging, das Mugabe-Regime an den Verhandlungstisch zu bringen und sie brauchen diesen Druck noch immer, um sicherzustellen, dass ZANU tatsächlich einen wesentlichen Teil ihrer Macht an die MDC-T abgeben wird.

Souveränität

Jedoch von da an sollte die internationale Intervention aufhören. Simbabwe hat das souveräne Recht, seinen eigenen Weg zu gehen; auch wenn dieser Weg nicht den Vorstellungen westlicher Mächte entsprechen sollte. Fremde Einmischung in innere Angelegenheiten sollte nur darauf ausgerichtet sein, es den Massen zu ermöglichen, sich frei und demokratisch für ihren eigenen weiteren Weg zu entscheiden. Die Einmischung in Simbabwes ökonomische Angelegenheiten verstößt gegen das Selbstbestimmungsrecht der simbabwischen Bevölkerung. Die bereits im Hinterstübchen stattfindenden Verhandlungen zwischen der MDC und dem Westen sollten sofort gestoppt werden, denn hier werden für den Fall der Bereitstellung von Hilfsmaßnahmen bereits wirtschaftliche Konditionen vereinbart (und nicht etwa demokratische Konditionen – was wiederum durchaus begrüßenswert wäre).

Solidarität

Genauso wie bei anderen „unabhängigen“ Staaten im Süden wird der Westen auch in Bezug auf Simbabwe weiterhin versuchen, ihm schamlos seine wirtschaftlichen Bedingungen zu diktieren. Doch auch der Osten will lediglich seine eigenen Interessen im Süden durchsetzen. Das bedeutet, dass die simbabwische Zivilbevölkerung nun mehr denn je die solidarische Unterstützung aus dem Westen benötigt.

Progressive politische Parteien, Lobbygruppen, Kirchen, Gewerkschaften usw. müssen politischen Druck auf westliche Regierungen und ihre Institutionen ausüben, um sie davon abzuhalten, ökonomische Bedingungen an ihre Hilfsmaßnahmen zu knüpfen. Finanzielle und technische Unterstützung sollten an den Bedürfnissen der simbabwischen Bevölkerung ausgerichtet sein.

Das gleiche gilt für die Formulierung der neuen Verfassung: die Zivilgesellschaft muss die Formulierung der neuen Verfassung anführen und nicht eine stark anzweifelbare „Regierung“, die von Natur aus und entsprechend ihrer (ZANU-)Geschichte versuchen wird, so wenig Macht wie möglich abzugeben. Internationale Solidarität und politischer Druck müssen deshalb auf die Durchsetzung eines basisdemokratischen Prozesses ausgerichtet sein und nicht auf ein Prozedere, wie es in der ZANU-MDC-Vereinbarung vorgelegt wurde, in dem Entscheidungen lediglich von oben getroffen werden sollen.

Solidarität sollte durch finanzielle Hilfe insbesondere zwei Prozesse ermöglichen: sie sollte zum einen die NCA unterstützen, damit sie die ausgedehnten basisdemokratischen Konsultationen und die Formulierung einer demokratischen Verfassung anführen kann.

Finanzgeber  sollten zudem bereit sein, einen ebensolchen basisdemokratischen Prozess für die Entwicklung von Alternativen zu den neoliberalen Plänen der Westmächte mitzutragen. Führende Kräfte können hier z.B. die ZCTU oder ähnliche Organisationen sein.

In den vergangenen Jahren haben die Menschen Simbabwes enorm gelitten; viele haben für ein neues Simbabwe ihr Leben gelassen oder gegeben. Die Wirtschaft des Landes ist dermaßen am Boden, dass sie sprichwörtlich von Null wieder aufgebaut werden muss. Die Menschen in Simbabwe sollten eine aufrichtige Chance erhalten, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Denn nur dann war das Leiden nicht umsonst.

Jos Martens ist stellvertretender Leiter des RLS-Regionalbüros Südliches Afrika, Johannesburg.

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