Texte 31 der Rosa-Luxemburg-Stiftung
ISBN 3-320-02089-7, 978-3-320-02089-7
106 S., Broschur
Inhalt
Einleitung
1. Macht Militär Staat
- Überlegungen zum Verhältnis von Politik, Staat und Militär
- Das Militär von der Antike bis zum Frühkapitalismus
- Staat und Militär zu Beginn der Moderne
- Staat und Soldat in der Neuzeit
- Staat, Militär und linkes Denken
2. Militärische Interventionen in die Politik
- Bonapartismus
- Wann intervenieren Militärs in die Politik?
- The State of the Art – Zur Forschung über die Militärs
3. Über Staatlichkeit in Süd- und Mittelamerika
- Benennung des Raumes
- Was ist der Staat?
- Über die Schwäche des kreolischen Leviathans
- Einige Anmerkungen zur historischen Entwicklung
- Nicht nur schwach, auch brutal – ein kreolischer Behemoth?
- Violencia in der Gesellschaft
- Wenn nicht der Staat – wer dann?
- Demokratische Transformation und die Suchenach dem guten Regieren
- Starker Staat gesucht
- Staat und Zivilgesellschaft
4. Militär in Süd- und Mittelamerika
- Etappen in der historischen Entwicklung
- Zu einer Typologie des Militärs in Süd- und Mittelamerika
5. Die USA und die Streitkräfte der Region
- Zur Geschichte dieser Beziehungen
- Möglichkeiten und Grenzen US-amerikanischer Einflußnahme
- Die Militärbeziehungen nach dem Ende des Kalten Krieges
6. Die aktuelle Debatte über das Militär in der Linken
- Die Aufarbeitung der Vergangenheit
- Die Streitkräfte als Instrument US-amerikanischer Hegemonie
- Der militärische Kampf als Weg linker Politik
- Die Militärpolitik linker Regierungen
7. Über die Notwendigkeit eines zivil-militärischen Dialogs
8. Anhang
9. Literaturverzeichnis
Einleitung
Wozu über Militärs in Süd- und Mittelamerika reden? Die Zeit der Diktaturen mit finsteren Generälen an der Spitze jener Staaten und hochgerüsteten Soldaten in den Straßen der Hauptstädte des südlichen Amerikas scheint doch vorbei zu sein. Ende der 80er und dann in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zogen sich die Militärs aus der Politik zurück; selten freiwillig, meist unter dem Druck der Massen. Heute regieren – in der Regel – gewählte zivile Politiker diese Länder; ja zum Teil kommen sie von linken Parteien und Bewegungen. Die Transformation von Militärdiktaturen zu zivilen Regierungen war auf das engste mit einer Neujustierung der militärisch-zivilen Beziehungen verbunden. Das war ein schwieriger politischer Prozeß, der bis heute nicht abgeschlossen ist. Die Debatten und Auseinandersetzungen um die Stellung des Militärs in den süd- und mittelamerikanischen Gesellschaften halten an und die Ereignisse der jüngsten Zeit zeigen auch, daß dies weiterhin schwierig, manchmal sogar dramatisch ist: die Aufarbeitung der brutalen Menschenrechtsverletzungen durch die Militärs in Chile, Argentinien und Uruguay; die immer stärkere Einbeziehung des Militärs in den Anti-Drogenkampf in Kolumbien oder bei der Verbrechensbekämpfung in Brasilien; der Einsatz von Militärs im Rahmen der UNO in Peace Keeping-Missionen, neue militärische Institutionen in Zentralamerika, Militärs an der Spitze von wichtigen Ministerien in Kuba, die Rebellion von Militärs in Peru oder das
neue Bündnis von zivilen und militärischen Kräften, das heute in Venezuela propagiert wird.
Das Militär ist für zivile Politik in Süd- und Mittelamerika – aber nicht nur dort – weiterhin eine Herausforderung. Politiker aller demokratischen Parteien sind dabei gefragt, das Primat der zivilen Politik gegenüber dem Militär zu gestalten – und dies nicht nur bei Haushaltsdebatten. Das gilt heute auch und besonders für die linken Parteien und Bewegungen in der Region. Leider schlägt sich dies weder in den Debatten in diesen Parteien noch in den
Forschungsschwerpunkten in und über diese Region nieder. Das Militär wird vernachlässigt. Das läßt sich oft aus einer gefühlsmäßigen Ablehnung, die lebensweltlich begründet ist, erklären. Viele heutige chilenische Minister und Staatssekretäre waren unter Pinochet verfolgt, eingekerkert und gefoltert worden.
Jedoch wäre es ein machtpolitischer Trugschluß, das Militär in diesen Ländern heute zu marginalisieren oder gar zu ignorieren. Das wird von linken Kräften in diesem Raum auch immer mehr anerkannt. Deshalb hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem chilenischen Instituto de Ciencias Alejandro Lipschutz (ICAL) im November 2004 eine internationale Konferenz über die Streitkräfte und deren Platz in den Gesellschaften Süd- und Mittelamerikas in Santiago de Chile organisiert. In Vorbereitung auf diese Konferenz wurde von den Autoren ein Thesenpapier erarbeitet, das zusammen mit den Ergebnissen der Konferenz die Grundlage für die vorliegende Studie war. Die Tabellen und Statistiken wurden von Sascha Krämer zusammengestellt.
Die Autoren hoffen, daß diese Studie nicht nur die Kenntnisse der hiesigen Leserinnen und Leser über die wechselvolle Rolle der Streitkräfte in Süd- und Mittelamerika erweitert, sondern auch Anregungen für die strittigen Debatten über das Militär in unserer Gesellschaft gibt.
Zu den Autoren:
Dr. habil. Raimund Krämer, geb. 1952, Dozent für internationale und vergleichende Politik, Universität Potsdam, Chefredakteur der außenpolitischen Zeitschrift WeltTrends, Forschung und Lehre zu politischen Regimen in Süd- und Mittelamerika, speziell zu Kuba, sowie zu den internationalen Beziehungen in der Region; mehrjährige Arbeits- und Studienaufenthalte in Nicaragua und Kuba, Visiting Fellow am St Antony´s College, Oxford, Geschäftsführer der
Politikberatung BABELconsult; E-Mail: babelconsult@t-online.de
Armin Kuhn, geb. 1980, Student der Politikwissenschaft, Geschichte und Philosophie an der Universität Potsdam und der UNAM, Mexico-City. Arbeitsgebiete sind politische Theorie und soziale Bewegungen, mit Schwerpunkten auf Süd- und Mittelamerika und urbane Räume; E-Mail: armin.kuhn@jpberlin.de