Dissertation A (Langfassung)
Dialektik der Bilder. Der Umgang mit NS-Vergangenheit in deutschen Spielfilmen. Eine vergleichende Studie zur Bedeutung des Films für die politische Kultur in Deutschland 1945-1989/90 [pdf, 3,3MB]Ein Ost-West-Vergleich
Vorwort
In der hier vorliegenden Arbeit geht es zum ersten Mal um einen film- und zeithistorischen Vergleich von BRD und DDR in vergangenheitspolitischer Absicht, der ansonsten in der Fachliteratur meist nur gestreift oder gar aus verschiedenen Gründen ignoriert wird. Der Begriff “Dialektik der Bilder” verweist dabei auf die widersprüchliche Grundkonstitution der Filmbilder selbst sowie auf die widersprüchliche Beziehung zwischen Film und Geschichte im allgemeinen und Film und NS-Geschichte im besonderen.
Widersprüchlich sind diese Beziehungen deshalb, weil es zum einen mit Hilfe der entlarvenden und enthüllenden Funktionen des Films möglich wird, einen bestimmten Beitrag zur Erinnerung an die NS-Zeit zu leisten und Vergangenes in vielfältigen Facetten wachzuhalten, zu verarbeiten, zu vergegenwärtigen und (vielleicht) für spätere Generationen als Lehrbeispiele zu erhalten. Die Schattenseite hiervon beläuft sich zum anderen aber auf die stets lauernden Fallstricke, die darin bestehen, daß Geschichte im Film eine spezielle Darstellungsdimension erhält, die auch vor Manipulationen und Verzerrungen nicht gefeit ist. Nötig ist deshalb eine exakte interpretative Einordnung der Filmwerke, die als historische Kontextanalyse auch Probleme des Montagecharakters und der tendenziell gegen unendlich laufenden Informationsvielfalt von Filmen, sowohl visuell als auch narrativ, zu berücksichtigen hat. Die Dialektik der Bilder wird entschlüsselt, wenn Kontext, Inhalt und Rezeption in der Filminterpretation synthetisch aufgehen.
Die Arbeit wurde im Juni 2004 von der Philosophischen Fakultät III der Humboldt-Universität Berlin unter dem Titel “Dialektik der Bilder. Der Umgang mit NS-Vergangenheit in deutschen Spielfilmen. Eine vergleichende Studie zur Bedeutung des Films für die politische Kultur in Deutschland 1945-1989/90” als Dissertationsschrift angenommen. Das Promotionsverfahren konnte im Mai 2005 mit der Verteidigung erfolgreich abgeschlossen werden. Für die Veröffentlichung mußten Kürzungen vorgenommen werden, die zunächst die Streichung des ursprünglichen Theoriekapitels und des Versuchs einer Typologie der politischen Ikonographie zur NS-Zeit im Film betrafen. Darüber hinaus wurde der Text gestrafft und mit einigen Änderungen versehen, die von den Gutachtern vorgeschlagen wurden. Einzelne Momente der ausgegliederten Textpassagen sind in Vorformen bereits als Aufsätze in verschiedenen Publikationen zwischen 1998 und 2003 erschienen. Die Vollversion der Dissertation wird parallel zur Druckfassung im Netz auf dem Server der Rosa-Luxemburg-Stiftung abrufbar sein.
Ein derart umfängliches und arbeitsintensives Projekt wäre niemals zustande gekommen, wenn ich nicht in jeder Phase der Arbeit die Unterstützung und Hilfe von Freunden, Verwandten und Bekannten hätte genießen dürfen. Ich bin zwar als Autor letztendlich für den Inhalt und die entsprechenden Fehler allein verantwortlich, in Wirklichkeit aber ist das Erstellen einer Monographie immer eine Kollektivleistung, denn die vielen fachlichen Hinweise und Korrekturen sind in der Studie klarerweise präsent. Mein Dank gilt zunächst meinen Eltern und meinem Bruder, ohne deren selbstlosen materiellen und ideellen Einsatz das Projekt gar nicht begonnen worden wäre. Besonders möchte ich meiner Frau, Hannah Lotte Lund, danken, die mich nicht nur immer wieder bestärkt hat, das Unternehmen fortzusetzen und zu vollenden, sondern die selbst mit Rat und Tat Recherchevorgänge übernommen und den Text in seiner gesamten Fassung kritisch rezipiert hat. Dank selbstverständlich an die Gutachter Prof. Herfried Münkler, Prof. Wilhelm Hofmann und Prof. Gert-Joachim Glaeßner, die mit ihrem abgewogenen Urteil die Arbeit zum Erfolg führten. Meine Freunde Marco Tonini, Tile von Damm, Grit Straßenberger und Toralf Kutschinski werden ihren Anteil am Gelingen des Projekts selbst am besten einschätzen können, großer Dank auch ihnen. Nicht zuletzt sei dem ehemaligen Vorstand der DEFA-Stiftung, Wolfgang Klaue, gedankt, der während meiner Berufstätigkeit in der Stiftung logistische Voraussetzungen und Freiräume schuf, damit die Arbeit kontinuierlich vorankommen konnte.
Das Buch ist all jenen gewidmet, die die Zeit des deutschen Faschismus als das Grundübel der Geschichte des 20. Jahrhunderts betrachten und die jeden Beitrag zur historischen Aufklärung über diese Zeit begrüßen.
Detlef Kannapin, Berlin, August 2005
Inhalt
Vorwort
Politik und Film in beiden deutschen Staaten 1945-1989/90 im Überblick
Quantität, Definition und Thesen zu den Filmen im Umgang mit der NS-Vergangenheit
Von der Moralität im Grundsatz zur Abwehr historischer Verantwortung – Filme 1945-1955
Geschichtspolitische Ambitionen nach der Integration – “Der 20. Juli” / “Der Hauptmann von Köln”
Exkurs zu Österreichs Flucht vor der Geschichte – “1. April 2000” / “Sissi-Trilogie”
Der Zweite Weltkrieg als gesellschaftliche Grunderfahrung – “Die Brücke” / “Die Abenteuer des Werner Holt”
Geschichtsprojektionen als Ideologie in den sechziger Jahren – “Nacht fiel über Gotenhafen” / “Geschichten jener Nacht”
Die Rückkehr der historischen Verantwortung in den siebziger Jahren – “Jakob der Lügner” / “Die Blechtrommel”
Bewußtsein um das Versagen des Widerstands in den achtziger Jahren – “Dein unbekannter Bruder” / “Die weiße Rose”
Exkurs zu zwei Dokumentarfilmen über und mit NS-Bildern – “Hitler – eine Karriere” / “Eine deutsche Karriere – Rückblicke auf unser Jahrhundert”
Fazit