Publikation Immer noch allein gegen die Mafia – oder sind´s doch schon ein paar mehr?

Eindrücke vom Wochenendseminar »Sonne, Wasser, Wind und Biomasse ... oder Kohle, Gas und Erdöl? Erneuerbare vs. Fossile Energieträger im Juni 2005. von Kerstin Schmidt

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Erschienen

Juni 2005

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Eindrücke vom Wochenendseminar »Sonne, Wasser, Wind und Biomasse ... oder Kohle, Gas und Erdöl? Erneuerbare vs. Fossile Energieträger


vor dem Solarzentrum Mecklenburg-Vorpommern
in Wietow

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung veranstaltete vom 10.bis 12. Juni 2005 ihre zweite Sommerschule zu Erneuerbaren Energien. Dazu lud sie auch in diesem Jahr interessierte Menschen in das Solarzentrum Mecklenburg-Vorpommern in Wietow bei Wismar ein. Die Stiftung erfüllte mit dieser Sommerschule einen Teil ihres Auftrages in der politischen Bildung, nämlich Raum für Diskurse und auch unterschiedliche Meinungen zu bieten.

Das Solarzentrum ist ein Ort zum Umschauen, Anfassen und Staunen. Die Besichtigung des ökologisch sanierten ehemaligen Gutshauses aus der Dynastie derer von Blücher überzeugte die Seminar-TeilnehmerInnen davon, dass der Einsatz Erneuerbarer Energien im Hausbereich nicht so »exotisch«, kompliziert und teuer ist, wie es die Vertreter der herkömmlichen Energiewirtschaft gern glauben machen wollen.

Die Leiter des Solarzentrums, Dr. Brigitte und Dr. Ditmar Schmidt, sind Experten auf dem Gebiet des Einsatzes und der Effizienz erneuerbarer Energien. Das wurde in ihren vielfältigen und fundierten Fachbeiträgen belegt. Die TeilnehmerInnen konnten aber auch interessante Begebenheiten und Anekdoten rund um die Geschichte und die »Verwandlung« des baufälligen alten Hauses in ein modernes, konsequent ökologisch saniertes Veranstaltungs- und Informationszentrums erfahren. Beispielsweise ging es um Widerstände in der Verwaltung, die zu Unterstützung wurden, um Zweifel in der Bevölkerung, die zu Begeisterung heranwuchsen, oder um die Eigenheiten von Lotte, Rosa, Sophie und Heidrun – den vier so benannten Windkraftmühlen.


im Solarzentrum Mecklenburg-Vorpommern
in Wietow

An diesem Seminar-Wochenende waren die Schmidts nicht die einzigen argumentationskräftigen Lobbyisten für regenerative Energien. Der stellvertretende Ministerpräsident und Umweltminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Prof. Dr. Wolfgang Methling, sprach sich in seinem Beitrag deutlich für einen Kurswechsel in der Energiepolitik aus. Neben entscheidenden umwelt- und klimapolitischen Erfordernissen seien dafür vor allem sicherheitspolitische und wirtschaftliche Gründe richtungweisend. Prof. Dr. Methling machte deutlich, dass Umweltpolitik unmittelbar mit sozialen und ökonomischen Faktoren verbunden ist.

Für konkrete Informationen aus der Branche und spannende Diskussionen sorgten die Vertreter der Energiewirtschaft. Mit Hanspeter Haseloff von der Solarmanufaktur Prenzlau, Gunnar Jungk von der Deutschen BP AG und Olaf Köster von der Solon Nord GmbH standen den TeilnehmerInnen kompetente und streitbare Ansprechpartner zur Verfügung. Die Situation in der Solarwirtschaft sei gerade »heiß«, berichtete Hanspeter Haseloff und meinte damit weniger die Temperaturen als die enorme Nachfrage am Markt und die damit ebenfalls auftauchenden »schwarzen Schafe« in der Branche.


W. Bey, W. Methling, Gunnar Jungk (v.l.n.r.)

Der Beitrag von Gunnar Jungk, Vertreter des multinationalen Ölkonzerns BP, bot die Basis für eine spannende Grundsatzdiskussion im Sinne des Untertitels der Veranstaltung: Erneuerbare versus fossile Energieträger. Ohne das Hauptgeschäftsfeld des Unternehmens in Frage zu stellen, beschrieb er sehr anschaulich den Weg, den BP in Richtung Erneuerbare Energien geht. Die weltweit zweitgrößte Ölgesellschaft sei gleichzeitig das drittgrößte Solarunternehmen der Welt, so Gunnar Jungk. Dass Letzteres die Bereitschaft des Konzerns zu Investitionen in die Zukunft erkennen lässt, wurde allgemein anerkannt. Auch wenn BP im Vergleich zu anderen Energie-Multis hier schon eine Vorreiterrolle einnimmt, zeigen doch die Relationen in den Zahlen: Gegenüber 21 Mrd. Euro Gesamtumsatz von BP in Deutschland scheinen 150 Mio. Euro Umsatz von BP Solar nahezu verschwindend gering.

Dr. Hermann Scheer, MdB, Präsident von Eurosolar Europa und Träger des Alternativen Nobelpreises, stellte im Verlauf des Seminars sein neues Buch »Energieautonomie« vor. Das Beeindruckende an seinem Vortrag war meines Erachtens nicht so sehr, dass er fast ohne Skript sprach, die wirtschaftlichen, strukturellen und politischen Zusammenhänge logisch und allgemein verständlich darlegte oder dass seine Thesen den »Nagel auf dem Kopf trafen«. Nein, all das hatten die Menschen, die ihn kennen, nicht anders erwartet. Das Beeindruckende an Hermann Scheer ist die Tatsache, dass er in der Lage ist, die Vorgänge und Zusammenhänge aus einer völlig überraschenden Perspektive heraus zu betrachten und die Zuhörenden mitzunehmen. Hermann Scheer eröffnet einen weiten Blick, ohne über den Dingen zu stehen, ohne die Zwangsjacke machtpolitischer und wirtschaftlicher Interessen. Er revidiert konsequent die veralteten Grundsätze der etablierten Wirtschaftswissenschaftler, Politiker und Lobbyisten, schlachtet deren »Heilige Kühe«.


W. Bey, H. Scheer

»Allein gegen die Mafia« antwortete Hermann Scheer einem Journalisten vor ein paar Jahren auf die Frage nach seinem Lebensmotto. Das Wochenende in Wietow hat dazu beigetragen, dass er das so absolut nicht mehr sagen kann.

Das Buch »Energieautonomie – Eine neue Politik für Erneuerbare Energien« (ISBN 3-88897-390-2) ist beim Verlag Antje Kunstmann in München erschienen.

Ausführliche Informationen und Argumente zum aktuellen Konflikt um das EEG sind unter www.eurosolar.org, Stichwort »Deutschland bleibt erneuerbar« erhältlich.