Die Forderung nach dem Erhalt und dem Ausbau öffentlicher Güter wird von unterschiedlichen sozialen Bewegungen aufgegriffen, um für gute Lebensbedingungen zu kämpfen, die allen Menschen unabhängig von der Leistungsfähigkeit, von Geschlecht, Herkunft oder Hautfarbe zugänglich sind. Mit der Forderung nach öffentlichen Gütern wird schlagwortartig benannt, dass die Sache, um die jeweils gestritten wird, nicht gemäß der Zahlungskraft der (potentiellen) Nutzern zur Verfügung gestellt werden soll. Vielmehr soll die Befriedigung bestimmter Bedürfnisse ein Anliegen bleiben, über das politisch, und d.h. oft staatlich, entschieden wird. Auf diese Weise soll ein Allgemeininteresse gegen die Privatisierung und Durchkapitalisierung aller gesellschaftlichen Bereiche durchgesetzt werden. Diese Studie fragt danach, unter welchen Bedingungen die Forderung nach dem Erhalt oder dem Ausbau öffentlicher Güter eine zentrale Perspektive linker Politik darstellen kann. Hierfür müsste der Begriff der öffentlichen Güter die Anliegen von unterschiedlichen sozialen Bewegungen in einer verallgemeinerbaren Form aufgreifen, ohne dass er Herrschaftsverhältnisse entnennt, die zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen bestehen. Im Folgenden wird aufgezeigt, wie die Grenzziehung zwischen öffentlich und privat in der Vergangenheit und gegenwärtig mit der Festschreibung hierarchischer Geschlechterverhältnisse und der gesellschaftlichen Marginalisierung von Frauen zusammenhing bzw. –hängt. Auf dieser Basis sollen Kriterien entwickelt werden, die erfüllt sein müssen, damit eine Politik der öffentlichen Güter eine emanzipatorische Entwicklung von Geschlechterverhältnissen voranbringt und zu einem Ausgangspunkt widerständiger Politik macht.
Zur Autorin:
Iris Nowak ist 1971 geboren, lebt heute in Hamburg und arbeitet als freischaffende Sozialökonomin und Bildungsarbeiterin. Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt auf der Frage, welche Bedeutung Geschlechterverhältnisse für sozialpolitische Auseinandersetzungen haben. In einer Dissertation erforscht sie derzeit das widersprüchliche Verhältnis zwischen weiblicher Kinderlosigkeit und neoliberaler Hegemonie.
Kontakt: IrisNowak@gmx.net
Inhalt:
Einleitung
Die „Sittlichkeit der Frau“ als Antwort auf die soziale Frage
Bedingungen der Entstehung von Sozialstaatlichkeit
Sozialstaatliche Regulierungsweisen als Familiarisierung
Ausblick: Unterschiedliche sozialpolitische Entwicklungslinien in Deutschland und Frankreich
Feministische Analysen europäischer Wohlfahrtsstaaten ... weitergedacht
Kinderbetreuung und Frauenerwerbstätigkeit seit den 1960er Jahren
Zwischen Zwang und Konsens: Gesellschaftliche Kräfteverhältnisse und individuelle Lebensweisen
Ausblick: Wie sich kulturelle Vorstellungen bearbeiten lassen
Die Bahn als „moderner Dienstleister“
Widersprüchliche Erfahrungen der Beschäftigten
Soziale Kompetenzen und Selbstorganisation: Neue Anforderungen an Frauen?
Ausblick: Von Widerstand und Widersprüchen
Globale öffentliche Güter
Das Konzept der Vereinten Nationen
Politik als Bedürfnisinterpretation
Öffentliche Güter: Wer interpretiert wessen Bedürfnisse?
Weibliche Unsicherheit als Voraussetzung für Sicherheit als öffentliches Gut
Schlussbetrachtung