von Christian Brütt
RLS-Standpunkte 6/2002
Am 15. März 2002 hatte Bundeskanzler Schröder die »Kommission Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt« (»Hartz-Kommission«) eingesetzt. Das fünfzehnköpfige Gremium legte am 16. August einen 343 Seiten umfassenden Endbericht vor. Dessen Empfehlungen wurden bereits zwei Tage später auf einer Parteikonferenz der SPD, drei Tage später durch den Vorstand von Bündnis 90/Die Grünen und weitere zwei Tage darauf durch einen Kabinettsbeschluss zum Standpunkt der Bundesregierung gemacht.
Kurz vor der Bundestagswahl betreibt Rot-Grün eine rabiat auftretende Konsensual-Politik, die jedoch nicht als Wahlkampfklamauk abgetan werden kann. Diese Kommission war mehr als nur ein weiteres ExpertInnen-Gremium, das sich mit der Arbeitslosigkeit in Deutschland befasste. Ihre Arbeitsergebnisse weisen weit über eine einfache Reform der Bundesanstalt für Arbeit und der Arbeitsmarktpolitik hinaus. Hinter den einzelnen Maßnahmen steht ein schlüssiges Gesamtkonzept, mit dem ein neues Leitbild zur zukünftigen Rolle der Arbeitskraft im »aktivierenden Sozialstaat« durchgesetzt werden soll. Es geht um eine Neujustierung der »Ware« Arbeitskraft. Im Mittelpunkt steht nicht das »Rechtssubjekt ArbeitnehmerIn«, sondern das »Wirtschaftsobjekt Arbeitskraft«.
Neu daran ist jedoch nicht, dass staatliche Maßnahmen zur Marktfähigkeit und -gängigkeit von Arbeitskraft beitragen oder sie herstellen sollen. Neu ist die Art und Weise, wie dies geschieht. Interessensaushandlung wird durch Management ersetzt, soziale Gerechtigkeit durch Teilhabe bzw. Inklusion, Demokratisierungsansprüche durch Dienstleistungsansprüche, das Rechtssubjekt ArbeitnehmerIn durch die Kundin bzw. den Kunden mit eingeschränkten Souveränitätsrechten.
Berlin, im August 2002