Publikation Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Gesellschaftstheorie Agrargenossenschaften heute und morgen

Soziale Potenziale als genossenschaftliche Gemeinschaften (Studie). von Kurt Krambach und Hans Watzek Manuskripte 35 der RLS

Information

Reihe

Manuskripte

Autor

Kurt Krambach,

Erschienen

Juli 2002

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Nur online verfügbar

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Soziale Potenziale als genossenschaftliche Gemeinschaften (Studie). von Kurt Krambach und Hans Watzek

Manuskripte 35 der RLS

Inhalt

Vorwort

1. Politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Agrargenossenschaften

1.1 Agrargenossenschaften 1995: Beginnende Konsolidierung und mangelnde agrarpolitische Akzeptanz

1.2 Agrargenossenschaften 2000: Gewachsene Wettbewerbsfähigkeit und Akzeptanz

2. Probleme der Sicherung der betrieblichen Bodenfonds

3. Förderzweck, gemeinschaftliche Produktion und Mitgliedschaftsverhältnis

3.1 Reproduktion der Genossenschaftlichkeit

3.1.1 Agrargenossenschaften und Genossenschaftsidee

3.1.2 Probleme der Reproduktion der „Genossenschaftlichkeit“

3.1.3 Förderzweck und Mitgliedschaftsverhältnis als genossenschaftliche Eigentümlichkeiten

3.2 Mitgliedschaft als Identität von Eigentümer und Produzent

3.2.1 Möglichkeiten der Nicht-Identität von Eigentümer und Produzent

3.2.2 Probleme und Erfahrungen der personellen Reproduktion der Mitgliedschaft

4. Mitgliedschaft als Eigentümerbeziehung

4.1 Materielle und ideelle Aspekte der genossenschaftlichen Eigentümerbeziehung

4.2 Mitgliedschaft und Bodeneigentum

5. Genossenschaftliche Demokratie und Probleme der Partizipation

5.1 Genossenschaftliche Demokratie im Spannungsverhältnis von Partizipation und professionellem Management

5.2 Partizipation als Erfordernis und Wirkungsfeld unternehmerischen Verhaltens

6. Gemeinschaftlichkeit als genossenschaftliches Potenzial

Anhang: Auswahl empirischer Befunde aus einer soziologischen Untersuchung in ostdeutschen Agrargenossenschaften

Vorwort

In den Jahren 1990 und 1991 hatten sich die Mitglieder und anderen Beschäftigten der damals noch existierenden Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) mehrheitlich dafür entschieden, auch künftig in einer „genossenschaftlichen oder ihr ähnlichen Form“ wirtschaften zu wollen. Gemäß dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz, das 1990 noch von der Volkskammer der DDR beschlossen worden war, mussten sich die LPG in Rechtsformen des bundesdeutschen bürgerlichen Rechts umstrukturieren. Eine dieser Rechtsformen ist die Produktivgenossenschaft; sie ermöglichte es den Genossenschaftsbäuerinnen und -bauern am besten, in einer „genossenschaftlichen oder ihr ähnlichen Form“ weiter zu wirtschaften.

Ob die in diesem komplizierten Transformationsprozess entstandenen Agrargenossenschaften unter den Bedingungen einer kapitalistischen Marktwirtschaft und einer nicht gerade genossenschaftsfreundlichen staatlichen Agrarpolitik eine dauerhafte Zukunft haben würden, war damals noch sehr ungewiss. Gestützt auf die Analyse der Umstände konnte seinerzeit gefolgert werden, dass ihre Zukunftschancen vor allem von drei Faktoren abhängen würden: (a) von dem endogenen wirtschaftlichen Potenzial dieser Gemeinschaftsformen selbst, ihren spezifischen inneren Möglichkeiten und Vorteilen, in der Marktwirtschaft zu bestehen; (b) von den sozialen Potenzialen der Mitglieder und Beschäftigten, ihren Fähigkeiten und sozialen Eigenschaften für die Gestaltung überlebensfähiger gemeinschaftlicher Produktionsformen; (c) von den politischen und wirtschaftlichen äußeren Rahmenbedingungen.

Die vorliegende Studie entstand in der Vorbereitung der 2. Agrargenossenschaftlichen Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Jahr 2000 mit dem Thema „Agrargenossenschaften heute und morgen: Wirtschaftliche und soziale Potenziale“. Das ist die zweite Konferenz dieser Art; die erste fand im Juni 1995 in Berlin mit mehr als 100 Teilnehmer/innen aus der Praxis gemeinschaftlicher Produktionsformen in der Landwirtschaft, aus Politik und Wissenschaft statt. Diese Konferenzen reihten sich in die Thematisierung politischer Bildung zu Fragestellungen aus dem Bereich der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes ein, die seit 1993 das Profil der Rosa-Luxemburg-Stiftung (damals noch Gesellschaftsanalyse und politische Bildung e.V.) bereichert hat. Unter den Themen nahmen auf Grund ihrer politischen, ökonomischen und sozialen Brisanz die Probleme der Entwicklung von Agrargenossenschaften, die aus der Umstrukturierung der früheren LPG hervorgegangen waren, einen vorrangigen Platz ein.

In der Diskussion beider Konferenzen spielten naturgemäß Fragen des wirtschaftlichen Bestehens in der Marktwirtschaft eine zentrale Rolle; mussten sich doch die Erkenntnis und die Fähigkeit durchsetzen, als Agrargenossenschaft im marktwirtschaftlichen Wettbewerb nur durch ökonomische Stabilität des Unternehmens auf der Grundlage einer hohen wirtschaftlichen Effizienz – also durch gewinnträchtiges Wirtschaften – bestehen zu können.

Gleichermaßen bedeutsam war die Bewertung der politischen Rahmenbedingungen, insbesondere die Frage der Akzeptanz der Agrargenossenschaften durch die offizielle Agrarpolitik.

Die vorliegende Studie gibt im ersten Kapitel einen kurzen Rückblick auf diese politischen Rahmenbedingungen seit 1990/91, reflektiert die Situation zur Zeit der 1. Agrargenossenschaftlichen Konferenz (1995) und die seither gewachsene agrarpolitische Akzeptanz der strukturellen Vorzüge und der Wettbewerbsfähigkeit von Agrargenossenschaften.

Mehrere Kapitel der Studie widmen sich – ursprünglich als eine Vorarbeit für die 2. Agrargenossenschaftliche Konferenz (2000) – den vielfältigen, komplexen und komplizierten Fragen des Funktionierens der Agrargenossenschaften als Genossenschaften, den Problemen der Reproduktion der Genossenschaftlichkeit, also dem Erhalt und der nachhaltigen Entwicklung der Eigenschaften und Merkmale, die eine Agrargenossenschaft als Genossenschaft kennzeichnen, wie zum Beispiel das Mitgliedschaftsverhältnis als Identität von Eigentümer und Produzent oder das Funktionieren der genossenschaftlichen Demokratie, und nicht zuletzt den genossenschaftlichen Verhaltensweisen und der personellen Reproduktion des Mitgliederbestandes der Genossenschaften.

Die Aussagen stützen sich auf Recherchen und empirische Analysen. Dazu gehörten einerseits

Fallanalysen und Expertengespräche, die von den Autoren selbst in 9 ausgewählten Agrargenossenschaften durchgeführt wurden. Andererseits wurde parallel dazu mit Unterstützung von Genossenschaftsverbänden eine soziologische Umfrage durchgeführt, die 39 Agrargenossenschaften aus allen fünf ostdeutschen Bundesländern und mehr als 600 beschäftigte Mitglieder und Nicht-Mitglieder dieser Betriebe als Probanden (535 auswertbare Fragebogen) erfasste. Die empirische Aufbereitung und Auswertung dieser Umfrage wurde vom Institut für Sozialdatenanalyse übernommen. Ein Forschungsbericht enthält eine Auswertung der Befragung der Beschäftigten und von Fragespiegeln, die von Vorständen bzw. Geschäftsführern aus den Untersuchungsbetrieben beantwortet wurden.

Damit wurde die seit Beginn der 90er Jahre eingeführte Tradition fortgesetzt, politische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit auf diesem Gebiet durch wissenschaftliche Analysen, darunter vor allem auch soziologische Untersuchungen der sozialen und bewusstseinsmäßigen Aspekte, zu untermauern. Somit kann erwartet werden, dass die vorliegende Studie aktuelle Probleme und Erfahrungen aus der Praxis zur Diskussion stellt sowie aus der Analyse gewonnene Erkenntnisse und Konsequenzen zu vermitteln trachtet.

Die Autoren wünschen den Leserinnen und Lesern Erkenntnisgewinn, und sie sind für Diskussionen und kritische Hinweise jederzeit aufgeschlossen.

Kurt Krambach und Hans Watzek