Dokumentation des Kongresses "Zerstörung des Sozialstaats und Widerstand in Europa" der RLS NRW am 23. Oktober 2004
Die erfolgreiche Tagung der RLS-NRW „Zerstörung des Sozialstaats und Widerstand in Europa“ am 23. Oktober 2004 in Köln mit rund 150 TeilnehmerInnen reiht sich in mehrfacher Hinsicht in die bundesweite Arbeit der RLS und ihrer Landesstiftungen, Bildungsvereine und RL-Clubs ein. Sie behandelte ein Themenfeld, dessen aktuelle Relevanz vor dem Hintergrund von Sozialabbauprozessen in verschiedenen europäischen Ländern unübersehbar ist, sie war ein Beitrag zum weiteren wechselseitigen Kontakt und zur Vernetzung von Akteuren unterschiedlicher Organisationen und Initiativen in Westeuropa. Dabei ging es in der Kölner Tagung sowohl um eine vergleichende Analyse der ablaufenden sozialpolitischen Entwicklungen wie um das Aufzeigen von Alternativen, und schließlich um die Frage: Wie verbinden sich Proteste und Alternativen zu einer chancenreichen, wirklich europäischen emanzipatorischen Bewegung?
Das Spektrum der ReferentInnen, aber auch der anderen TeilnehmerInnen war regional wie politisch breit, auch wenn natürlich eine im weitesten Sinne linke Perspektive verbindend war. Die TeilnehmerInnen kamen aus fast allen Bundesländern, aus Frankreich und den Niederlanden. Neben VerteterInnen linker Parteien (Kommunistische Partei Frankreichs, Sozialistische Partei der Niederlande, PDS, der linken Fraktion im Europa-parlament GUE/NGL als Mitveranstalterin und der sich langsam bildenden Europäischen Linkspartei) waren aktive GewerkschafterInnen (ver.di, IG Metall, SUD, Union Synicale G 10 Solidaire), Aktive aus sozialen Bewegungen und Netzwerken (Attac als Mitveranstalterin, Euromarsch-Bewegung, ESF usw.) und WissenschaftlerInnen aktiv beteiligt. Inspiriert wurde die Tagung auch vom Europäischen Sozialforum, das eine Woche vorher in London stattgefunden hatte und an dem viele TeilnehmerInnen und nicht zuletzt auch die RLS mitwirkten. Die Tagung entsprach dabei dem Anspruch, ergebnisoffene, reflektierende linke Bildung zu betreiben, indem die Erfahrungen des ESF und anderer europäischer Protestaktivitäten durchaus auch kritisch beleuchtet wurden.
Den Anwesenden ging es darum, das neoliberale Projekt auf allen Ebenen, von der lokalen bis zur europäischen, in seiner Logik zu erkennen, seine Mythen zu entlarven und zugunsten eines sozialen Europas zu bekämpfen. Weitgehende Übereinstimmung der Teilnehmenden herrschte darin, dass die Herausbildung eines starken und demokratischen Sozialmodells eine breite außerparlamentarische Bewegung und politische Interventionen erfordert.
Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, dass die Europäisierung des Protestes und die Durchsetzung von Alternativen und auch die Konkretisierung alternativer Konzepte zur vorherrschenden Wirtschafts- und Sozialpolitik noch nicht annähernd mit dem Ausmaß der Europäisierung und Globalisierung der herrschenden Politik mithält. Linke politische Bildungsarbeit ist deshalb in doppelter Weise gefordert: Einerseits, indem sie dominierenden Sichtweisen einer angeblich unausweichlichen, anti-sozialen Form von Globalisierung Gegenargumente und -strategien entgegenstellt; andererseits, indem sie kritisch Leerstellen und Defizite linker Politik auf allen Ebenen anspricht und vor Vereinfachungen warnt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
Dr. Evelin Wittich
2. Tagungsprogramm
3. Politische und ökonomische Entwicklungen in Europa
Annick Coupé: L’Europe en mauvais état - Régulation politique et résistance
Europa in schlechter Verfassung – Politische Regulierung und Widerstand (Übersetzung von Richard Schneider)
Dr. Harald Werner: Für eine alternative Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik in Europa
4. Felder der Zerstörung des Sozialstaats und des Widerstands
4.1 Öffentliche Daseinsvorsorge zwischen Privatisierung und Kahlschlag (Arbeitsgruppe 1)
Dr. Werner Rügemer: Privatisierung in Deutschland – eine Zwischenbilanz
Fritz Meinicke: Bericht zur Arbeitsgruppe 1
4.2 Alternativen zu Arbeitslosigkeit und Ich-AG (Arbeitsgruppe 2)
Angela Klein: Die EU-Sozialpolitik enthüllt einen grundlegenden Konstruktionsfehler der Europäischen Union – ihr fehlendes Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen und sozialen Aufgaben
Klaus Dräger: Arbeitslosigkeit, Niedriglohn und Flexibilisierung in der Europäischen Union
Dr. Gabriele Nintemann: Bericht zur Arbeitsgruppe 2
4.3 Denn eines ist sicher: Die Profite der Rentenversicherer (Arbeitsgruppe 3)
Christian Christen: Denn eines ist sicher...
Annick Coupé: … nos retraites sont côtées au bourse!
… die Profite der Rentenversicherer (Übersetzung von Dorothee Haffner und Richard Schneider)
Alexander Recht: Bericht zur Arbeitsgruppe 3
4.4 Gesundheitssystem auf der Intensivstation (Arbeitsgruppe 4)
Tobias Michel: Globalisierte Geschäfte mit der Gesundheit – Mangel macht mobil
Erika Feyerabend: Selbsthilfe und Pharmaindustrie – eine gefährliche Partnerschaft
Sandra Fuhrmann: Bericht zur Arbeitsgruppe 4
5. Auf der Suche nach den Subjekten politischer Veränderung. Bericht zur Podiumsdiskussion
Peter Bathke
6. Angaben zu den ReferentInnen und Kontaktdaten
7. Pressebericht über die Tagung in der „Jungen Welt“ vom 25.10.2004
Mark Unbehend
8. Aktivitäten der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW