Die rechte Regierungskoalition hat die Wahlen zum dänischen Folketing am 9.2.2005 wie erwartet gewonnen. Die Partei des Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen erreichte 29% der abgegebenen Stimmen. Damit verlor Venstre zwar 2,3% im Vergleich zu den Wahlen von 2001, ihr konservativer Koalitionspartner gewann jedoch zugleich 1,2% und kam auf 10,3% der Stimmen. Eine sehr schlechte Nachricht ist, dass die rassistische Dänische Volkspartei ihr hohes Niveau halten konnte: Sie steigerte ihren Stimmenanteil um 1,2% und kommt nunmehr auf einen historischen Spitzenwert von 13,2%. Damit wird erneut eine rechtsliberalen Minderheitsregierung gebildet werden, die sich vor allem in ihrer restriktiven Flüchtlingspolitik der Unterstützung der Rechtspopulisten sicher sein kann.
Wie 2001 beherrschte auch in diesem Jahr eine Medienshow den dänischen Wahlkampf. Im Mittelpunkt standen die Versprechungen der beiden großen Parteien Venstre und der nur mäßig oppositionellen Sozialdemokratie: Verbesserungen für Alte und Kranke, Verringerung der Erwerbslosigkeit, Steuererleichterungen. Die beiden angebotenen Produkte unterschieden sich lediglich in der Personality ihrer Kandidaten. So gut wie keine Rolle spielte dabei beispielsweise, dass die Zahl der Erwerbslosen seit dem Antritt Foghs offiziell um fast ein Viertel auf über 170 000 angestiegen ist – die Zahl der in einer Art Null-Euro-Programm „Aktivierten“ nicht eingerechnet. Die seit nunmehr über zehn Jahre praktizierte Politik des Workfare hat nachweislich nicht zu einer Verbesserung der Lebenssituation der Erwerbslosen beigetragen. Oder auch andere Fakten: So zeigte eine Anfang des Jahres veröffentlichte Untersuchung des Sozialforschungsinstitutes, dass die Zahl der Armen gemessen am durchschnittlichen Lebensstandard auf 432 000 Menschen - rund 8% - gestiegen ist. Die Fogh-Regierung setzte seit 2001 fort, was ihre Vorgänger angefangen hatten: Die verschärfte Ausgrenzung von Ungelernten, Erwerbslosen und MigrantInnen. Auf der einen Seite wird genommen, auf der anderen gegeben: Im letzten Staatshaushalt wurden Steuersenkungen für die reichsten Teile der Bevölkerung beschlossen. Es besteht kein Zweifel daran, dass diese Politik nach dem Wahlsieg der Rechten fortgesetzt werden wird.
Dass die Umverteilung nicht nur einfach zwischen Arm und Reich stattfindet, sondern zugleich eine chauvinistische und rassistische Dimension enthält, ist (leider) eine Erklärung für den Wahlsieg Foghs. So wurde das sogenannte Entwicklungshilfebudget alleine 2004 um 2,4 Milliarden Kronen oder etwas mehr als 300 Millionen Euro gekürzt- die Flutkatastrophe lässt grüßen. Die gesparten Gelder, so behauptete die Regierung, sollte vollends den unter Personalknappheit und Warteschlangen leidenden Krankenhäusern zu Gute kommen. Dort kamen allerdings nur 1,5 Milliarden an – und diese waren als Geschenk verpackt, d.h. als einmaliger Zuschuss, der nicht dauerhaft im Staatshaushalt festgeschrieben ist. Das, was die dänische Regierung im Stile von Tony Blair als „Kontraktpolitik“ bezeichnete, ist nichts anderes als die fortgesetzte Aushöhlung eines Sozialstaatsprinzips, das auf Rechtsansprüchen beruht. Während das von der Regierung eingesetzte Komitee zur Überprüfung der Struktur des dänischen Wohlfahrtsstaates während des Wahlkampfes beredet schwieg, haben sich in den letzten Jahren in dieser Hinsicht ganz entscheidende Veränderungen ergeben.
Besonders deutlich wird dies in der Politik gegenüber Flüchtlingen: Nach 2001 wurden die Regeln für ihre Aufnahme in Dänemark verschärft. Die Zahl der neuen MigrantInnen sank bis heute auf rund 20% des Standes von 2001. Denen, die in Dänemark angekommen und geblieben sind, wurde das Leben durch die Wiedereinführung einer zynisch „Starthilfe“ genannten Leistung schwer gemacht, die deutlich unter dem Existenzminimum liegt. Zusätzliche Erwerbsmöglichkeiten reduzieren sich mehr oder weniger auf illegalisierte Arbeit. Internationale Kritik an solchen Maßnahmen bekümmert die Regierung wenig. Was anderswo schlecht ankommt, geht in Dänemark selbst gut. In der Propaganda erscheint die Verteilung von Geschenken an die steigende Zahl der Armen immer wieder als direktes Resultat der Angriffe gegen andere Arme. Die Kürzung der Sozialleistungen für Flüchtlinge wurde von Regierung und Dänischer Volkspartei als Umverteilung zugunsten von einmalig ausgezahlten Taschengeldern für dänische RentnerInnen verkauft. Die Spaltung funktioniert: Insbesondere die Rechtspopulisten konnten sich auf der Grundlage des bedrückenden Konsens über die Flüchtlingspolitik offenbar erneut relativ erfolgreich als „Sozialdemokratie des 20. Jahrhunderts“ profilieren. Die im europäischen Vergleich bemerkenswerte Stabilität der Partei Pia Kjærsgaards ist vor allem ihrer Propaganda für eine chauvinistische Sozialpolitik zu verdanken. Dabei half, dass die Sozialdemokratie viele der Einzelmaßnahmen gegen Flüchtlinge mittrug bzw. als Regierungspartei vor 2001 selbst verantwortete.
Eine der Konsequenzen: Die „echte“ Sozialdemokratie – ohne echte Alternativen unterwegs – verlor bei der Wahl noch einmal 3,2% ihrer Wählerstimmen und kam nur noch auf 25,9%. Sie ist nunmehr nur noch mit 47 statt mit zuvor 52 Abgeordneten im Folketing vertreten. Die Krise der ehemals hegemonialen und mächtigen Partei hält also nicht nur an, sie hat sich nach diesen Wahlen sogar verschärft. Dass die Sozialdemokraten für die Fortsetzung der grundlegenden Linien der Politik der Rechtsparteien stehen würde, wurde nicht zuletzt durch ihren Spitzenkandidaten symbolisiert: Mogens Lykketoft war vor 2001 Außenminister in der sozial-liberalen Regierung und steht damit für eine politische Tradition, die von Anders Fogh in der Tat nur leicht modifiziert übernommen wurde. Allerdings ist die Schwäche der Sozialdemokratie auch auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Partei ihre soziale Basis stark vernachlässigt hat – wofür ebenso die sinkende Gesamtzahl als auch der steigende Altersdurchschnitt der Mitglieder Ausdruck sind. Als Partei, die wie Venstre oder Dansk Folkeparti im Wesentlichen von ihrer PR abhängig ist, kann die Sozialdemokratie schon aufgrund mangelnder Sponsoren nicht mithalten. Die potentiellen parlamentarischen Bündnispartner der SP konnten diese Schwächen nicht ausgleichen.
So ist etwa die Tatsache, das die linksliberale Radikale Venstre ihren Stimmenanteil mit 9,2% nahezu verdoppeln konnte und insbesondere in Kopenhagen einen erdrutschartigen Sieg feierte, nur bedingt, wie in der internationalen Presse zu lesen war, als Ausdruck des Widerstands gegen die Regierung Fogh in liberalen Kreisen der Hauptstadt zu werten. Ihre Chefin, Marianne Jelved, äußerte sich nach der Wahl in erster Linie enttäuscht über den Umstand, dass eine bürgerliche Mehrheit unter dem Einschluss ihrer Partei nicht zustande kam. Im Gegensatz zur Radikale Venstre gehört der zweite potentielle Koalitionspartner einer sozialdemokratischen Regierung, die Sozialistische Volkspartei eindeutig zu den Losern der Wahl: Entgegen ihrer hochfliegenden Hoffnungen kam sie auf nur 6% der Stimmen ( - 0,4%). Ihr Vorsitzender Holger K. Nielsen trat unmittelbar nach der Wahl zurück. Das Konzept der SF, sich als Koalitionspartner einer Linksregierung u.a. durch ein Setzen auf eine Militärpolitik nach der Art Joschka Fischers anzubieten, ist nicht aufgegangen. Zumal dies beinhaltete, dass sich die Partei nunmehr für eine stärkere Integration Dänemarks in die EU ausspricht. Diese Politik war und ist innerhalb der SF stark umstritten – es bleibt also abzuwarten, wie die Wahlniederlage innerhalb der SF ausgewertet wird.
Entscheidend für den Wahlausgang war sicherlich auch die Schwächung der außerparlamentarischen Opposition und die Diskontinuität der sozialen Bewegungen, die in den letzten Jahren zu beobachten war. Letztere hatten in der ersten Zeit der Rechtskoalition einen Aufschwung erlebt – manifestiert in Protesten gegen die Einschränkung bürgerlicher Rechte, die Flüchtlingspolitik, die Kriegspolitik im Irak. Dieser Aufschwung hat leider nicht angehalten. Das hat auch damit zu tun, dass es nicht wie erhofft gelungen ist, die dominanten Kräfte in den Gewerkschaften in ein Bündnis gegen Fogh einzubinden. Nachdem Fogh 2002/2003 einige Angriffe auf die Gewerkschaftsrechte zurückzog, beschränkte sich die Gewerkschaftszentrale zunehmend auf eine Kritik an Einzelmaßnahmen. Auch die nach wie vor auf einem europäischen Spitzenwert liegende Zahl der wilden Streiks wurde zunehmend eine lokale und sektorale Angelegenheit. Selbst eine spektakuläre Streikwelle im Schlachtereisektor im vergangenen Dezember wegen der Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Norddeutschland hatte kaum negativen Auswirkungen für die Regierung. Alles in allem ist die linke Opposition in Dänemark heute marginalisiert.
Allerdings gibt es trotz alledem auch eine erfreuliche Nachricht, die vielleicht einen Funken Hoffnung auf eine Veränderung dieses Zustandes lässt. Die undogmatisch-linke Einheitsliste erreichte mit 3,4% der Stimmen und 6 Mandaten im Folketing eine Steigerung ihres Resultates von 2001 um mehr als ein Drittel. In ihren traditionellen Hochburgen in der Kopenhagener Innenstadt konnte die kleine Partei sogar Venstre überflügeln, aber auch auf dem Land kam es fast überall zu kräftigen Stimmengewinnen. Die Einheitsliste kann im Parlament die Rolle übernehmen, Verhältnisse zu thematisieren, die in der dänischen Öffentlichkeit heute so gut wie nicht ankommen. Ein Modell dafür könnte eine Aktion sein, die am 5.2. in Kopenhagen stattfand und an der sich mehrere tausend Menschen beteiligten. Auf die Initiative von 300 KünstlerInnen wurden überall in der Hauptstadt Bilder vom Krieg im Irak projiziert. Ziel der Aktion war, die unsichtbaren Folgen der Regierungspolitik sichtbar zu machen. Vielleicht können solche Aktionen ihren Teil dazu beitragen können, dass für die Great Moving Right Show in nicht allzu langer Zeit der Vorhang fällt.
Peter Birke ist Promotionsstipendiat der RLS
Eine Kurzfassung dieses Artikels erschien in analyse und kritik, Hamburg, Nr. 492, Februar 2005: www.akweb.de.