Auf Ihre Frage hin kurz zu meiner Person: Geboren 1934 in Jöllenbeck bei Bielefeld. Studium in Hamburg und Kiel, mit Fulbright-Stipendium auch in den USA. 1962 Promotion zum Dr. rer. pol. in Kiel, dann Assistentenstelle mit Habilitation in München 1968; vorher mit einem Habilitationsstipendium der deutschen Forschungsgemeinschaft 1 Jahr in Lateinamerika. 1968 Berufung auf einen Lehrstuhl für Soziologie an der Akademie für Wirtschaft und Politik in Hamburg. Danach Professuren an den Universitäten Tübingen und Köln. Seit 1988 zuerst Direktor, jetzt Präsident am Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung mit gleichzeitiger Professur an der Freien Universität. Seit 1993 Mitglied der Berlin Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.
Meine Wissenschaftskarriere hat mich schon früh in Zusammenhang mit Wissenschaftspolitik gebracht. Ich war an Hochschulen Dekan und Rektor. Dann auch gewählter Fachgutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft und in den Achtzigern 6 Jahre lang Mitglied des Deutschen Wissenschaftrates. Daneben gab es eine Fülle von Engagements in Beiräten von Instituten, in Vorständen von Fachvereinigungen, in Herausgebergremien von Fachzeitschriften etc. Sehr wichtig für mich sicher auch mein Engagement an der Humboldt-Universität als Planungsbeauftragter und Vorsitzender der Struktur- und Berufungskommission des Fachbereiches Sozialwissenschaft. Dieser Einsatz lag aufgrund von Bedingungen, über die wir wohl noch ausführlicher sprechen werden, weit jenseits des business as usual - schon deshalb, weil sehr viele schwierige und schmerzliche Personenentscheidungen zu treffen waren. Das ist mir unter die Haut gegangen. Jetzt ist die Leitung des größten europäischen Sozialwissenschaftsinstitutes, des WZB, natürlich etwas, was mich recht stark von der Forschung ablenkt. Ich schätze, daß etwa 70 Prozent meiner Arbeitszeit mit meinen Präsidentenfunktionen zu tun hat. Die Folge ist, daß meine Forschung in der von mir geleiteten WZB-Abteilung "Öffentlichkeit und sozialen Bewegungen" stärker zurücktreten muß, als ich es mir wünsche. Aber so ist das nun einmal.
Welche Bedeutung hatte die DDR für Sie?
Die Bedeutung der DDR war für mich, vergleiche ich es mit der Wahrnehmung anderer Bundesländer, überdurchschnittlich aufgrund von privaten Umständen. Mein Vater stammte aus Plauen im Vogtland, und wir hatten und haben Verwandte dort. Außerdem lebte eine meiner Patentöchter mit den Eltern in Nordhausen im Harz. Also gab es Gründe, lange Zeit mindestens einen Besuch jährlich in der DDR zu machen. Und das hat uns regelmäßig mit dem Alltag und dem Empfinden der DDR-Bürger in Verbindung gehalten. Für mich war die DDR, wenn ich sie besuchte, Dinge von ihr und über sie hörte, vor allem auch: DDR-Zeitungen las, immer eine Art von anachronistischer Absurdität, eine in die Vormoderne zurückgedrehte Utopie. Ich habe sie allerdings im Schatten sowjetischer Herrschaft für stabil gehalten. Als die DDR dann über Nacht zusammenbrach, gehörte ich zu denen, die überrascht, auch perplex waren.
Wie war das mit DDR-Sozialwissenschaft? Gab es wissenschaftliche Kontakte? Wie sehen Sie die Sozialwissenschaft in der DDR?
Als überwiegend uninteressant. Ich habe Kontakte gehabt mit DDR-Kollegen bei internationalen Anlässen, zum Beispiel bei dem Internationalen Soziologenkongress in Varna, Bulgarien. Die dabei entstandenen Begegnungen waren unergiebig. Offensichtlich waren die Kollegen nicht frei, über sich und ihre Arbeit zu sprechen. Das lief alles nach Schablonen. Ich habe in den Achtzigern aber von DDR-Kollegen auch Besuch bekommen; das war in meiner Kölner Zeit. Auch diese Kollegen gaben sich sehr vorsichtig, verdeckt, verschlüsselt. Es gibt eine Ausnahme, und die entstand mit Artur Meier von der Humboldt-Universität. Artur Meier hatte dadurch, daß er Vizepräsident der International Sociological Association war, Reisemöglichkeiten, die sonst in der DDR nur Reisekader bekamen, die nach den Maßstäben des DDR-Regimes mindestens hundertprozentig verläßlich waren. Meier war nach allem, was ich weiß, keineswegs hundertprozentig, und er paßte nicht in die allgemeine Reisekadertypologie. Er hat sich vor uns ungewöhnlich frei geäußert, und ich gewann mit meinen Kölner Kollegen (Renate Mayntz und Erwin Scheuch) den Eindruck, daß er mit eine Reihe von Mitarbeitern seines Instituts an der Humboldt-Universität nach Kräften bestrebt war, eine professionelle empirische Sozialforschung nach den Regeln der klassischen Soziologie zu betreiben. Ergebnisse seiner Bildungsforschungen erschienen uns schon damals außerordentlich interessant.
Wie haben Sie denn die Wende wahrgenommen und was für Vorstellungen hatte Sie, wo es hingehen soll?
Die Wende gehört zu den Großereignissen meines Lebens. Ich wohnte mit meiner Familie schon in Berlin, war also nah dran, als die Mauer aufbrach. Diese deutsche Freude, die ich damals empfand, ist sicher nicht wiederholbar. Gerade meine Wahrnehmung der DDR ließ mich das Ereignis als Befreiung derer empfinden, die mir gleich erschienen. Dann habe ich allerdings bald zu fürchten begonnen, ob denn die Erwartungen einlösbar seien, die in der Euphorie der nationalen Einigung ins Kraut schossen. Ich habe es als einen groben Fehler unserer politischen Führung empfunden, daß die Probleme und Belastungen dieses Prozesses öffentlich verdrängt wurden. Wie alle anderen habe ich verfolgt, wie die Beitrittsverhandlungen stattfanden, und wahrgenommen, was da herausgesprungen ist. Zu den fatalen Entscheidungen dieser Verhandlungen rechne ich die Eigentumsregelung, die in der Folge eine Fülle von Prozessen nach sich zog und eine grassierende Verunsicherung von vielen Menschen der sogen. Neuen Bundesländer im Hinblick auf ihre Datschen, Seegrundstücke, ihr eigenes Haus erzeugte. Insgesamt also: Freude, Spannung, aufkommende Bedenken, Vorstellungen von Schwierigkeiten, Enttäuschungen.
Welche eigenen Strategien und Wünsche verbanden Sie damit? Erwogen Sie, selbst an eine Ost-Universität zu gehen?
Nein, ich hatte in diesem Zusammenhang keine eigenen Wechselpläne. Eine Direktorenstelle am Wissenschaftszentrum ist beruflich fast unschlagbar, und ich habe nie vorgehabt, wieder voll an eine Universität zurück zu gehen. Wohl aber gab es die Vorstellung, nach Möglichkeiten suchen zu müssen, um irgendwo irgenwie mit anzupacken, wenn es darum ginge, Einrichtungen von Forschung und Lehre reformieren zu helfen. Ich habe mein Engagement an der Humboldt-Universität als ein solches Mit-Anpacken verstanden. Das hat mich dann über zweieinhalb Jahre hinweg viel mehr Zeit gekostet, als ich mir das anfangs vorgestellt habe. Ansonsten gab es ganz jenseits beruflicher Dinge für einen Westberliner triviale, aber nicht unwichtige Befreiungserfahrungen, die sich daraus ergaben, von Berlin aus schnell an die Ostsee oder in die Mecklenburgische Landschaft oder zu den Schlössern Potsdams fahren zu können. Das liegt nun alles so nahe und war doch vorher ganz weit weg.
Ende 1990 kam die Empfehlung der Kultusministerkonferenz die ehemaligen DDR-Universiäten abzuwickeln. Wie standen Sie zu dem Konzept der Abwicklung?
Ich begann meine Arbeit als Planungsbeauftragter an der Humboldt-Universität noch unter den gesetzten Rahmenbedingungen der verordneten Abwicklung. Die entsprechenden Regelungen bezogen sich nicht auf alle Fächer, sondern nur auf solche, die man - wie zum Beispiel die Sozialwissenschaften - als politisch überwuchert und wissenschaftlich verfremdet empfand. Insofern sah ich durchaus triftige Gründe für das, was man Abwicklung genannt hat. Ich habe ganz am Anfang zwar geglaubt, man müßte den Reformpozeß an den alten DDR-Universitäten als einen offenen Vermittlungsprozeß einrichten, in dem von beiden Seiten Kompromisse gesucht werden für den künftigen Weg. Ich habe bald aber auch gemerkt, daß die Akteure an der Humboldt-Universität nur begrenzt handlungsfähig waren und daß im Grunde alle Strategien aller Humboldtianer eingeengt und korrumpiert waren durch die eigenen existenziellen Bedürfnisse - nämlich, was immer auch kommen möge, den eigenen Arbeitsplatz zu halten. Das ist ein ganz menschliches Bedürfnis, das mir selber in ähnlicher Lage natürlich alles andere als fremd wäre. Gleichzeitig ist diese kollektive Stimmung aber auch eine restriktive Bedingung für sachlich fällige institutionelle Reformprozesse, die nicht an der Oberfläche bleiben konnten.
Unter diesen Umständen blieb die Vorstellung, für die deutschen Universitäten einen "dritten Weg" zu suchen, zwar sympathisch, aber uneinlösbar. Er war mir selber schon deshalb sympathisch, weil ich aufgrund meiner eigenen Universitätserfahrungen sowie aufgrund meiner Arbeiten im Deutschen Wissenschaftsrat wußte, wie überholt und versteinert, auch wie studentenunfreundlich das bundesdeutsche Hochschulsystem war. Also: Ich hatte keine sehr gute Meinung von der Zielgröße, die sich dann für die Universitätsumwandlung ostdeutscher Universitäten verbindlich machte - nämlich so zu werden wie die westdeutschen. Seit Jahrzehnten diskutiert man die Notwendigkeit grundlegender Reformen des westdeutschen Hochschulsystems. Daß dieses nun zum Muster des ostdeutschen Hochschulsystems geworden ist, ist unvernünftig. Man kann zwar eine gute Zahl von Erklärungen dafür beibringen, weshalb das so gekommen ist. Es gab bei laufendem Studienbetrieb keine Experimentiermöglichkeiten, und die Mithilfe der ostdeutschen Hochschullehrer war alles andere als produktiv. Aber traurig ist dieser Lauf der Dinge schon - und zwar nicht nur für die ostdeutschen Hochschulen.
Der neue Wissenschaftssenator Manfred Erhardt brachte unter anderem das Stichwort "Elite-Universität" für die umzugestaltende Humboldt-Universität auf. Welche Bedeutung hatten diese Konzeptionen für Ihre Arbeit?
Ach das ist ja eine schöne Idee, wenn man das Grau-in-Grau der Universitäten sich vergegenwärtigt. Daß jemand die Courage hat, etwas Besseres zu wollen, habe ich gut gefunden, und daß davon die Humboldt-Universität profitieren sollte, fand ich noch attraktiver. Denn mit der Humboldt-Universität verbindet sich auch ein Mythos, der mich selber angezogen und mehr als zweieinhalb Jahre lang festgehalten hat. Als ich gefragt wurde von Herrn Erhardt, ob ich die Funktion eines Planungsbeauftragten an der Humboldt-Universität übernehmen würde, habe ich spontan zugesagt: Diese Universität mit dieser Geschichte im Herzen der Hauptstadt - daraus sollte wieder etwas werden. Und daß der Senator diesen Vorsatz mit dem Begriff einer Elite-Universität schmückte, war, fand ich, eine schöne Utopie.
Wie beurteilen Sie die Konstellation der SBK, auch im Nachhinein? Es war ja eine recht eigenwillige, einmalige Konstruktion.
Zweierlei. Erstens: Erst im Nachhinein ist mir aufgegangen, daß die Konzeption disziplinenspezifischer Struktur- und Berufungskommissionen so naheliegend wie problematisch war. Diese Kommissionen haben jeweils für ihre eigenen Fakultäten das Beste versucht, und von Anfang an ist etwas zu kurz gekommen, was nun kaum noch korrigierbar ist: nämlich die Formalisierung interdisiziplinärer Strukturen zugunsten fachübergreifender Forschung und Lehre. Es gibt an den deutschen Universitäten die alte Versäulung nach Fakultäten, die mit einem starkem Autonomieanspruch ausgestattet sind. Der Verkehr zwischen den Fächern ist institutionell unterentwickelt.
Ich hatte bei der Einrichtung des Studienganges Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität die feste Absicht, die Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in den Studien- und Prüfungsordnungen verbindlich festzuschreiben., weil ich davon ausging, Soziologen müßten, um mit ihren Kernkompetenzen beruflich wirksam werden zu können, über die beiden zentralen Währungen Bescheid wissen, mit denen unsere Gesellschaft gesteuert werden, nämlich Recht und Geld; sonst bleiben sie harmlos. Entsprechende Vereinbarungen mit den Nachbardisziplinen, bei denen es natürlich auch um Ressourcenfragen hätte gehen müssen, waren aber völlig aussichtslos. Jeder hat sein Revier und für dieses Revier begrenzte Mittel gehabt, jeder hat eifersüchtig darauf geachtet, dieses Revier gemäß den Interessen der eigenen Disziplin bestmöglich zu bestellen; und was jenseits der Fächergrenzen rechts und links passierte, wurde nicht systematisch mitbedacht. Es war ein Fehler, daß die Senatsverwaltung nicht einen Teil der Ressourcen zurückgehalten hat, um Stellen für den disziplinüberschreitenden Verkehr der Fächer später finanzieren zu können.
Das zweite: Die Konzeption der Struktur- und Berufungskommission war ja insofern ausbalanciert, als sowohl alte Humboldtianer als eben auch hereingeholte Wessis in ihnen eine Rolle spielten. Es war also eine Vermischung von Interessen und Erfahrungen im Prinzip angelegt. Es stellte sich allerdings kein Gleichgewicht ein, sondern es gab nicht nur in meiner, sondern auch in anderen Struktur- und Berufungskommissionen eine Übermacht der Wessis, die in ihnen vertreten waren. Das hing mit dreierlei zusammen. Zum Einen: Wir kannten das Spiel, das mit Hochschulrahmengesetz und anderen Regelungen gespielt werden sollte, und unsere Humboldt-Kollegen in den Kommissionen hatten keine Ahnung davon. Das ganze bundesdeutsche Recht konnte ihnen ebenso wenig vertraut sein wie bestimmte Gesetzmäßigkeiten wissenschaftlicher Selbstverwaltung. Weiteres betraf die innere Souveränität, mit denen die Kommissionsarbeit geleistet wurde. Ich selber bin nicht in die Kommission gegangen, um mir dort einen Job besorgen zu müssen. Die Entscheidungen dieser Kommission betrafen nicht meine existentielle Situation. Ich habe meine Direktorenstelle am Wissenschaftszentrum gehabtm, und die war unanfechtbar im Hinblick auf Kommissionsangelegenheiten. Die ganz persönliche Zukunft der Humboldt-Kolleginnen und -kollegen in den Kommissionen hing jedoch von der Arbeit dieser Kommissionen ab: Über ihre eigenen Stellen wurde da entschieden. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß die alten Humboldtianer in den Kommissionen oft befangen und dann auch überwiegend zurückhaltend und vorsichtig, manchmal sogar ängstlich gewesen sind. Nicht zuletzt: Keineswegs unwichtig war natürlich, daß wir, die westdeutschen Kollegen, viel leichter Gehör bei denen finden konnten, die in Konfliktfällen direkt oder indirekt entscheidend sein konnten, nämlich die Ministerien, in Berlin: die Senatsverwaltung.
Ich würde gern nochmal einen Schritt zurück gehen in der Chronologie. Als Sie der Bitte Erhardts folgten, in der Struktur- und Berufungskommission zu wirken, welche Vorstellungen hatten Sie, was Sie erwarten wird und vor allen Dingen auch, auf was für Menschen Sie treffen?
Ich hatte, bevor ich diese Anfrage bekam, mich schon auch umgesehen. Es gab in dem damaligen Fachbereich der Sozialwissenschaften sehr früh gewisse Eigenbewegungen, und es gab Einladungen an Westberliner Kollegen, einfach so mitzuhelfen. Da habe ich drei, vier Sitzungen mitgemacht, die wenig zielstrebig, um nicht zu sagen chaotisch, verliefen. Aber ich habe dabei eine ganze Reihe von Kollegen kennengelernt und einige schätzen gelernt. Unabhängig davon gab es auch relativ früh Versuche von Kollegen aus der Humboldt-Universität, fachliche Kontakte herzustellen. Artur Meier und seine Mitarbeiter gehörten dazu. Einer der Ersten war auch Michael Brie, mit dem ich mich über ein Projekt zu Fragen von Öffentlichkeit und öffentlicher Meinungsbildung sehr interessant austauschte. Also, da gab es, nachdem die Mauer gefallen war, einen relativ schnell ansteigenden Kollegialverkehr, der freilich nicht hingereicht hat, um mir eine hinreichend genaue Vorstellung über das zu vermitteln, was mich später in einer formellen Rolle an der Humboldt-Universität erwartete. Die Bedingungen für dieses Rollenspiel waren völlig neu und zudem unstet. Dazu gab es keine Erfahrungen und wenig Kalkulierbarkeit. Hier ging es um unternehmerisches Handeln in einem relativ offenen Feld und mit überdurchschnittlicher Fehlerwahrscheinlichkeit.
Hatten Sie neben der Absicht, die Interdisziplinarität zu fördern, noch weitere Pläne für die Arbeit der SBK?
Ich fand es immer ungut - das ist noch eine Diasziplinenfrage -, daß sich Soziologie und Politikwissenschaften so stark voneinander wegentwickelt haben. Und so gehörte es mit zu meinen Vorstellungen, zu einem Studiengang beizutragen, in dem es eine engere Berührung und eine Dauerkommunikation zwischen Politikwissenschaftlern und Soziologen geben würde. Das ist dann ja auch mit Studiengangs- und Prüfungsordnungsbestimmungen so eingefädelt worden. Wenn meine Eindruck nicht täuscht: dies nicht ohne, aber doch wohl nur mit mäßigem Erfolg. So etwas setzt auch persönliche Konstellationen voraus, die bei einer Ensembleberufung, wie wir sie vorzunehmen hatten, nicht zuverlässig disponiert werden können.
Es gehörte im übrigen auch zu meinen Vorstellungen, die Position der Studenten im Lehrbetrieb zu stärken. Da Hochschullehrer an deutschen Universitäten nicht (oder nur selten) gezwungen sind, um Studenten zu konkurrieren, befinden sich Studenten nach Marktgesetzen in keiner guten Position, wenn es um Fragen der Lehrqualität geht. Ich habe habe deshalb einige engagierte Studenten, mit denen ich Kontakt hatte, früh ermuntert, Lehrveranstaltungskritik zu institutionalisieren. Ich hatte diese Einrichtung an amerikanischen Universitäten mit durchschlagendem Erfolg routinisiert gefunden. Und später, als die Studenten Veranstaltungskritik an der Humboldt-Fakultät eingeführt hatten, habe ich mit einem gewissen Vergnügen die Nervosität meiner Kollegen wahrgenommen, wenn der Aushang der Ergebnisse von Veranstaltungsbefragungen bevorstand und sie noch nicht wußten, ob sie selber gut oder schlecht abgeschnitten hatten. Sicher hat die Tatsache, daß es dabei nicht auch mich selber ging, zu meinem Vernügen beigetragen.
Zur Frage nach meine Absichten ein letztes. Für die Kommission stand nach kurzer Zeit fest, daß es bei ihrer Arbeit nicht nur um die Einrichtung von Studiengängen und um die Berufung von neuen Hochschullehrern gehen würde. Es ging auch um die Beurteilung der vielen vorhandenen Professoren, Dozenten und Assisteten, die dem Fachbereich zugerechnet wurden.; über 60 sind es gewesen. Ich habe mir immer und immer wieder vorgenommen, fair zu sein und die Bedingungen mitzuberücksichtigen, unter denen diese Kollegen und Kolleginnen in der DDR ihren Weg gemacht haben. Das war so schwierig, weil wir Bundesrepublikaner diese Bedingungen ja nur vom Hörensagen und bloß pauschal kennen konnten, auf jeden Fall nicht selber erlebt hatten. Umso wichtiger war es, den Prozeß, so gut das möglich war, vor blanker Politisierung und flinker Moralisierung zu schützen. Und in diesr Hinsicht gab es dann später durchaus Konflikte. Es ging zum Beispiel um die Frage, ob der ehemalige Prorektor Dieter Klein bleiben dürfe oder gehen müsse; und das war am Ende eine ausschließlich politische Frage. Ich habe meinem Senator damals gesagt: "Wenn Sie den Vorschlag der Struktur- und Berufungskommission zugunsten von Dieter Klein ablehnen, dann werde ich zurücktreten." Ich hatte mich mit der Kommission sehr um diesen Fall gekümmert, und wir waren gemeinsam zu der Ansicht gekommen, daß Dieter Klein nicht nur ein kluger Wissenschaftler, sondern auch ein integrer Funktionsträger gewesen ist. Ich hätte seine Entlassung als ungerecht und überdies als einen unvertretbaren Eingriff in meine eigene Arbeit gefunden.
Also, vieles an dem Humboldt-Engagement hing mit dem Schicksal von Menschen zusammen, die wir an Ort und Stelle vorfanden und um deren Zukunft es ging. Das war nicht vergleichbar mit den Berufungsentscheidungen an westdeutschen Universitäten, die ich in grosser Zahl erlebt hatte. Der Umgang mit Menschen, deren Normalität zusammengebrochen war und denen nun Maßstäbe begegneten, die sie nicht eingeübt hatten, war viel schwieriger. Ich denke, wir haben uns Mühe gegeben. Aber ich bin mir nicht sicher, ob alle Entscheidungen richtig waren, die wir über Personen getroffen haben.
Welche Rolle spielte in diesem Zusammenhang das Institut für Zivilisationsforschung? War das ein Versuch gewesen, der Ihrem Ansatz entsprach?
Es war Kommissionsangelegenheit, über diese Idee zu befinden, die von einigen "alten" Humboldtianern etwas konspirativ entwickelt worden war. Ich habe sie für nicht hinreichend fundiert gefunden. Ihr Zweck bestand auch nicht zuletzt darin, so schnell wie möglich doch noch ein Reservat für diejenigen zu schaffen, deren Position im Fachbereich bedroht war.
Sie erwähnten Ihre Vermittlungsrolle zwischen den Humboldtianern und dem Senat. Sie sprachen auch von einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen den SBK-Vorsitzenden und Erhardt in ihrem Artikel. Wie sah dieses besondere Verhältnis aus?
Erhardt war, und ich sage das auch im Wissen um andere Kultusminister, einer der herausragenden Wissenschaftsminister in den alten Bundesländern mit sehr ambitionierten Vorstellungen von der Qualität von Wissenschaft. Einer auch, der in seinem Ressort Politik nicht als bornierte Parteipolitik betrieb. In meinem Fall war es übrigens nicht Senator, mit dem ich meine Schwierigkeiten, wie zum Beispiel bei der Angelegenheit Dieter Klein, hatte. Da gab es eine pharisäische Koalition, die von Leuten des Wissenschaftsausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses bis hin zu den Berlinern FAZ-Redakteuren gereicht hat. Erhardt war auf Qualität der Wissenschaft aus, und die wollte er für die Humboldt-Universität auch mit erheblichem Mitteleinsatz finanzieren. Es war anfangs wohl auch für ihn noch nicht erkennbar, wie schnell sich die Berliner Haushaltssituation so ins Ruinöse hinein entwickeln und seine Pläne konterkarieren würde. Wahrscheinlich waren seine Scharmützel mit dem Rektor Fink, der dafür freilich auch spitze Anlässe gab, nicht sehr vernünftig. Da mögen im Umgang mit der Humboldt-Spitze Fehler passiert sein. Aber man darf nicht erwarten, in einen solchen Prozeß hinein zu gehen und keine Fehler zu machen. Senator Erhardt hat wenig Fehler gemacht. Und ich fand, daß ich auch über schwierige Sachen mit ihm offen reden konnte. Das stiftete ein Vertrauensverhältnis, das ich geschätzt, gepflegt und für meine Arbeit genutzt habe.
Wie lief die Rolle als Vermittler konkret ab? Wie muß man sich diesen Entscheidungsfindungsprozeß vorstellen?
Es gab für die SBK keine Vorbestellungen von Urteilen. Ich habe nicht erlebt, daß sich jemand in laufende Vorgänge, die wir zu behandeln hatten, eingemischt hätte. Es gab lose definierte Randbedingungen der Politik, es gab Hintergrundvorstellungen des Wissenschaftsrates. Die waren aber alle blank und blaß, und sie berührten kaum die Problemlagen, mit denen wir es tatsächlich zu tun hatten. Später kamen juristische Auseinandersetzungen. Da kam durch das deutsche Arbeitsrecht eine neue Form normativer Gestaltung, mit der meine Kommission dann aber kaum noch etwas zu tun hatte. Maßgeblich waren zuerst einmal unsere eigenen Vorstellungen über Personen und Sachen. Für einen Teil unserer Ergebnisse brauchten wir ein Votum des Akademischen Senats der Universität. Dabei ergaben sich Schwierigkeiten daraus, daß der Akademische Senat - bei allem guten Willen der Beteiligten - von sich neu bildenden Fronten sowie durch die Unerfahrenheit der meisten seiner Mitglieder gelähmt war. Es fanden im Akademischen Senat auch Nachholgefechte statt, die in DDR-Zeiten unterdrückt worden waren, Abrechnungen zwischen Opfern und Tätern, sowie zwischen vermeintlichen Opfern und vermeintlichen Tätern. Man darf sich ja nicht vorstellen: Die Humboldt-Universität, da waren alle einer Meinung und nur die Eindringlinge aus dem Westen haben verhindert, daß sich die Universität selber reformieren und dann gedeihlich entwickeln konnte. Die Humboldt-Universität war in wesentlichen Fragen handlungsunfähig, nicht zuletzt auch unter dem Einfluß einer Universitätsverwaltung, der ich gewünscht hätte, sie wäre ebenso evaluiert worden wie der akademische Universitätsbereich. Dort hat sich so mancher unterbringen können, der da nicht hingehörte. Im akademischen Senat gab es neben dem Rektor übrigens einen Opinion Leader, den ich heute als Doktoranden habe, nämlich Sven Vollrath. Er erschien mir in diesen Jahren als der professionellste aller Senatsmitglieder. Die Dozenten und Hochschullehrer waren für die universitäre Selbstverwaltung meistens wenig qualifiziert, auch kaum erfahren. Es war eine merkwürdige Versammlung, die lange Zeit durch das Charisma von Rektor Fink geprägt war . und eben durch den Studenten Vollrath.
Wenn dann der Akademische Senat zu irgendetwas Ja oder Nein gesagt hatte, dann ging die Sache als Vorlage weiter an die Senatsverwaltung. Ich habe in Sachen der Sozialwissenschaften nur drei, vier Fälle erlebt, wo es im Akademischen Senat Nachfragen und wo es Einwände gab. Auf der Ebene der Senatsverwaltung gab es ebenfalls kaum Dissens. Schwierigkeiten erinnere ich nur bei drei Personalangelegenheiten, die alte Humboldtianer betrafen. Auf diese hatten sich auch die Berliner FAZ-Redakteure eingeschossen. Ich selber fand mich in dieser Presse dann auch als Steigbügelhalter für "rote Socken" etikettiert. Das ging von dort aus in die CDU-Fraktion des Abgeordnetenhauses hinein, da mußten der Senator und sein Staatssekretär rapportieren. Es gereicht denen zur Ehre, daß sie nur in einem Falle den Druck an mich weitergegeben haben.
Hatten Sie einen Einblick, was das für alte Rechnungen im Akademischen Senat waren?
Also, es gab in einem Personalfall, den ich zu vertreten hatte, ungute Gerüchte, die ich nicht wiederholen will. Brisant wurden diese, wenn sie sich mit dem Vorwurf verbinden liessen, da sei einer neben allem anderen Reisekader gewesen. Nun gab es unterschiedliche Gründe dafür, die Privilegien eines Reisekaders zu genießen, und nicht alle hingen damit zusammen, daß einer ein 120-prozentiger war. Aber ich fand wenig Interesse, in derlei Angelegenheiten zu differenzieren - genauso wenig, nein noch weniger, wenn das Stichwort Stasi aufkam. Dann gabe es kein genaues Hinsehen mehr, Kündigung war nicht zu verhindern.
Auf der Seite der Wessis begegnete ich häufiger noch dem Vorwurf, einer sei ein reiner Opportunist gewesen. Ich habe allerdings, je mehr ich von den Biographien der ehemaligen DDRler verstand, umso weniger einfach gefunden, Opportunismus bloß zu verachten. Da prüfe sich jeder selber, was er unter bestimmten Bedingungen bereit ist zu tun - oder nicht zu tun. Man mag dergleichen unsympathisch und auch anstößig finden, sollte aber nicht davon ausgehen, daß eine Eintrittsbedingung in den Hochschullehrerberuf die Heldenhaftigkeit der Kandidaten ist. Aus dem Stoff, aus dem man Helden baut, sind Menschen nicht.
Können Sie sich noch an die erste Sitzung der SBK erinnern? Sie waren ja von den Soziologen am Fachbereich favorisiert worden. Wie war das mit den Ost-Politologen, wie funktionierte die Zusammenarbeit?
Ich habe die Zusammenarbeit mit Politikwissenschaftlern überhaupt nicht als ein Problem empfunden. Schon deshalb nicht, weil ich mich in meiner Forschung am WZB selber in Richtung Politikwissenschaft entwickelt hatte. Im übrigen gelang es mir - Senator Erhardt hatte mir diese Kooptationen überlassen -, einen hochangesehenen Politikwissenschaftler für die Mitgliedschaft in der Kommission zu gewinnen, Klaus von Beyme, der in den Rankinglisten der Politikwissenschaft regelmäßig an erster Stelle steht. Es war uns dann ziemlich gleich, ob es sich bei Ost-Kollegen, mit denen wir zu tun hatten, um Politikwissenschaftler oder Soziologen handelte. In der Kommissionsarbeit - so mein Eindruck - verschwanden die Fächerunterschiede nicht, traten aber in den Hintergrund.
Der ehemalige Rektor Fink klagte einmal, daß die Zusammenarbeit mit den SBK so schlecht war, und daß er von deren Ergebnissen oft nur aus der Presse erfuhr. Wie sehen Sie das? Und wenn es so war, welche Gründe gab es dafür?
Mich würde überraschen, wenn Her Fink sein Verhältnis zu den SBK als generell schlecht bewertet hätte. Ich erinnere mich an folgendes: Als der gerichtliche Aufhebungsbescheid zum Komplex Abwicklung herauskam, da arbeiteten schon die ersten fünf Struktur- und Berufungskommissionen, zu denen auch die sozialwissenschaftliche gehörte. Es wäre zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen, die existierenden Struktur- und Berufungskommissionen aufzulösen Herr Fink wußte das natürlich, hat uns aber eindringlich gebeten, mit unserer Arbeit fortzufahren. Nun wird es so sein, daß das Verhältnis dieses Rektors nicht zu allen Kommissionen gleich gut war. Da spielen auch Personenfragen hinein. Generell gehört es zu Besonderheiten von Umbruchprozessen, daß Personen eine außerordentliche Rolle spielen. Wenn Institutionen brüchig werden, werden Personen wichtiger. Personen sind sozusagen funktionale Äquivalente für Institutionen. Es gab ein freies Feld für alles Mögliche, und entsprechend gab es zwischen den Kommissionen und dem Stil ihrer Arbeit große Varianzen. Deshalb kann ich mir gut vorstellen, daß sich Herr Fink über einige Struktur- und Berufungskommission geärgert hat und über andere nicht.
Ich selber hatte ein offenes Verhältnis zu diesem Rektor. Er hatte etwas, was für die gedrückte Stimmungslage der Humboldtianer geradezu heilsam war. Er gab sich gegenüber der aus Westberlin herüberregierenden Obrigkeit ausgesprochen selbstbewußt und keck, und er verstand es, auch im Widerstand gegen Senator kollektives Selbstbewußtsein zu repräsentieren. Also ist verständlich, daß sich so viele Humboldtianer mit ihm identifizierten. Er hätte dann aber, als er durch Stasi-Vorwürfe persönlich in die Bredouille kam, nicht die Sache der Humboldt-Universität so stark und so lange mit seinem eigenen Schicksal verbinden sollen. Das wäre für die Uni besser gewesen.
Gab es einen Austausch zwischen den einzelnen SBK's?
Wenig. Jeder hatte so viel zu tun mit den eigenen Aufgaben. Und dann gab es auch ganz unterschiedliche Stile und Rollenauffassungen. Aber die Hauptsache war: Wir waren alle schon übermäßig damit beschäftigt, das zuwege zu bringen, was wir in unserem eigenen Feld zu tun hatten.
Unter Fink hatte die Politisierung der Universität ihren Höhepunkt erreicht. Hat Frau Dürkopp richtig gehandelt, als sie alles auf eine sachlichere Ebene bringen wollte?
Wir hatten unsere Geschäfte schon größtenteils erledigt. Ich hatte sehr wenig Dienstkontakt mit Frau Dürkopp. Ich erinnere mich aber an die Wahlkämpfe, die schon zu meiner Zeit stattfanden. Da konkurrierten der Herr Glotz und die Frau Dürkopp, und letztere gewann, obwohl ihr Konkurrent der höher vermittelte und der erfahrenere Hochschulpolitiker war. Aber ich habe nachvollziehen können, warum Glotz im Konvent der Humboldtianer weniger ankam als Frau Dürkopp. Diese hatte eine warme, ja eine mütterliche Ausstrahlung. Zumindest auf dem ersten Blick. Demgegenüber stellte Glotz einen scharfen, schneidigen Typ dar, dessen Ironie der Gemütslage der Humboldtianer sicher unheimlich sein mußte. Ironie gehörte sowieso nicht zu dem Habitus, den die DDR-Kultur ihren Bürgern vermittelte. Also hatte Glotz keine Chance. Ob das für die Humboldt-Universität gut war, will ich nicht beurteilen. Sicher bin ich mir nur darin, daß die Versachlichung der Universitätspolitik nach der Ära Fink unabdingbar und fällig war.
Wenn Sie jetzt Bilanz ziehen und die Pläne, die Sie hatten, dem Erreichten gegenüberstellen. Sind Sie mit dem Erreichten zufrieden?
Ich studiere die Entwicklung des Fachbereiches, den ich aufbauen half, nicht genau genug, um dazu ein festes Urteil zu haben. Die Reputation des Fachbereichs ist sicher überdurchschnittlich, und Studenten, die mir als Hilfskräfte gelegentlich hier am WZB begegnen, geben sich überhaupt nicht unzufrieden.Die Sperrung von Stellen und drastische Einschränkung von Mitteln schlägt natürlich auf die Stimmung der Kollegen, begrenzt ihre Optionen und beschädigt wohl auch ihre Motivationen. Zuerst hatte ich die Sorge, daß die Soziologen und Politikwissenschaftler sich ganz auseinanderentwickeln und so schnell wie möglich getrennte und voneinander unabhängige Studiengänge betreiben würden. Dies ist so nicht eingetreten, aber der Verkehr zwischen beiden Disziplinen hält sich stärker in Grenzen, als ich es mir wünsche. Ich selber halte immerhin zur einer Reihe sowohl von Politikwissenschaftlern als auch Soziologen der Humboldt-Universität gute Kontakte, die ich fachlich und kollegial sehr schätze. Sie berichten mir übrigens, daß sie inzwischen nicht mehr imstande seien, die Ossis und Wessis ihrer Studenten zuverlässig voneinander zu unterscheiden. Wenn das richtig ist, kann man wenigstens in dieser Hinsicht zufrieden sein. Aber - die resolute Universitätsreform, die man sich wünschen muß, ist auch an der Humboldt-Universität nicht, bisher nicht gelungen
Noch eine allerletzte Frage. Was wünschen Sie sich für den Wissenschaftsstandort Berlin und für die Humboldt-Universität?
Ich selber betreibe Wissenschaftspolitik aus der Sicht und im Interesse einer außeruniversitären Forschungseinrichtung und bin mit dem Geschick der Universitäten nur noch am Rande verknüpft. Klar ist mir, daß sich speziell in Berlin die Universitäten in einer miserablen Lage befinden. Sie werden brutal zurückgefahren. Bei der Bewertung dieses Zustands bin ich allerdings ambivalent Auf der einen Seite sehe ich die enormen Schwierigkeiten und die Rückschläge, die es aufgrund dieser Entwicklung an den Universitäten gibt. Auf der anderen Seite glaube ich, daß sich die Reformfähigkeit deutscher Universitäten überhaupt erst unter Bedingungen eines starken Außendrucks entwickeln läßt. Der institutionelle Verschnitt von Kollegialverfassung und Mitbestimmungsregime, der für deutsche Universitäten typisch ist, sorgt nachhaltig für Immobilität. Also bedarf es einschneidender Zwänge, damit die Puppen überhaupt zum Tanzen kommen. Insofern sehe ich gegenwärtig nicht nur das Dilemma gebeutelter Universitäten, sondern auch die Chancen, die gerade dadurch entstehen.
Das Interview führten Jana Barthel und Thomas Sarzio im Sommer 1997.