Nach Abschluss des Weltsozialforums 2004 in Mumbai (Indien), das für den Prozess des WSF neue Akzente setzte („offener Raum“, breite demokratische Teilnahme, Teilnahme ausgegrenzter Bevölkerung, Kampf gegen den Krieg etc.), wurden in unterschiedlichen Teilen der Welt weitere kontinentale, regionale und nationale sowie thematische Foren durchgeführt oder sind geplant. So etwa: Transamazonisches Forum - Manaus, Brasilien; Sozialforum Amerikas – Quito, Ecuador; 3. Weltforum der Richter – Buenos Aires, Argentinien; Sozialforum Sidney, Australien; Sozialforum Uruguays – Montevideo; Weltforum Bildung – Porto Alegre, Brasilien.
Der von Mumbai ausgehende Impuls hat die Bewegung der Foren nicht abgeschwächt, sondern in vielfältiger Weise gestärkt und bereichert.
Aber schon in Mumbai zeigte sich, dass es erforderlich sein wird, über die weitere Gestaltung des Forumprozesses nachzudenken und inhaltliche und methodologische Veränderungen vorzunehmen. Das Sozialforum Amerikas in Quito bereicherte den Prozess – wie schon Mumbai – durch seine Vielgestaltigkeit und das Auftreten neuer Akteure.
Vom 4. – 7. April tagte der Internationale Rat (IR) in Passignano, Italien, der dort um weitere 19 Organisationen erweitert wurde. Er stellte sich den neuen Herausforderungen und schlug vor, die thematischen Achsen des WSF 2005 im Rahmen einer Konsultation aller Forumsteilnehmer zu erarbeiten. Gleichzeitig entstand die Idee, das Programm des Forums durch die Teilnehmer selbst gestalten zu lassen. Ausgangspunkt ist die Überlegung, eine Zusammenfassung (Aglutination) unterschiedlicher Organisationen zu erreichen, um bestimmte Themen (Alternativen, Aktionsprogramme, politische Kämpfe) gemeinsam zu beraten. Der IR beschloss, die „Kommission für Methodologie und Inhalt“ mit der weiteren Ausarbeitung zu beauftragen. Die neue Methodologie wird somit partizipativer und demokratischer gestaltet.
Seit April wurden nun weitere Schritte eingeleitet, um diese Vorschläge umzusetzen und in die unmittelbare Phase der Vorbereitung des WSF 2005 zu gehen.
1. Erste Massnahmen Richtung Forum
Im Mai 2004 konstituierte sich das Brasilianische Organisationskomitee (COB). Zu den acht Mitgliedern des Komitees kamen weitere 16 hinzu. Die einzige Aufgabe des COB ist es, das WSF 2005 vorzubereiten. Dazu gehören die Vorbereitung des Ortes der Durchführung, die Ausarbeitung des Rahmenprogrammes, Abstimmung kultureller Aktivitäten, Unterstützung für die Arbeitsgruppen des IR.
Während der Tagung des COB in Porto Alegre Ende Mai 2004 wurde die Rahmengestaltung des Forums erarbeitet. Das betrifft vor allem die Auswahl der Örtlichkeit, in der das Forum durchgeführt wird. Es wird nicht mehr in der Katholischen Universität, sondern in den zentrumsnahen Gebäuden des Hafens des Flusses Guaiba stattfinden. Vorgesehen ist eine „thematische Geografie“, d.h. dass die inhaltlichen Schwerpunkte des Forums in bestimmten Gebäuden und an bestimmten Orten konzentriert werden. Das gewährleistet eine bessere Übersicht für alle Teilnehmer und eine direktere Verbindung des Forums mit der Bevölkerung der Stadt.
Gebildet wurden sieben Arbeitsgruppen: „Raum“ (space), Solidarische Wirtschaft (gewährleistet, dass Versorgung, Umwelt etc. von Kooperativen durchgeführt werden), Umwelt und Nachhaltigkeit, Kultur, Übersetzung (Einbeziehung freiwilliger Dolmetscher), Gruppe Babel (Kommunikation, Freie Sotware). Ihre Aufgaben bestehen in der Erarbeitung von Ideen und Vorschlägen und der Führung des Dialoges zur Vertiefung der politischen Diskussion während des Forums. Eröffnet wurde das Büro des Orgkomitees in Porto Alegre unter Leitung des erfahrenen Jefferson Miola, Porto Alegre. Das Büro hat seinen Sitz im Gasómetro (umgestaltte Industrieanlage am Ufer des Guaiba).
Weitere Schritte zur Erarbeitung der neuen Methodologie unternahm die „Kommission für Methodologie und Inhalt“ während ihrer Tagungen in Sao Paulo (Mai 2004) und in Quito während des Forums Amerikas (Juli 2004).
In der Zeit von Mitte Juni bis Ende Juli wurde die vom IR beschlossene Fragenbogen-Konsultation durchgeführt. Diese Befragung hatte das Ziel, eine Grundlage für die Erarbeitung der Themen des Forums zu schaffen. Mehr als 1.800 Organisationen beteiligten sich daran. Die Analyse der Konsultation ergab die Grundlage für die Debatte der Kommission am 23. und 24. August in São Paulo.
2. Die Tagung der „Kommission für Methodologie und Inhalt“, 23./24. August 2004 in Sâo Paulo
Der Tagung der Kommission kam besondere Bedeutung zu. Sie musste den begonnen Dialog zur Veränderung der Methodologie und der Erarbeitung eines Vorschlages zur inhaltlichen Gestaltung des Forums weiterführen und zu einem Abschluss bringen. Vorgelegt wurde ein Vorschlag, der sowohl die Möglichkeit der Zusammenfassung von Aktivitäten wie auch die Erhaltung des Prinzips der Autonomie aller Beteiligten zu berücksichtigen hatte. Die Zusammenfassung der Aktivitäten hat das Ziel, den Dialog während des Forums zu vertiefen, Wiederholungen und Doppelungen zu vermeiden und und die Pluralität der Debatten zu gewährleisten. Autonomie der beteiligten Organsiationen bedeutet: Die Zusammenfassung erfolgt auf freiwilliger Grundlage. Jede Organisation, die sich einschreibt, kann auch eigene Aktivitäten durchführen, wenn sie sich nicht an anderen Vorschlägen beteiligen will.
Die Selbstorganisation (Aglutination):
Die grosse Mehrheit der Teilnehmer des Forums ist sich bewusst, dass politische Veränderungen nur durch die Erarbeitung gemeinsamer Alternativen die Durchführung gemeinsamer Aktionen zu erreichen sind. Wenn das der Ausgangspunkt ist, fällt dem IR und dem COB die Aufgabe zu, effektive Bedingungen für eine autonome Selbstorganisation zu schaffen. Diese Voraussetzung war auf den bisherigen Foren nicht in ausreichendem Masse gewährleistet. So kann eine Organisation, die sich gegen die Privatisierung des Wassers in ihrem Lande richtet, Menschen/Organisationen aus anderen Teilen der Welt finden, die sich mit dem gleichen Problem auseinandersetzen. In vielene Fällen können so drei oder vier bisher separate Veranstaltungen zusammengelegt werden.
Das erfordert eine besondere Handhabung der Einschreibung teilnehmender Organisationen. Die Registrierung einer Aktivität im Internet muss gewährleisten, dass jede sich einschreibende Organisation sofort auf gleichgelagerte oder ähnlchte Themen oder Initiativen Zugriff haben muss. Mit dieser Information kann der Kontakt zu anderen aufgenommen und ein erster Meinungsaustausch eingeleitet werden.
Seit der Tagung in Italien steht die gemensame Themenfindung im Mittelpunkt des Interesses, in diesen Zusammenhang fügt sich auch die bereits erwähnte Fragebogen-Konsultation ein. Auf dem Wege der Kontaktaufnahme und des ersten Meinungsaustausches kann der Weg zur Bildung von Selbstorganisationsgruppen (Zusammenfassungsgruppen) gegangen werden. Ihre Bildung – so der Vorschlag – kann bei thematischer Übereinstimmung selbständig und hierarchiefrei erfolgen. Eine Limitierung der Zahl solcher Gruppen ist nicht vorgesehen. Die Schaffung einer internet-gestützten Datenbank, auf die alle Beteiligten Zugriff haben, dient als wichtiges Werkzeug der Organisation dieses Prozesses.
Thematische Räume
Ein solches „Werkzeug“ stellen auch die thematischen „Räume“ (space, espaços, espacios) dar. Diese haben eine doppelte Funktion: Während des WSF dienen sie der örtlichen und thematischen Orientierung der Teilnehmer. Im Vorfeld des Forums dienen sie als Organisationskriterium während der Einschreibungsphase, die im Monat September beginnt. Eine Organisation kann eine bestimmte Aktivität in einem oder mehreren „Räumen“ anmelden. Von diesem Moment an tritt sie in einen Austausch mit anderen Gruppen oder Personen.
Zur Erleichterung des Dialogs und der Formierung der Gruppen wird vorgeschlagen, ein einheitliches Vorgehen bei der Einschreibung zu garantieren: Angabe des thematisches „Raumes“, Aufnahme von Kontakten über die Datenbank zu anderen Organisationen und Erstellung von elektronischen thematischen Listen. So können sich die Selbst – Organisationsgruppen herausbilden, die sich auf der Basis der elektronischen Listen zusammenfinden. Dabei ist nicht auszuschleissen, dass bestimmte Gruppen zum gleichen Thema arbeiten.
Einschreibung, Selbstorganisation und Wiedereinschreibung
Die Selbstorganisation ist erwünscht, aber immer freiwillig.
Die Einschreibungsmethode will diesen Prerrogativen entgegenkommen:
Sie gestattet jeder Organisation, ihre eigene Aktivität (Workshop, Seminar) einzuschreiben, ermöglichst es aber auch, die Einschreibung zu wiedeholen oder zu verändern.
In der Reihenfolge steht die Einschreibung vor der Bildung der Selbstorganisationsgruppen. Die Einschreibung beginnt im Monat September, nachdem die Datenbank in Porto Alegre zur Verfügung steht. Es ist vorgesehen, diesen Prozess über zwei Monate auszuführen.
Alle Organisationen werden aufgerufen, sich an der Bekannmachung der neuen Methodologie zu beteiligen. Sowohl der IR, wie auch das COB und das Sekretariat Indien-Brasilien werden beständig über den neuesten Stand informieren. Das geschieht im Rahmen einer Arbeitsgruppe, die den Einschreibungsprozess verfolgen soll und Kurzberichte anfertigt. Über sie ist es auch möglich, Selbstorganisationsgruppen anzuregen.
Momentan ist geplant,, Anfang November das Programm des V. WSF zu veröffentlichen. Aus diesem Anlass wird es erforderlich sein, dass sich die Kommission für Methodologie und Inhalt nochmals trifft, um eine abschliesende Abstimmung vorzunehmen. Die nächste Tagung der Kommission wird am 13./14. November in Porto Alegre stattfinden.