Publikation Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Geschlechterverhältnisse Renate Heubach: Migrantinnen aus Mittel- und Osteuropa in ungeschützten Arbeitsverhältnissen

Beitrag zum Arbeitstreffen "Bündnisse der Arbeit? Gewerkschaften - Migration - Frauen II" am 3.11.2001 in Hamburg. Die Veranstaltung ist eine Fortsetzung der Tagung "Arbeitsverhältnisse der Zukunft, Gewerkschaft-Migration-Frauen I" in Hamburg im November 2000.

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Online-Publ.

Erschienen

Oktober 2001

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Konferenz: Bündnisse der Arbeit?
Gewerkschaften - Migration - Frauen II

Migrantinnen aus Mittel- und Osteuropa in ungeschützten Arbeitsverhältnissen

Der nachfolgende Beitrag basiert auf der über 4jährigen Arbeit in der Zentralen integrierte Anlaufstelle für PendlerInnen aus Osteuropa (ZAPO). ZAPO ist ein Projekt des Polnischen Sozialrats und ist als Antwort auf die sich verändernde Ost-West-Migration im Juni 1997 eingerichtet worden. Das Projekt ZAPO bietet als Anlaufstelle Information, Orientierung und Hilfe für osteuropäische PendlerInnen die während eines überwiegend befristeten Aufenthalts in Deutschland in Notlagen geraten sind und Unterstützung brauchen. Die Arbeit von ZAPO richtet sich an drei Gruppen:

  • Jugendliche aus Polen, die sich aus unterschiedlichen Gründen in Berlin befinden und in Schwierigkeiten geraten sind
  • Werkvertragsarbeiter, SaisonarbeiterInnen und andere ArbeitnehmerInnen aus Osteuropa. Hierbei geht es um die Stärkung der Konfliktfähigkeit der ArbeitnehmerInnen und die Sicherung arbeitsrechtlicher Mindeststandards
  • Frauen aus Mittel- und Osteuropa, die in Not geraten sind, sich in Ausbeutungs- oder Abhängigkeitsverhältnisse befinden oder von Frauenhandel betroffen sind.

Aus der Beratungsarbeit läßt sich feststellen, das die Frauen die Zapo in Anspruch nehmen überwiegend aus Polen, aber auch der Ukraine, Russland, den baltischen Staaten, Weissrussland, Bulgaren und der Tschechischen Republik kommen. Der Informations- bzw. Beratungsbedarf bezieht sich überwiegend auf Fragen zur Ehe bzw. Lebensgemeinschaften, Kinder, Aufenthaltsrecht, Gewaltverhältnisse, Familiennachzug, Alltagsbewältigung, Gesundheit, Anerkennung von Berufen, Arbeit.

Die vielfältigen und komplexen Bereichen der Beratungsarbeit lassen sich zwei thematische Schwerpunkte einteilen: Heiratsmigration und Arbeitsmigration. Extreme Formen der Menschenrechtsverletzungen an Frauen, die als Frauenhandel zu bezeichnen sind, geschehen im Verlauf des Migrationsprozesses. In der Beratungsarbeit erfahren wir, dass es z.T. fließende Übergänge von Heiratsmigration bzw. Arbeitsmigration zu Frauenhandel gibt. Bei den Situationen, die Frauen beschreiben handelt es sich z.T. um Grenzfälle von Frauenhandel und eine eindeutige Definition ist sehr schwierig.

Neben der konkreten Beratungs- und Unterstützungsarbeit im Arbeitsbereich Frauen gehören Öffentlichkeitsarbeit, Vernetzungsarbeit regional/national/international sowie Gremien- und Lobbyarbeit ebenso zu unseren Arbeitsaufgaben.

ZAPO verfolgt mit seinem "unterstützenden" Ansatz die Durchsetzung arbeits- und menschenrechtlicher Mindeststandards für alle hier lebenden und arbeitenden Menschen.

  • Tätigkeitsbereiche von und Zugangsmöglichkeiten für mittel- und osteuropäische Arbeitsmigrantinnen auf dem hiesigen Arbeitsmarkt

Die Arbeitsmigration Ost-West ist sowohl im formellen wie informellen Arbeitsmarkt geschlechtsspezifisch geprägt. Männer sind fast ausschließlich im Baugewerbe, bei Reparaturkolonnen und speziellen Arbeiten in der Landwirtschaft beschäftigt. Frauen übernehmen Putzarbeiten in Haushalten, pflegen und betreuen alte Menschen und Kinder arbeiten in der Prostitution, sind in der Gastronomie und Landwirtschaft tätig und arbeiten in der Reinigungsindustrie. Der legaler Zugang zum Arbeitsmarkt ist Frauen aus Mittel- und Osteuropa jedoch fast völlig verwehrt. Legale Möglichkeiten sind weitgehend auf kurzfristige Beschäftigungen in der Saisonarbeit (Gastronomie, Landwirtschaft, Schaustellergewerbe) oder als Au Pair beschränkt. Über einen Gastarbeiterinnenvertrag mit dem Ziel der Weiterqualifizierung nach Deutschland zu kommen wird von Frauen kaum genutzt, darüberhinaus ist das Kontingent dieser Verträge quantitativ unerheblich. Bis jetzt wissen wir noch nicht wieviele osteuropäische Frauen die Greencard für Computerexperten nutzen können oder wollen.

In den letzten Jahren ist der Bedarf nach häuslichen, pflegerischen und betreuenden Dienstleistungen in unserer Gesellschaft gestiegen. Wegen dem niedrigen Status dieser Arbeit, der schlechten Bezahlung und den mangelnden Aufstiegsmöglichkeiten ist es aber immer schwieriger geworden Arbeitskräfte zu finden, die diese Rolle übernehmen. Ein weiterer Aspekt für den hohen Bedarf an weiblicher Arbeitskraft gerade im häuslichen Dienstleistungsbereich ist die steigende Berufstätigkeit der Frauen im Westen (Errungenschaft der Frauenbewegung und Neustrukturierung des Arbeitsmarktes). Die Tatsache, daß sich an der geschlechtsspezifischen Aufteilung der Reproduktionsarbeit wenig verändert hat, kompensieren viele berufstätige Frauen damit, daß sie zur Entlastung eine Haushaltshilfe anstellen. Auch im Bereich der Prostitution läßt sich ein steigender Bedarf verzeichnen. Verantwortlich dafür ist u.a. die immer noch im Aufbau befindliche Sexindustrie in den neuen Bundesländern. Dementsprechend wird eine große Nachfrage nach preisgünstigen Arbeitskräften im personennahen Dienstleistungsbereich (Finanzdienstleistungen werde ich hier nicht beachten) formuliert. Viele Migrantinnen, vor allem Frauen aus Polen, aber auch anderen osteuropäischen Ländern folgen dem Angebot und übernehmen kurz- oder längerfristig Arbeiten in diesem Bereich.

Ein weiteres Tätigkeitsfeld, in dem neben lateinamerikanischen auch Frauen aus Mittel- und Osteuropa arbeiten ist die Reinigungsindustrie. Dem generellen Trend des "Outsourcing" zufolge werden immer mehr Arbeitsbereiche aus einem Unternehmen ausgelagert. So ist der gesamte Reinigungsbereich in Supermarktketten, Hotels, Krankenhäuser und Behörden in Berlin vollkommen ausgelagert. Die Putzarbeiten werden als Auftrag mit dem Ziel der Kostenreduzierung an einen oder mehrere Subunternehmer weitergegeben. Beschäftigung findet dabei fast ausschließlich prekär, ungeschützt, nicht existenzsichernd und/oder irregulär statt. Die Mehrzahl der Beschäftigten in der Reinigungsindustrie sind MigrantInnen, darunter auch viele Frauen aus Mittel- und Osteuropa.

Viel zu selten wird meiner Ansicht nach die Frage nach den NutznießerInnen dieser Arbeitsverhältnisse gestellt. Es sind Unternehmen wie auch KonsumentInnen und Privatpersonen, die vom informellen Arbeitsmarkt profitieren. Für die Frauen in diesen ungeschützten Arbeitsverhältnissen ist jedoch das Risiko besonders hoch in Ausbeutungs- und Abhängigkeitsverhältnisse zu geraten.

  • Anwerbung, Einreise und rechtliche Rahmenbedingungen

Die Anwerbung erfolgt z.T. über Stellenanzeigen in den lokalen Zeitungen der osteuropäischen Länder. Die Vermittlung läuft über Einzelpersonen oder eine Agentur. Weit häufiger werden Arbeitsstellen jedoch über die ethnische Community oder das Verwandtschafts- und Bekanntschaftsnetz vermittelt. Gerade von polnischen Frauen erfahren wir, daß sie häufig über Bekannte oder Verwandte von konkreten Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland mitbekommen haben. Dies gilt besonders für die Arbeit in privaten Haushalten. Treffpunkte der ethnischen Communities wie z.B. die Kirche oder Lokale, werden als Arbeitsvermittlung genutzt. Leben die Frauen schon hier und sind die unter der Hand angeboten Stellen rar, wird auch das hiesige Stellenangebot genutzt.

Frauen aus Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei und seit 1. März 1999 auch aus den baltischen Staaten, können als Touristin visafrei einreisen, es ist ihnen jedoch gesetzlich untersagt als Touristin zu arbeiten. Werden sie dabei angetroffen, droht ihnen die Abschiebung und ein mehrjähriges Einreiseverbot in alle Schengen-Staaten. Arbeit und Aufenthalt dieser Frauen findet in einem halblegalen Bereich statt Frauen aus anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion, Bulgarien, Rumänien etc. benötigen ein Touristenvisa. Je höher die Zugangsbedingungen für die Visaerteilung sind desto eher nehmen Frauen die Hilfe von Vermittlern und deren Logistik in Anspruch, da sie selbst nicht über die nötigen Kontakte und die finanziellen Mittel verfügen. Dies bestätigt auch der Bundesnachrichtendienst in seinem letzten Bericht, indem er rückwirkend analysiert: "..dass restriktive Migrationspolitiken zu einer höheren Inanspruchnahme professioneller Schleuserorganisationen geführt habe".(1) Werden die Frauen bei der Arbeit angetroffen oder können sie bei den von der Polizei vorgenommenen Kontrollen an den als "gefährlich" definierten Orten kein gültiges Touristinnenvisum vorweisen, droht ihnen die Abschiebung im besten Fall die Aufforderung zur Ausreise.

  • Lebens- und Arbeitsbedingungen für osteuropäische Arbeitsmigrantinnen

Die Eingebundenheit in das Netzwerk der ethnischen Community oder Verwandter wird von den meisten Arbeitsmigrantinnen als Erleichterung für das Regeln von Alltagsangelegenheiten gesehen.

Lebensbedingungen

Unterkunft

Was für uns selbstverständlich ist, müssen Frauen, die nicht über offizielle Aufenthalts- bzw. Arbeitspapiere verfügen, mit viel Anstrengung herstellen. So können sie z.B. keine eigenen Wohnungen anmieten und sind deshalb vielfach auf andere angewiesen, die ihnen die Wohnungen bzw. Zimmer oft zu völlig überhöhten Preisen weitervermieten. Wir wissen von einer Frau aus Polen, die für 3 Tage in der Woche in Berlin arbeitet. Für die 2 Übernachtungen kommt sie bei Bekannten im Kinderzimmer mit unter und bezahlt 300 DM im Monat.

Gesundheit

In diesen prekären Arbeitsverhältnissen können sich die Frauen den Lohnausfall durch Krankheit nicht leisten. Die fehlende Krankenversicherung führt oft dazu, daß Frauen gar nicht oder zu spät zum Arzt gehen und weiterhin arbeiten. Die Gefahr von chronischen Krankheiten ist besonders groß. Die Beschreibung permanenter psychischer Anspannung aus der Angst heraus entdeckt zu werden, kennen wir von vielen Frauen. Dieser Dauerstreß gefährdet längerfristig nachweislich die Gesundheit.

Kinder/Bildung

Wenn die Frauen Kinder haben und sie in den Herkunftsländern nicht gut versorgt wissen, bringen die Frauen die Kinder mit. Zum Teil können sie die Kinder zur Arbeit mitnehmen. Andere Frauen haben Verwandtschaft hier wo sie die Kinder während der Arbeit lassen können oder finden einen Babysitter. Die Probleme beginnen spätestens, wenn die Kinder im Schulalter sind. Ohne Papiere sind nur sehr wenige Schulen bereit die Kinder aufzunehmen.

Soziales Umfeld

höchstes Gebot ist es nicht aufzufallen und nicht viel von sich Preis zu geben, um die Gefahr zu vermeiden denunziert zu werden. Jahrelang in dieser Situation zu leben hat Folgen: Isolation, Misstrauen, Verfolgungsängste Für Kinder bedeutet es oft immer ruhig sein zu müssen, nicht ausgelassen spielen zu können, keine Freunde nach Hause einladen zu können,...

Arbeitsbedingungen

Kennzeichnend für Tätigkeiten in der bezahlten Putz- und Hausarbeit ist, daß es sich um prekäre und fast ausschliesslich ungesicherte Arbeitsverhältnisse handelt. Arbeitsbedingungen werden privat verhandelt, bei nicht Einhaltung von Vereinbarungen (Bezahlung, Arbeitsbereich, Arbeitszeiten) gibt es keine Rechtssicherheit für die Arbeitsmigrantinnen. Der Sektor Hausarbeit ist traditionell ein irregulärer Bereich. D.H. dass die Mehrzahl der deutschen als auch der ausländischen Hausarbeiterinnen irregulär beschäftigt sind. Die Aufdeckung der irregulären Beschäftigung kann aber für die ausländische Hausarbeiterin die Ausweisung bedeuten.

Bei einer Tagung (Sommer 1997) der Stiftung "Mitbestimmung wurde festgehalten: In privaten Haushalten sind derzeit lediglich 35.000 Personen regulär angestellt und 732.000 Personen geringfügig beschäftigt. Nach Schätzungen ist aber davon auszugehen, daß 2,5 Mill. Bundesdeutsche Haushalte regelmäßig und 1,4 Mill gelegentlich eine Putzhilfe in Anspruch nehmen. Diese Zahlen beziehen sich auf Untersuchungen (sozialökonomisches Panel des DIW) aus dem Jahr 1994. Neuere Zahlen von 1997 gibt es bezüglich der regulär Beschäftigten in Privaten Haushalten. Diese werden zwischen 32.000 und 34.000 angegeben. Die Anzahl der Geringfügig Beschäftigten wird mit 1,37 Mill angegeben. Die Frage ob private Haushalte Hausarbeiterinnen beschäftigen wurden nicht erneut untersucht. Es ist aber davon auszugehen dass dieser Bedarf in den letzten Jahren enorm gestiegen ist.

Spezifik der Arbeit in privaten Haushalten: Schutz und Gefahr gleichzeitig. Private Haushalte werden vom Arbeitsamt bzw. von der Polizei nicht kontrolliert. Es muss schon eine konkrete Denunzierung vorliegen, aufgrund derer überprüft wird. Gleichzeitig kann der private Raum aber auch zur Gefahr werden, indem Frauen psychische, physische und sexueller Nötigung bzw. Gewalt ausgesetzt sind. Das persönliche Arbeitsverhältnis sowie der hohe Grad der Isolation an diesem Arbeitsort sind Gründe warum eine klare Definition von Arbeit, die Verbesserung von Arbeitsbedingungen eine bessere Organisierung so schwierig sind.

Arbeitszeiten

Frauen, die nur einen Teil der Woche oder Wochen- bzw. Monatsweise hier sind, arbeiten nicht selten 12 - 15 Stunden am Tag. Wir kennen nur polnische Frauen, die diesen Arbeitsrhythmus haben, ihr Lebensmittelpunkt ist weiterhin in Polen, mit Berlin verbindet sie nur die Arbeit. Sie haben 3 - 5 Putzstellen am Tag und lange Fahrzeiten, da die einzelnen Haushalten bzw. Büros oft weit auseinander liegen. Leben die Frauen hier haben sie eine klarere Trennung zwischen Arbeit und Freizeit. Trotzdem sind sie bereit sehr ungeliebte Arbeitszeiten in Kauf zu nehmen. Von einer russischen Frau, die mit ihrer Tochter und ihrer Mutter hier lebt wissen wir, daß sie 6 Nächte in der Woche eine alte Frau betreut und 4mal in der Woche tagsüber in privaten Haushalten putzt. Überstunden- bzw. Nachtarbeit Zuschlag gibt es nicht.

Wir haben nur wenige Frauen kennengelernt, die nur eine Arbeitsstelle haben und dort auch wohnen. Dort gab es Probleme mit den Arbeitszeiten, der Wahrung der Privatsphäre und zu niedrigen Löhnen.

Bei der Kinderbetreuung wird uns immer wieder erzählt, dass die Eltern/Arbeitgeber nicht zur vereinbarten Zeit zurück sind. Die Frauen können nicht nach der vereinbarten und bezahlten Arbeitszeit gehen, da sie die Kinder nicht alleine lassen können.

In der Gebäudereinigung ist es inzwischen gängig Leute für 1,5 Stunden nach Ladenschluss (Mo-Fr 20.30-22.00 und Sa 16.30-18.00 bzw. davor Mo 6.30-8.00) zu beschäftigen. Hat die Gebäudereinigungsfirma mehrere Einsatzorte, können die Beschäftigten zu unterschiedlichen Orten quer durch die Stadt verteilt geschickt werden.

Lohnzahlung

Der Lohn, den die Frauen für Ihre Arbeit erhalten, wird häufig mit dem Lohnniveau des Herkunftslandes relativiert. So haben wir von verschiedenen bulgarischen Frauen gehört, die in einem Imbiß für einen Tageslohn von 25.- DM arbeiten, während polnische Frauen für dieselbe Arbeit einen Stundenlohn nicht unter 10.- DM erhalten haben. In privaten Haushalten werden polnische Frauen inzwischen relativ gut bezahlt, der Stundenlohn liegt zwischen 12-15 DM, während die Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion und aus Bulgarien ihren Stundenlohn zwischen 5 - 8 DM angeben. Im Reinigungsgewerbe liegt der Stundenlohn bei 4 bis maximal 10.- DM. Die Lohnunterschiede lassen sich durch Akkordarbeit erklären und damit, daß die neu gekommenen meist weniger Geld erhalten haben, als diejenigen, die schon länger dabei sind. Eine ukrainische Krankenschwester, die die Pflege und Versorgung eines alten Mannes übernommen hatte verdiente im Monat 600.- DM. Sie hatte ein kleines Zimmer in der Wohnung des Mannes. Freie Tage mussten mit den Kindern/Arbeitgebern jedes Mal aufs neue geregelt werden. Während deutsche Frauen, die mit einem Zuhälter in der Prostitution arbeiten, ihren Verdienst mit 70% für sie und 30% für den Zuhälter angeben, sagen die osteuropäischen Frau, daß wenn sie nicht mehr als 50% des verdienten Geldes bekommen.

Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bei Urlaub

In den Bestimmungen zur geringfügige Beschäftigung sind Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bei Urlaub vorgesehen. Trotzdem trauen sich viele Frauen nicht dieses Recht einzufordern aus Angst, dass sie gekündigt werden. Andere Frauen wissen gar nicht, dass sie als geringfügig Beschäftigte darauf Anspruch haben. Verfügen Frauen nicht über die erforderlichen Aufenthalt- und Arbeitspapiere ist es gängige Praxis, dass Frauen im Krankheitsfall und bei Urlaub kein Geld bekommen. Es ist sogar häufig so, dass die Frau selbst für Ersatz sorgen muss wenn sie den Job nicht verlieren will. Auf der Anderen Seite hören wir häufig, dass Arbeitgeber/innen die Frauen nicht davon in Kenntnis setzten wann sie in Urlaub gehen und wann sie wieder zurückkommen. Die Frauen stehen vor verschlossener Tür kein Lohn, Zeitverlust und zusätzliche Fahrkosten.

Lohnbetrug

Es kommt leider immer wieder vor, dass Frauen keinen Lohn für geleistete Arbeit bekommen oder aber nur einen Teil davon. So kann man nicht mehr nur von einer Ausnahme sprechen, wenn einige Gebäudereinigungsfirmen ihren Angestellten keinen Lohn auszahlen. Die Seriosität der Firmen scheint den Frauen beim Einstellungsgespräch durch die Arbeitsorte z.T. in großen Lebensmittelketten oder Hotels gegeben. Die Realität belehrt sie eines Anderen. Lohngelder wurden auch nach 2-3 Monaten Arbeit nicht oder nur teilweise gezahlt. Auffällig war, wie gezielt die mangelnde Rechtsinformation und/oder der fehlende Status eingesetzt wurden, um die Frauen bei ihren Lohnforderungen einzuschüchtern.

Arbeits- bzw. Unfallschutz

Da jede/r Arbeitgeber/in die Pflicht hat, für die von ihr/ihm Beschäftigten eine Unfallversicherung abzuschliessen, haben grundsätzlich alle ArbeitnehmerInnen (der Aufenthalt ist dabei unwesentlich) einen Unfallschutz. Davon wissen allerdings die wenigsten ArbeitsmigrantInnen und stellen deshalb keine Ansprüche an die Arbeitgeben sondern geben sich selbst häufig in Gefahr. Bsp. 24-jähriger gelähmt, Baustelle war nicht gut gesichert, Potsdamer Platz. Firme geht pleite oder lässt sich nichts zustellen. Die Abwägung, ob der Unfallschutz wichtiger ist als eine eventuelle Aufdeckung einer irregulären Beschäftigung, muss im Einzelfall entschieden werden.

Verhältnis zu ArbeitgeberInnen

Einige Frauen berichten von langjährigen und sehr guten, z.T. freundschaftlichen Beziehungen zu den ArbeitgeberInnen, gerade in privaten Haushalten. Andere empfinden gerade dieses persönliche Verhältnis als Belastung, weil es oft auch ausgenutzt wird und mehr Arbeit für weniger Geld bedeutet. Immer wieder kommt es vor, für Extra-Arbeit nicht mit zusätzlichem Lohn vergütet wird, sondern mit der abgetragenen Gadarobe der Arbeitgeberin oder eine Flasche Likör. Frauen, die im Reinigungsgewerbe gearbeitet haben, berichten, daß das Verhältnis zum direkten Vorgesetzten anfänglich oft kumpelhaft war, was sich aber im Falle von Einforderung des nichtbezahlten Lohns in Feindseligkeit verwandelte. Das anfängliche Vertrauen wurde oft mißbraucht. Den eigentlichen Arbeitgeber lernen sie häufig gar nicht kennen.

Sexuelle Belästigung

Viele der Frauen, die als Putzfrau oder Hausangestellte in privaten Haushalten arbeiten sind bei der Arbeitssuche oder auf der Arbeitsstelle sexuell belästigt worden. Aufgrund der fehlenden Papiere haben sie aber nicht erwogen eine Anzeige zu erstatten. Bei einer Anzeige müssten sie ihren Status offen legen. Wir erfahren auch, daß Arbeitgeber von Frauen sexuelle Dienste erpressen, indem sie mit der Kündigung drohen. Eine bulgarische Frau, die in einem Imbiß beschäftigt war, wurde vom Eigentümer damit unter Druck gesetzt, daß er sie nur weiter beschäftige, wenn sie ihm ab und zu sexuell zu Diensten stehe. Da die Frau in dem Moment keine andere Möglichkeit sah ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ließ sie sich darauf ein.

  • Unterstützen statt Kontrolle

Die Tatsache, daß nur wenige Frauen konkrete Beschwerden bzgl. ihrer Arbeitsverhältnisse vorbringen, kann nur begrenzt positiv gewertet werden. Es ist häufig so, daß die Frauen schlechte Arbeitsbedingungen, Lohnbetrug sowie sexuelle Belästigung gerade in privaten Haushalten als "schlechte Erfahrung" verbuchen und sich eine neue Arbeit suchen, ohne die ArbeitgeberInnen zu belangen. Es wäre höchste Zeit, die in den letzten Jahren geschaffenen Realitäten bzw. die genutzte Arbeit von Migrantinnen in der Putz-, Haus-, Pflege und Betreungsarbeit anzuerkennen und gesellschaftlich verantwortlich zu handeln. Die Tabuisierung, die Unsichtbarkeit und die gesellschaftliche Geringschätzung dieser Arbeiten zum einen, sowie die mangelnde Information und der unklare Rechtsanspruch zum anderen sind Faktoren, die die Frauen bisher davon abhalten, die Forderungen aus erbrachten Arbeitsleistungen einzuklagen bzw. verletzte Arbeits- Menschenrechte vor zu bringen. Die Möglichkeit durch einen entsprechenden Entwurf für ein neues Zuwanderungsgesetz dieser Realität Rechnung zu tragen scheint aber politisch nicht gewollt und nach dem 11. September hat Innenminister Schilly auch keinen Legitimationszwang mehr für seine offensichtliche Ausgrenzungspolitik .

ZAPO ermutigt die Frauen dazu ihre Rechte einzufordern. Mitunter reicht schon ein Brief, indem hervorgeht, dass die Frau nicht alleine dasteht, sondern von einer Beratungsstelle unterstützt wird, um die Arbeitgeber zur Auszahlung des noch nicht bezahlten Lohnes zu bewegen. Wenn Gespräche und schriftliche Lohnanmahnungen nicht erfolgreich sind, geben wir den Fall an einen Rechtsanwalt weiter, der die Frauen vor dem Arbeitsgericht vertreten kann. Denn formal juristisch besteht die Möglichkeit einen Lohnanspruch aus der erbrachten Arbeitsleistung zu begründen, wenn das "faktische" Arbeitsverhältnis nachgewiesen werden kann. Die Stärkung der Konfliktfähigkeit von Frauen gegen ausbeuterische und menschenverachtende ArbeitgeberInnen ist dabei der wichtigste Aspekt. Erfolge bei der Durchsetzung von Lohnansprüchen von Frauen mit oder ohne Aufenthalts- und Arbeitspapieren haben sowohl eine Wirkung auf andere ArbeitnehmerInnen als auch auf die ArbeitgeberInnen.

Unserer Meinung nach können Ausbeutungsverhältnisse auf dem formellen wie informellen Arbeitsmarkt nicht durch Kontrollen verhindert werden (die z.T. von den Arbeitgebern selbst angeregt sind) sondern nur durch ein höheres Maß an Legalisierung und Schutzbestimmungen. D.h. die Position der Arbeitsmigrantinnen muss gestärkt werden, anstelle von Kontrollen muss die Unterstützung stehen und das unabhängig davon, ob die ArbeitsmigrantInnen Papiere haben oder nicht. Allen ArbeiterInnen Rechte zu geben ist der beste Weg ein Minimumstandard an Arbeits- und Menschenrechten in unserer Gesellschaft zu garantieren.

  • Arbeitsmigrantinnen geraten außerhalb der gewerkschaftlichen Sichtweite

Die unklaren Arbeitsbeziehungen und prekären Arbeitsverhältnisse die in der bezahlten Putz- und Hausarbeit vorherrschen entsprechen nicht den tradierten gewerkschaftlichen Denkmustern und Organisationsstrukturen und geraten somit außerhalb gewerkschaftlicher Sichtweite.

  • Gewerkschaften orientieren ihre Arbeit immer noch am "Normalarbeitsverhältnis". Die Realität hat sich die letzten Jahre aber verändert, die Anzahl der "Normalarbeitsverhältnisse" nimmt ab (2) und diverse z.T. neue Beschäftigungsformen expandieren: Befristete Arbeitsverhältnisse, Geringfügige Beschäftigungen, prekäre Selbständigkeit, zwei und mehr Jobs, prekäre und ungeschützte Tätigkeiten im informellen Sektor. Bezogen auf den Bereich Hausarbeit war ein "Normalarbeitsverhältnis" schon immer eine Ausnahme.
  • Wollen sich die Gewerkschaften weiterhin als Vertretung der ArbeiterInnenschaft verstehen, müssen sie sich auf die Erfordernisse des deregulierten und informalisierten Arbeitsmarktes einstellen.
  • Gerade die im informellen Sektor angesiedelten spezifischen Frauenarbeitsfelder und MigrantInnenbeschäftigungen stehen im Widerspruch zu tradierter Gewerkschaftsorganisierung:
    1. keine kollektiven Aushandlungsprozesse
    2. kein klares Arbeitgeber-Arbeitnehmerverhältnis
    3. Isolierung, wechselnde Arbeitgeber und Beschäftigungen sind Hindernisse für Organisierung
  • Um heterogene ArbeiterInnenschaft im informellen Sektor (IS) anzusprechen bzw. zu gewinnen müssen neue Ansätze/Methoden gewerkschaftlicher Arbeit entwickelt werden.
  • Die Gewerkschaften sind in Gefahr ihre Arbeit entlang nationaler Grenzen zu defi nieren und zu begrenzen. (3) Damit schüren Gewerkschaften/Gewerkschaftsmitglieder selbst die Aufspaltung der ArbeiterInnenschaft und tappen in die Falle der Sündenbock-Theorie. Für Arbeitslosigkeit und Sozialabbau wird nicht die deutsche Wirtschafts- bzw. Sozialpolitik verantwortlich gemacht, sondern die hier arbeitende MigrantInnen.
  • Diskriminierende, unsolidarische bis rassistische Haltung gegenüber ArbeitsmigrantInnen innerhalb (und außerhalb) der Gewerkschaften muß bekämpft werden. In einer globalisierten Welt ist es wichtig die Bedeutung von "Solidarität" in Gewerkschaften neu zu diskutieren.
  • Viele ArbeitsmigrantInnen haben kein Vertrauen zu den Gewerkschaften, da diese das repressive Element der "Kontrolle" von Arbeitsstellen befürworten. Kontrollen richten sich aber nachweislich in erster Linie gegen die ArbeitsmigrantInnen und nicht gegen ArbeitgeberInnen. (4)
  • Das von Gewerkschaften formulierte Ziel der Durchsetzung von tariflichen und sozialen Standards ist nur zu erreichen, wenn sich die Gewerkschaften für die Rechte aller Arbeitenden einsetzt, unabhängig von Nationalität, Aufenthaltsstatus und Gewerkschaftsmitgliedschaft.

Seit prekäre Beschäftigung auch immer mehr Kernsegmente der deutschen, männlichen Arbeiterschaft betrifft, wird es mehr zum öffentlichen Thema. "So lange es sich um ein Problem handelte, das im Wesentlichen Migranten und - vor allem ausländische, aber auch deutsche Frauen betraf war es nicht von besonderem Interesse in der arbeitsmarktpolitischen Debatte." (5) Dies Entwicklung läßt hoffen, dass dadurch auch der Bereich der bezahlten Putz- und Hausarbeit mehr ins öffentliche wie gewerkschaftliche Sichtfeld rückt und engagierte Einzelpersonen innerhalb der Gewerkschaft, die sich für diese prekären und/oder irreguläre Frauen/MigrantInnenbeschäftigungen interessieren mehr Unterstützung bekommen.

Forderungen:

  • Anerkennung von Haushalts- und Reinigungsarbeiten als gesellschaftlich wesentliche Arbeitsleistungen
  • Regularisierung von hier lebenden Arbeitsmigrantinnen
  • Verzicht auf eine Statusfeststellung bei menschen- bzw. arbeitsrechtlichen Verletzungen
  • Stärkung der Rechts- und Konfliktfähigkeit (Einrichtung von spezifischen Beratungsstellen und Lobbyarbeit)
  • Öffnung des Arbeitsmarkts: Soll Greencard nur an Hochqualifizierte vergeben werden oder auch an Hausarbeiterinnen, Prostituierte, Reinigungs- und Pflegepersonal,..??
  • Verfolgung von mit betrügerischen Mitteln arbeitenden Unternehmen (z.B. Generalunternehmerhaftung für alle Branchen)
  • Anerkennung der UNO-Konvention Nr. 158 vom 18. Dezember 1990 (International Convention on the Protection of the Rights of All Migrant Workers and Members of their Families)
  • Entwicklung eines gesellschaftlichen Klimas in Deutschland, das MigrantInnen offen und wohlgesonnen begegnet

(1) Migration und Bevölkerung - Ausgabe 4/01, Juli 2001

(2) Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) weist den Anteil der Normalarbeitsverhältnisse für 1995 nur noch mit 56% der Beschäftigten aus; in: Materialien 71; Schattenwirtschaft und Gewerkschaften. DGB Bildungswerk e.V. u.a., März 2000, S.39

(3) Beispiel: Bauarbeiter-Streik in Berlin 1998 von der Gewerkschaft IG Bau organisiert; Forderung auf Transparenten: "Arbeit für deutsche Bauarbeiter". Diese Botschaft der Ausgrenzung "nicht-deutscher" Bauarbeitern kommt auch bei den Putz- und Hausarbeiterinnen an, da es ihre Männer, Freunde, Söhne oder Väter konkret betrifft und auch auf andere Arbeitsbereiche übertragbar ist.

(4) Cyrus, Norbert: "Unterstützung statt Kontrollen - Beachtung sozialer und grundrechtlicher Standards", in: epd-Dokumentation 4/98, S. 26ff

(5) Ochs, Christiane: Entwicklung prekärer Beschäftigung in Deutschland, in: DGB-Themenheft zu prekärer Beschäftigung, 1998, S. 11