Als im Januar 2004 in Mumbai (Indien) das 4. Weltsozialforum (WSF) eröffnet wurde, waren zehn Jahre vergangen, seit die Zapatistische Befreiungsarmee (EZLN) zum Volksaufstand gegen das Inkrafttreten des Vertrages über die Nordamerikanische Freihandelszone (NAFTA) am 1. Januar 1994 aufgerufen hatte. Unerwartet und spektakulär war dies ein erstes Signal des Protestes, ein Aufschrei der indigenen Bevölkerung Mexikos gegen Entrechtung und Willkür, für Demokratie und Menschenrechte. Zwei Jahre später organisierten die Zapatisten im Urwald von Lacandona in Chiapas des erste Internationale Treffen für Humanismus und gegen Neoliberalismus.
Der Widerstand, der sich nun gegen die neoliberale Globalisierung formierte, fand in den Protesten von Seattle, Genua, Prag, Göteborg und Cancun wachsende Stärke.
»Eine andere Welt ist möglich« – dieser Ruf wurde während des ersten Weltsozialforums 2001 in der brasilianischen Stadt Porto Alegre zum Symbol des Widerstandes gegen die neoliberale Globalisierung.
Die Erwartungen an das Treffen sind seinerzeit weit übertroffen worden. Nicht nur, dass sich während des Forums mehr als 20 000 Menschen trafen; es entwickelte sich in den selbstorganisierten Seminaren und Debatten ein neues politisches internationales Klima, in dem sich Gemeinsamkeiten in der Auseinandersetzung mit dem Neoliberalismus ausprägten und begonnen wurde, eine neue Identität der globalen Bewegung zu schaffen.
Mit der Durchführung des 4. Weltsozialforums in Indien im Januar 2004 gelang es, die Idee des Treffens auf den asiatischen Kontinent zu tragen. Auch dieses Forum trug zum weiteren Zusammenschluss sozialer und zivilgesellschaftlicher Bewegungen und politisch unterschiedlichster Kräfte vieler Länder bei, und es erwies sich von neuem, dass die Kraft der Bewegung in ihrer Vielfalt liegt.
Dass das so bleiben soll und das WSF zugleich viele neue Impulse braucht, war Gegenstand der Beratungen des Vorbereitungskomitees Mitte Juni in Sao Paulo.
Vom 26. bis 31. Januar 2005 soll das 5. WSF in Porto Alegre stattfinden.
Unter dem Motto »Porto Alegre 2005: Neue Herausforderungen im Prozess des Weltsozialforums gegen die neoliberale Vorherrschaft und Militarisierung« stellten Vertreter des Internationalen Rates, internationaler Netzwerke und sozialer Bewegungen ihre Vorstellungen zu seiner Durchführung vor.
Damit die tief greifenden Veränderungen in der Welt sich nicht gegen die Menschen richten, sondern endlich zur Überwindung von Hunger, Diskriminierung, Not und Krieg führen können, ist – so wurde immer wieder betont – die Mobilisierung vieler Menschen notwendig, ihre Einbeziehungen in die vielfältigsten Formen des Protestes und Widerstandes. Das Weltsozialforum wird als ein Raum gesehen, in dem den sozial Benachteiligten, den Diskriminierten, den Missbrauchten und Unterdrückten eine Stimme verliehen werden kann. Hier besteht die Möglichkeit, gemeinsame Aktionen zu befördern und alternativen Vorstellungen Ausdruck zu verleihen.
Schon vor Mumbai, aber auch nach dem dort durchgeführten Forum hatte in breitem internationalem Dialog ein intensives Nachdenken über die weitere Zukunft des Weltsozialforumsprozesses eingesetzt. Nun, am Vorabend des nächsten Forums, sind die Ergebnisse dieses Nachdenkens vorgestellt worden.
Verbessert werden soll die Ausgestaltung der »großen Aktivitäten« wie der Konferenzen, der Runden Tische und kontroversen Debatten, die vom Internationalen Rat organsiert werden. Verändert werden soll auch die Einschreibung der vielfältigen selbstorganisierten Workshops und Seminare.
Vorgeschlagen wird, diesen Prozess sofort zu beginnen – und zwar mit einer breit angelegten Fragebogen-Konsultation. Das Modell dieser Fragebogenkonsultation ist bereits im Internet unter www.forumsocialmundial.org.br verfügbar.
»Wir wollen im Verlaufe dieser Konsultation versuchen herauszufinden«, so heißt es im Aufruf, »welche Kämpfe geführt werden, welche Fragen und Vorschläge die verschiedensten Akteure haben und welche Herausforderungen die verschiedensten Akteure für wichtig erachten, die während des Forums 2005 diskutiert werden sollten.« Das schließt die Frage ein, welche Aktivitäten die einzelnen Akteure duchführen wollen.
Die eingehenden Antworten werden ein Bild von der beabsichtigten Beteiligung erbringen, das sich in den kommenden Monaten weiter verdichten wird.
Sinn der Befragung ist es auch, dass sich Akteure, Personen und Organisationen, die für die gleichen Ziele kämpfen, verständigen und treffen, sich artikulieren und gemeinsame Aktivitäten während des Forums planen können.
Die Ausfüllung des Fragebogens im Internet ermöglicht es Vielen, schon im Voraus zu erfahren, um welche Kämpfe, welche Fragen, welche Probleme und Vorschläge es anderen Beteiligten geht. Damit wird eine große Datenbank geschaffen, zu der alle Zugang haben, und die es ermöglicht, nachzuforschen, was andere Organisationen zu einem bestimmten Thema vorhaben. Rechtzeitig können Kontakte hergestellt und zur gemeinsamen Planung genutzt werden.
Sinn ist es, die vielfältigsten Aktivitäten zu bündeln, ohne dass sich ein »regulierendes Organ« einschaltet. Festgehalten wird an der Selbstorganisation. Nur, dass sie verfeinert und vertieft werden soll. Nach wie vor bleiben die einzelnen Akteure Selbstgestalter des Forumsprozesses.
Mit diesem Versuch, mit dem Mut zur Neuerung, können dem Forumsprozess neue Impulse verliehen werden. Über die Debatte der Probleme hinaus kann es zu neuen gemeinsamen Aktionen kommen, kann die Erarbeitung tragfähiger Alternativen zur neoliberalen Agenda befördert werden.