Wollte man heute Raymond Williams‘ Klassiker «Keywords» neuauflegen – ein Buch, in dem der Autor die Schlüsselbegriffe beschreibt, die den kulturellen Rahmen unserer Gegenwart prägen –, dann müsste dort das Wort «smart» mit an vorderster Stelle stehen. «Smart» ist zu einem wesentlichen Attribut unseres digitalen Zeitalters geworden – ein Wort, mit dem etliche, aber bislang vor allem uneingelöste Versprechen verbunden sind. Es gibt kaum etwas, von Zahnbürsten über Gebäude bis hin zum Wachstum, das heute noch ohne den Zusatz «smart» daherkommt. Damit soll eine ambitionierte, rasch um sich greifende, allerdings immer noch schwer zu fassende Konstellation von Bedeutungen bezeichnet werden. «Smart» wird häufig als ein sexy und innovationsfreundlich klingendes Synonym für «flexibel», «vernünftig», «selbstregulierend», «intelligent», «autonom», «findig», «schlank» oder gar «umweltfreundlich» verwandt – alles positiv besetzte und schillernde Begriffe, mit denen wir Emanzipation und Nachhaltigkeit assoziieren und die uns versichern, dass keinerlei Müll zurückbleiben wird. Und wer könnte dagegen schon ernsthaft etwas einzuwenden haben?
Die «Smart City» ist ganz offensichtlich unter allen Smartness-Konzepten dasjenige, das im vergangenen Jahrzehnt am stärksten die öffentliche Meinung und Fantasie okkupiert und beflügelt hat. Es ist zudem eines der politisch wichtigsten und folgenreichsten, da es weltweit das Denken und Handeln von Stadtplaner*innen, Architekt*innen, Betreibern von Infrastrukturen, Immobilienentwicklern, für das Verkehrswesen Zuständigen, Bürgermeister*innen, aber auch von ganzen Industrien durchdringt und beeinflusst. Wie die meisten smarten Dinge und Phänomene lässt sich die Smart City nicht auf eine einzige Bedeutung reduzieren, was mit Sicherheit dazu beigetragen hat, dass dieses Modewort rasend schnell von bestimmten Berufsgruppen und Eliten aufgegriffen wurde und rege Verbreitung fand. Was für die einen vor allem mit einer sinnvollen und ökologischen Nutzung von städtischen Ressourcen zu tun hat, steht für die anderen für die Anwendung von intelligenten Instrumenten in Echtzeit – etwa smarte Ampelanlagen wie in Rotterdam, die bei regnerischem Wetter Fahrradfahrer*innen gegenüber Autofahrer*innen bevorzugen –, die störungsfreie urbane Erfahrungen verheißen und die Städte noch attraktiver machen sollen für diejenigen Personengruppen, die Stadt-Gurus wie Richard Florida die «kreative Klasse» nennen. Smart Cities ziehen smarte Bürger*innen an und smarte Bürger*innen ziehen smartes Geld an. Damit scheint im Prinzip alles Wesentliche gesagt.
Inhalt
Einleitung
Teil I
1 Die smarte Stadt: eine Gegen-Erzählung
2 Smartness und Neoliberalismus
3 Städte des privatisierten Keynesianismus
4 Smarte Austerität
5 Ist Technologie-Souveränität die Lösung?
6 Strategische Interventionen und potenzielle Bündnispartner
Teil II
7 Jenseits der neoliberalen Smart City: Commons und demokratische Alternativen
8 Das Recht auf die digitale Stadt: Das Prinzip der Technologie-Souveränität
8.1 Andere Formen des Dateneigentums: City Data Commons
8.2 Open Source, Open Standards und die agile Bereitstellung von Diensten
8.3 Ein ethisches, nachhaltiges und zukunftsfähiges öffentliches Versorgungs- und Auftragssystem
8.4 Die Kontrolle über digitale Plattformen
8.5 Alternative digitale urbane Infrastrukturen
8.6 Kooperative Modelle für die Bereitstellung von Diensten
8.7 Graswurzel-Innovationen
8.8 Sozialprogramme und komplementäre Währungssysteme auf der lokalen Ebene
8.9 Digitale Demokratie und eine neue Art von Rechten
Fazit: Bündnisse gegen den digitalen Raubtierkapitalismus