Es ist die Zeit der Monster. In der organischen Krise des alten neoliberalen Projekts erleben wir fast überall in Europa den Aufstieg des sogenannten Rechtspopulismus. Die Monster sind jedoch recht unterschiedlich: Da gibt es «starke Männer» wie Donald Trump, Sebastian Kurz oder auch Emmanuel Macron, politische Unternehmer, die aus der Regierung heraus einen neuen Autoritarismus prägen. Teresa May ist ihnen nicht unähnlich, autoritär bis auf die Knochen, aber anders als ihr ehemaliger Außenminister Boris Johnson, weniger politische Unternehmerin als Vertreterin eines etablierten autoritären Rechtskonservativismus.
Gemein ist ihnen allen ein rechtspopulistischer Diskurs und das Auftreten als eine Anti-Establishment-Kraft «von oben», gestützt auf mächtige Kapitalfraktionen. Davon abzugrenzen wären die autoritär-nationalistischen Regime in Polen oder Ungarn (oder auch der Türkei). Diese wiederum sind abzugrenzen von einer radikalen Rechten wie dem Front National in Frankreich, der Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders in Holland, der Alternative für Deutschland (AfD), der Freiheitlichen Partei (FPÖ) in Österreich oder der Lega Nord in Italien. Ganz anders wieder die italienische Fünf-Sterne-Bewegung, die inzwischen mit der Lega Nord eine Regierungskoalition bildet. Wie verstehen wir diese unterschiedlichen Entwicklungen der Rechten, wie können wir sie benennen? Was unterscheidet sie, was haben sie aber auch gemeinsam?
Und grundsätzlicher: Wie lässt sich der Aufstieg der radikalen Rechten begreifen, was sind die gesellschaftlichen Ursachen? Die radikale Rechte ist ein allgemeines Phänomen in der Bundesrepublik und weiten Teilen Europas. Wie kommt das? Die radikale Rechte ist aber auch ein Phänomen, das in bestimmten Klassenfraktionen und Regionen sowie unter Männern auf besonders große Zustimmung stößt. Was ist das jeweils Spezifische? [...]
Zu prüfen wäre die These von einer verallgemeinerten Kultur der Unsicherheit, die verschiedene gesellschaftliche Dimensionen berücksichtigt und diese in einen Zusammenhang mit der organischen Krise des alten neoliberalen Projektes stellt: Umbrüche und Verunsicherungen, die die Erwerbsarbeit, die Familie, die Nachbarschaft oder die Region, in der man lebt, betreffen, aber auch die eigene Geschichte, die eigene Identität, Geschlechterrollen und damit verbundene Lebensweisen und Perspektiven. [...]
Wie also von links anschließen an die Unsicherheit? Wie erreichen wir jene gesellschaftlichen (Teil-)Gruppen, die sich von der Linken ab- und der radikalen Rechten zugewandt haben? Aber auch jene, die keineswegs rechte Einstellungen vertreten, sich aber von «der Politik» verabschiedet haben? Und wie kann ein Ansatz subjektwissenschaftlicher Handlungsforschung in Verbindung mit einer organisierenden Praxis dabei helfen?
«Take back control» – die Rückgewinnung der Kontrolle ist gewissermaßen das Versprechen der radikalen Rechten. Statt autoritär kann dieses Begehren aber auch demokratisch gewendet werden, zur gemeinsamen und solidarischen Zurückgewinnung der Verfügungsgewalt über die eigenen Lebensbedingungen. «Take back control», aber nicht nur für einige wenige, sondern für die Vielen.
(Mario Candeias)
Inhalt:
- Vorwort
- Gerd Wiegel:
Die modernisierte radikale Rechte in Europa
Ausprägungen und Varianten - Horst Kahrs:
Versuche, uns und anderen die rechtspopulistische Dynamik in Deutschland zu erklären - Mario Candeias:
Den Aufstieg der radikalen Rechten begreifen
Wie hängen unterschiedliche Erklärungsmuster zusammen? Dimensionen einer verallgemeinerten Kultur der Unsicherheit - Publikationen zum Thema Rechtspopulismus und linke Gegenstrategien