Die Wahl zum 18. Bayerischen Landtag mobilisierte deutlich mehr Wahlberechtigte als die vorherigen Wahlen. Die Umwälzung des deutschen Parteiensystems setzt sich fort. Die Grünen könnten zum links-liberal-konservativen politischen Gegenpol zur parteipolitischen Neuformierung im rechten politischen Feld werden. Die CSU verliert erneut die absolute Mehrheit und erzielt ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 1958. Die Sozialdemokraten fallen unter 10% und nähern sich in Niederbayern der Fünf-Prozent-Marke. Die AfD bleibt hinter den Erwartungen und ihrem Bundestagswahlergebnis leicht zurück. Die hohen Verluste von CSU und SPD werden die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin weiter destabilisieren. [...]
Eine Landesregierung wurde erneut deutlich abgewählt. Möglicherweise geschah dies erstmals in der jüngeren Geschichte, weil eine Regierung es nicht verstanden hat, klug über ihre Erfolge zu sprechen, sondern lange Zeit all das in den Vordergrund stellte, was ihr in München wie Berlin nicht gelungen ist, weshalb mit den Partnern auf Bundesebene, vor allem mit der CDU, heftiger Streit inszeniert und Grenzen bürgerlichen Anstands verschoben wurden. Selbst unter den eigenen Anhängern fand sich am Ende nur noch eine knappe Mehrheit, die eine Fortsetzung der Alleinherrschaft wünschte. In der Wahlbevölkerung rangierte diese Option deutlich hinter den Präferenzen einer Koalitionsregierung aus CSU und Freien Wählern oder CSU und Grünen – obwohl über 70% in Umfragen die Verdienste würdigten, die die CSU-Landesregierung sich um Bayern erworben habe. Eine Koalitionsbildung könnte nach dem Modell Niederbayern erfolgen: CSU plus Freie Wähler, also innerhalb eines ideologischen Milieus; oder nach dem Modell Oberbayern: CSU plus Grüne, verschiedene bürgerliche Milieus verbindend. [...]
Die Partei DIE LINKE ist trotz vielversprechender Umfragewerte in den letzten Wochen des Wahlkampfes erneut nicht in den Landtag eingezogen. Man könnte auf eine gestiegene Stimmenzahl (+73,6%) verweisen und schließen, dass die sprunghaft erhöhte Wahlbeteiligung die Hoffnungen zunichte gemacht habe. Darüber sollte nicht die Frage vergessen werden, ob die Linkspartei nicht bei aller Abgrenzungsrhetorik eher das Schicksal der Parteien in der sozialdemokratischen Matrix teilt, denen es kaum gelingt, in Zeiten wachsender Unsicherheit über das, was auf die Menschen zukommt, alltagssprachlich darüber zu reden, wohin die Reise mit ihnen an der Macht gehen, was besser werden würde. Es könnte sein, auch mit Blick auf die Befunde über die SPD, dass es für erfolgreiche Wahlkämpfe nicht mehr ausreicht, über gute Konzepte und bekannte Köpfe zu verfügen, wenn nicht zugleich über ein gesellschaftspolitisches Ordnungsmodell und die normativen Grundlagen dieser Konzepte gesprochen werden kann – Zeit für linke Grundwerte?
In der Bundespolitik wird bereits vor der Hessen-Wahl der Druck auf die SPD wachsen, die Regierungskoalition verbal in Frage zu stellen. Sollte sie bei der Hessenwahl ein ähnliches Wahldebakel erleben wie in Bayern, wäre die Strategie der Erneuerung in der Regierungsarbeit endgültig gescheitert – ohne allerdings erfolgversprechendere Alternativen zur Hand zu haben. In der CSU werden ebenfalls die Kräfte gestärkt, die die Ursachen für die Wahlniederlage in Berlin und bei der Bundeskanzlerin suchen, allein schon deshalb, weil dadurch die Auseinandersetzungen innerhalb der Landespartei übersichtlicher bleiben würden. Eine Koalition mit den Freien Wählern würde die Konflikte mit der Bundespolitik wohl weiter verschärfen. [...weiter im PDF]