Obwohl es keine Wechselstimmung im Land gab, hätte die schwarz-grüne Landesregierung fast ihre Mehrheit verloren. Nach dem vorläufigen Endergebnis erreicht sie nun mit 69 Sitzen eine hauchdünne Mehrheit im nun 137 Sitze umfassenden Landtag.
Die CDU erlebt in Hessen eine historische Niederlage. Unter der 30%-Marke landete sie zuletzt bei den Landtagswahlen 1962 und 1996. Sie erhält gerade einmal noch von gut jedem sechsten Wahlberechtigten die Stimme. Das Ergebnis wird dennoch als relativer Erfolg verhandelt, weil man stärkste Partei bleibe und weiterhin den Ministerpräsidenten stellen könne. Volker Bouffier gilt als »Mann Merkels«, und wenn er im Amt bleibt, vermindert sich zunächst der politische Druck auf die Kanzlerin. Gleichwohl haben die Verluste der Union, insbesondere die an den kleineren Regierungspartner, auch landespolitische Gründe. Die CDU hat an Kompetenzwerten verloren, in wichtigen Fragen trauen die Wähler eher den Grünen als der Union eine Lösung zu. [...|
Die SPD unterbietet ihr historisch schlechtes Ergebnis von 2009 nochmals um ein paar Prozentpunkte, landet am Ende unter 20% - und um knapp 100 Stimmen hinter den Grünen. Das Wahlergebnis vermittelt nicht den Eindruck, dass der freie Fall der SPD ein Haltenetz erreicht hätte, schon gar nicht, dass ein Wendeplatz zum Besseren erreicht wäre. Auf den zweiten Blick unterscheidet sich das aktuelle Ergebnis nur wenig von dem bereits verheerenden Ergebnis 2009. Damals erhielt die SPD von 14% der Wahlberechtigten die Stimme, jetzt von 13%. [...|
Die Grünen zählen zu den großen Gewinnern des Wahltags. Sie erreichen fast 20%, liegen knapp vor der SPD und können die Regierungsarbeit fortsetzen. Dazu erreichen sie erstmals Direktmandate und werden in größeren Städten zur stärksten politischen Kraft. Hierfür waren landeswie bundespolitische Gründe ausschlaggebend. Dem grünen Spitzenkandidaten und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir gelang es, die Grünen als pragmatische gleichwohl zielorientierte Regierungspartei in liberal-konservativen Wählerschichten interessant zu machen und gleichzeitig ideologische Vorbehalte in traditionell konservativen Schichten abzubauen. Mit dieser Regierungsarbeit verloren sie ihr Funktion als ideologisches Feindbild konservativer (Gegen)Mobilisierungen. [...|
Die AfD zählt ebenfalls zu den großen Gewinnern des Wahlabends und zieht als viertstärkste Fraktion nach einem gescheiterten Anlauf erstmals in den Hessischen Landtag ein. Sie ist nun allen Landtagen vertreten, was innerhalb von fünf Jahren nach Gründung noch keiner Partei gelungen war. Sie gewinnt in Hessen leicht gegenüber ihrem Bundestagswahlergebnis hinzu. Stärker noch als in anderen Ländern gilt sie als Partei, die Positionen vertritt, die früher von der CDU vertreten wurden. Von dort kommen auch die größten Wählerzuwächse – möglich wurde dies auch, weil auf Wahlkampfhilfe vom völkisch-nationalistischen Flügel (B. Höcke) verzichtet wurde. [...|
Die Partei Die Linke fällt unter die »kleinen Gewinner«. Sie überspringt zum vierten Mal die Sperrklausel. Sie gewinnt in einer schwierigen politischen Großwetterlage auch vor dem Komma etwas hinzu. Wie in keinem anderen westdeutschen Flächenland hat die Partei durch entschiedene parlamentarische Opposition und außerparlamentarische Verankerung eine landespolitische Grundlage geschaffen und Bedeutung als landespolitischer Faktor erlangt – nicht zuletzt ein Verdienst von Janine Wissler. Der Wahlerfolg ist denn vor allem auch ein landespolitischer. Denn von der Unzufriedenheit mit der Bundesregierung erkennbar kann die Partei nicht profitieren.
Die FDP, die größere unter den »kleinen Gewinnern« zieht ohne Probleme und gestärkt wieder in den hessischen Landtag ein, bleibt aber weit hinter der Stärke von 2009 zurück. Die Lindner-FDP hat noch keinen Weg gefunden, sich von dem jähen Absturz 2013 zu erholen. [...|
Rechtsruck in der hessischen Parteienlandschaft? CDU und AfD erzielen zusammen weniger Stimmen als die CDU unter Roland Koch oder, noch früher, unter Alfred Dregger. Die hessische CDU war immer eine stark wert- und nationalkonservativ ausgerichtete Partei. Hier signalisierte die CDU unter Merkel, durch den Parteiausschluss von Martin Hohmann, dass in er modernisierten Union dafür kein öffentlichkeitswirksamer Platz mehr sein würde. Addiert man die Stimmen für die Parteien, die gemeinhin rechts der politischen Mittellinie verortet werden, so erreichten CDU und FDP zusammen 2003 56,7% der gültigen Stimmen, 2008 nur 46,2%, 2009 wieder 53,4%. 2013 kamen CDU, FDP und AfD auf 47,4% und nun auf 47,6%. Eine eindeutige Wählerbewegung nach rechts ist aus diesen Zielen nicht herauszulesen. [...|
Das Wahlergebnis lässt verschiedene Koalitionsmodelle zu, macht aber eine Fortsetzung der schwarz-grünen Regierungsarbeit, wie von einer Mehrheit in den Umfragen befürwortet, gerade noch möglich. [weiter im PDF]