Wo heute Sacré-Coeur – die Zuckerbäckerkirche auf dem Pariser Montmartre – steht, befand sich lange Zeit ein schmutziges Wohnquartier, in dem Proletarier*innen, Tagelöhner*innen und Prostituierte lebten. Es war aber auch die Heimat derjenigen, die Karl Marx als «Himmelsstürmer» bezeichnete; dort befand sich die Wiege der Pariser Kommune. Vor 150 Jahren waren auf dem höchsten Punkt von Montmartre Geschütze stationiert, die die Bewohner*innen mit Mitteln aus Spendensammlungen erstanden hatten, um sich gegen die preußische Belagerung von Paris zu verteidigen. Der Versuch der französischen Regierung, dem Volk seine Waffen zu nehmen, führte zum Widerstand in den Vierteln der Arbeiter*innen. Die Regierung floh nach Versailles, und Proletarier* innen, Intellektuelle und Tagelöhner*innen standen vor der Aufgabe, das tägliche Leben, die Verteidigung der Stadt und die Grundlagen einer neuen Gesellschaft zu organisieren.
Florian Grams ist Historiker und Autor des Buchs «Die Pariser Kommune», dessen dritte Auflage jüngst beim Papyrossa-Verlag erschienen ist. Er lebt in Hannover.
Im Frühjahr 1871 wurde auf diese Weise ein Meilenstein auf dem Weg zur Emanzipation der Menschen erreicht. Die Erfahrungen der Pariser Kommunard*innen finden sich in den Zeilen der «Internationale» und gingen ein in die politische Praxis der russischen Bolschewiki. Sie waren Korrektiv und Inspiration, wurden aber auch für die Legitimation staatssozialistischer Herrschaft instrumentalisiert. Um aus den Erfahrungen der Pariser Kommune heute Ansatzpunkte für eine politische Praxis des 21. Jahrhunderts gewinnen zu können, muss man sie kennen und kritisch auf ihre Aktualität befragen. In diesem Sinne gilt es, den Kommunardinnen und Kommunarden erneut zuzuhören und von ihnen zu lernen.