Publikation International / Transnational - Krieg / Frieden Westafrika

Elend und Aufrüstung im zukünftigen Hinterhof Europas? Von Christoph Marischka. Reihe «Analysen zu Internationaler Friedens- und Sicherheitspolitik»

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Erschienen

August 2010

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Einleitung

Westafrika gilt als eine der instabilsten Regionen weltweit. Als Ursachen hierfür werden einerseits die weit verbreitete Armut und der Raubbau an Natur und Rohstoffen genannt, andererseits die schwachen und korrupten staatlichen Strukturen insbesondere im Sicherheitsbereich. Die illegalen Märkte für Waffen, Drogen und Arbeitskräfte, die in diesem Umfeld entstehen, gelten auch als Bedrohung für Europa.[1] Somit scheint sich Westafrika für eine Umsetzung und Weiterentwicklung der Europäischen Sicherheitsstrategie "für ein sicheres Europa in einer besseren Welt" von 2003 geradezu anzubieten, werden doch in dieser "scheiternde Staaten" als Ausgangspunkt der "neuen Bedrohungen" identifiziert und deren Stabilisierung sowohl aus humanitären Gründen als auch aus "aufgeklärtem Eigeninteresse" heraus angestrebt.[2] Auch die praktische Entwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik legt nahe, dass sich die EU zukünftig verstärkt in Westafrika engagieren wird, denn dort ist v.a. mit kontinuierlichen aber periodisch aufflammenden Konflikten niederer Intensität zu rechnen, denen die EU mithilfe von "Sicherheitssektorreformen" und zeitlich und räumlich begrenzten Einsätzen ihrer Battlegroups besser beizukommen hofft, als etwa der Instabilität des weiträumigen Kongobeckens. Damit nähert sie sich der Afrikapolitik der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich an, das bei der Fortentwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) zunehmend prägend wird. Die Ursachen der Konflikte wird die EU damit aber nicht beseitigen können, denn die liegen v.a. im wirtschafts- und handelspolitischen Bereich, auf den sicherheitspolitische Erwägungen und die ESVP keinen Einfluss haben. Statt dessen droht die Europäische Sicherheitspolitik in Westafrika weiterhin kleine Eliten zu stärken, die in ihrem Sinne "Sicherheit" herstellen, weite Teile der Bevölkerung zu marginalisieren und damit vorhandene Verteilungskonflikte zu militarisieren.

Da die wirtschaftliche und soziale Situation in der Region eng mit der Sicherheitslage verknüpft ist, werden beide in dieser Reihenfolge zunächst aufeinander aufbauend dargestellt. Anschließend wird kurz dargestellt, dass die europäische Handelspolitik nicht geeignet ist, die vorhandenen Konflikte zu mildern, sondern allenfalls, diese zu verschärfen. Abschließend werden zunächst die Genese Europäischer Sicherheitspolitik in Afrika und deren Aktivitäten und Vorhaben in Westafrika beleuchtet. Dabei sei darauf hingewiesen, dass die Betrachtung einer solch weiträumigen und vielfältigen Region notwendig zu Vereinfachungen führt, welche der Komplexität der Lage nicht völlig gerecht werden können. Da hier aber vor allem die strategischen Überlegungen der EU thematisiert werden und diese für Westafrika einen "regionalen Ansatz" verfolgt,[3] sind diese jedoch unumgänglich. Vielleicht wird die Europäische Sicherheitspolitik auch gerade deshalb, weil sie der Komplexität lokaler Konflikte nicht gerecht wird, sondern globale Lösungsansätze entwickeln will, scheitern.

Dezember 2009

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[1] Vgl. UNODC: Transnational Trafficking and the Rule of Law in West Africa – A Thread Assesment, Wien, 2009.

[2] Vgl. Christoph Marischka: Intelligenter Kolonialismus - Die Human Security Doctrine for Europe, in: Wissenschaft & Frieden, 4/2005.

[3] Siehe Abschnitt 3.1. sowie die Fußnoten 71-73.