Landgrabbing ist in aller Munde, und das zu recht. Knapp 400 großflächige Landinvestitionen wurden allein in den vergangenen vier Jahren in über 80 Ländern getätigt. Auf einen Schlag sind Landflächen zu einer strategisch entscheidenden Investitionsanlage geworden. Die Ursachen für den Landhunger privater und staatlicher Investoren werden allgemein in dem Ineinandergreifen mehrerer grundlegender Krisen gesehen: Erstens in der Klimakrise, die die Nachfrage nach Plantagen-Produkten wie Bioethanol und Biodiesel als
vermeintlich klimafreundlichen Energieressourcen erheblich gesteigert hat. Zweitens in der Nahrungsmittelpreiskrise 2007/2008, die vielen kapitalstarken Schwellenländern und Regionalmächten deutlich ihre Abhängigkeit von den globalen Mais-, Weizen-, Reis-, Soja- und Fleischmärkten aufgezeigt hat. Aufgrund der eigenen Knappheit an fruchtbaren Böden versuchen diese Staaten nun vielfach am Weltmarkt vorbei Grundnahrungsmittel für den eigenen Bedarf auf ausländischen Böden zu produzieren. Drittens wird eine Ursache in der Finanzkrise gesehen, die dafür sorgt, dass überschüssiges Kapital nach neuen, langfristigen Investitionsmöglichkeiten sucht. Dabei setzt es zunehmend auf die scheinbar solide, «grüne» Rohstoffproduktion und spekuliert auf steigende Landpreise. Die neue Inwertsetzung von Ackerland durch Großkonzerne soll diese dreifache Krise nun eindämmen.
Doch sie trifft genau eine der Gruppen, die von der Klimakrise und der Nahrungsmittelkrise ohnehin am stärksten betroffen ist: Landarme Bäuerinnen und Bauern, die in vielen Regionen der Welt nach wie vor das Rückgrat der Ernährungssicherheit bilden. Sie sind bedroht, durch Großinvestitionen ihr Kernkapital und ihre soziale Sicherung zu verlieren – ihren Boden.
Landgrabbing muss also verstanden werden als neue, aggressive Form der «Verräumlichung sozialer Konfliktlagen». Neben der genannten Konvergenz von Krisen, die für die Nachfrageexplosion der letzten Jahre gesorgt hat, ist bislang wenig von der Politik bekannt, die das Angebot an Land erst geschaffen hat. Eine entscheidende Rolle spielen dabei die Interessen lokaler Eliten, die vom Ausverkauf an Land profitieren, ebenso wie das Ensemble an Maßnahmen und Technologien, das ausländischen Investoren den Zugriff auf das Land und dessen profitable Bewirtschaftung erlaubt. Notwendig ist dazu der Blick auf eine bestimmte Zielregion. Neben Südostasien, Osteuropa und Ostafrika stellt Westafrika dabei einen der «hotspots» des Landraubs dar. Das Beispiel Westafrika zeigt, dass es nicht bloß um einzelne Vertreibungsszenarien geht, sondern dass großflächige Landnahmen nur den Gipfel einer Bodenpolitik und eines Investitionsregimes darstellen, die die breite Mehrheit der ländlichen Bevölkerungen systematisch diskriminieren. Hinter den Deals in Westafrika stehen dabei zwei grundverschiedene Investitionsmodelle.
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Benjamin Luig arbeitet als freier Mitarbeiter in der Akademie für Politische Bildung der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu Internationaler Politik. Für die Menschenrechtsorganisation FIAN engagiert er sich zu den Themen Agrarhandel und Agrarpolitik.