«Nazis» und «Faschisten» allerorten. Putin erklärt, Russland wolle die Ukraine «entnazifizieren» – und entleert den Terminus damit seiner wissenschaftlichen wie politischen Substanz. Die westlichen Medien stehen ihm in dieser Hinsicht nicht nach. Ein Kommentator erläutert im Handelsblatt, um nur ein BeIspiel zu nennen: «Putin ist Faschist, aber kein Nazi» und schiebt nach: Russland sei zweifelsohne «ein faschistischer Staat». Grundlegende Definitionen? Fehlanzeige.
«Nazismus», «Nationalsozialismus» (NS) und «Faschismus » werden gegenwärtig auf Schimpfwörter reduziert – ebenso sinnentleert wie inflationär ist oft der Gebrauch von Begrifflichkeiten wie «Genozid» oder auch «Auschwitz». «Entnazifizierung» mutiert zu einer Formel, hinter der sich andere Absichten verbergen. Politische Gegner*innen und/oder militärische Feind*innen sollen denunziert werden. «Nazis», «Nationalsozialisten» und «Faschisten» stehen für das Böse schlechthin (ähnlich wie «Kalter Krieger», «Kommunismus » und «Kommunist»). In einer Zeit, in der pseudo-historisierende Beschimpfungen in immer monotonere Polemiken münden, wird es zunehmend schwieriger, begriffliche Präzision anzumahnen. Ich will es trotzdem versuchen, indem ich vor allem die Termini «Nationalsozialismus» und Nazismus auf ihren historischen Ursprung und begrifflichen Gehalt zurückführe.
Autor:
Rüdiger Hachtmann ist Senior Fellow am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam. Forschungsschwerpunkte: Wirtschafts-, Sozial-, Wissenschafts- und Gesellschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, zuletzt «Das Wirtschaftsimperium der Deutschen Arbeitsfront» (2012); «1848. Revolution in Berlin» (2022); «Vom Wilhelminismus zur Neuen Staatlichkeit des Nationalsozialismus. Das Reichsarbeitsministerium 1918 bis 1945» (Anfang 2023).