Publikation Stadt / Kommune / Region - Commons / Soziale Infrastruktur - Ja zur Vergesellschaftung - Wohnen Vergesellschaftung senkt die Miete

Kurzstudie zu den sozialen Effekten einer möglichen Vergesellschaftung von Wohnungen in Berlin

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Reihe

Studien

Autor*innen

Andrej Holm, Matthias Bernt,

Erschienen

Januar 2023

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Die Forderung, die Wohnungen privater Großvermieter zu vergesellschaften, hat die Fantasie einer ganzen Stadt beflügelt. Nicht zuletzt die Aussicht, finanzmarktorientierte Spekulanten aus der Stadt zu drängen, hat diese Begeisterung entfacht. Noch wichtiger war allerdings die damit verbundene Hoffnung, sich endlich wieder eine Wohnung oder einen Umzug in Berlin leisten zu können, weil Vergesellschaftung für niedrigere Mieten in der Stadt sorgt. Doch kann eine Vergesellschaftung dieses Versprechen halten?

Vergesellschaftungsgegner*innen widersprechen dem heftig: Die Mieten seien bei Konzernen wie Deutsche Wohnen oder Vonovia noch vergleichsweise niedrig. Sie weiter zu senken, würde Investitionen in bestehende oder neue Wohnungen verhindern. Das sei letztlich wohnungswirtschaftlich verantwortungslos. Diese Haltung ist auch in der Politik weit verbreitet. So stellt nicht nur Bausenator Andreas Geisel (SPD) immer wieder die wohnungspolitische «Sinnhaftigkeit » einer Vergesellschaftung infrage.

Die vorliegende Studie liefert eine klare Antwort: Eine Vergesellschaftung kann die Mieten senken, ohne wohnungswirtschaftlich ins Risiko zu gehen. Für über 200.000 Haushalte bei den sechs größten privaten Wohnungsunternehmen der Stadt könnten die Mieten um durchschnittlich 16 Prozent sinken, wenn die Wohnungen nach dem Vorbild der landeseigenen Wohnungsgesellschaften bewirtschaftet würden – bei besserer Instandhaltung und mehr günstigen Wohnungsangeboten für Menschen mit wenig Einkommen. Außerdem würde eine Vergesellschaftung Wohnungen vor allem in den Stadtteilen zurückgewinnen, die besonders von Gentrifizierung gezeichnet oder bedroht sind. Genau das wäre auf andere Weise, etwa durch Neubau, gar nicht zu erreichen.

Nachdem die vom Berliner Senat eingesetzte «Expertenkommission » kürzlich einen Zwischenbericht zu ihren Beratungen vorgelegt hat, geht die Diskussion um die Umsetzung des Volksentscheids «Deutsche Wohnen & Co. enteignen» auf die Zielgerade. Mehr als eine Million Berliner*innen haben dafür gestimmt. Die Kommission hat die Vergesellschaftung, von einigen juristischen Detailfragen abgesehen, für grundsätzlich möglich erklärt. Jetzt ist die Politik am Zug. In einer oft ideologisch und hochemotional geführten Debatte zeigt die vorliegende Studie faktenreich und überzeugend: Eine Vergesellschaftung kann vielleicht nicht alle wohnungspolitischen Probleme der Stadt lösen, aber sie kann die soziale Wohnungsversorgung erheblich verbessern – weit mehr, als es andere Mittel vermögen.

Autoren:

Matthias Bernt arbeitet als Seniorwissenschaftler und als kommissarischer Leiter des Forschungsschwerpunkts «Politik und Planung» am Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) in Erkner sowie als Privatdozent am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. Sein besonderes Forschungsinteresse gilt der politischen Steuerung von Stadtentwicklungsprozessen.

Andrej Holm ist Sozialwissenschaftler an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind Gentrification und Wohnungspolitik. Er engagiert sich darüber hinaus in Berlin für das Recht auf Wohnen und ist in zahlreichen stadtpolitischen Initiativen aktiv.