Geht es um den Phosphatabbau im tunesischen Bergbaubecken, stellen sich stets dieselben Fragen: Warum geht diese Tragödie weiter? Wieso verhält sie jede tunesische Regierung gleichermaßen indifferent? Und warum wird die Entwicklung des Bergbaubeckens immer nur dann thematisiert, wenn der Phosphatabbau und damit die Bereicherung an diesem Rohstoff unterbrochen ist? Ausführlich erörtert werden diese Fragen in der im Oktober 2021 in arabischer Sprache veröffentlichten Studie «Die zukünftige Entwicklung des tunesischen Bergbaubeckens jenseits des Phosphatabbaus» von Houcine Rhili. Dieser Artikel diskutiert die wichtigsten Ergebnisse der Studie, die vom Nordafrika-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung publiziert wurde.
Seit seiner Entdeckung durch die damaligen Kolonialherren im Jahr 1883 ist der Phosphatreichtum im tunesischen Bergbaubecken Gafsa auf sozial höchst ungerechte Weise ausgebeutet worden. Die Förderung ist bis zum Jahr 2010 auf etwa zwölf Millionen Tonnen Rohphosphat und 8,5 Millionen Tonnen kommerzielles Phosphat angestiegen, was Einnahmen von über vier Milliarden Dinar (etwa 1,2 Milliarden Euro) pro Jahr bedeutet. Doch die Lebensbedingungen rund um das Abbaugebiet haben sich nicht verbessert – und in den letzten zwanzig Jahren sogar weiter verschlechtert.
Die «Compagnie des phosphates de Gafsa» (Gafsa Phosphate Company, GPC) wurde 1985, als die vom Internationalen Währungsfonds auferlegten Strukturanpassungsmaßnahmen in Kraft traten, einer groß angelegten «Verschlankung» unterzogen. In weniger als fünf Jahren wurden mehr als 5.000 Beschäftigte entlassen. Der einzige Phosphatproduzent im Bergbaubecken beschloss einen Einstellungsstopp. Infolgedessen ist die Erwerbslosigkeit in allen Bereichen gestiegen. Die CPG und der tunesische Staat haben ihre Aktivitäten in der Region zurückgefahren. Damit ist das Bergbaubecken nun vom Wirtschaftskreislauf abgeschnitten.
Houcine Rhili wurde in Redeyef, Gafsa in Tunesien geboren. Der Ingenieur in Geologie unterrichtet derzeit u.a. an der Naturwissenschaftlichen Fakultät in Tunis.
Imen Louati ist Programm-Managerin Politische Ökologie bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tunis.
Infolgedessen weisen alle wirtschaftlichen und sozialen Indikatoren mittlerweile einen negativen Trend auf. Das Bergbaugebiet ist fest im Griff der Erwerbslosigkeit, des Schmuggels und der organisierten Kriminalität. Die Anhäufung sozialen und menschlichen Elends führte im Jahr 2008 zu einem Aufstand, der als «Mining Basin Events» (die «Vorkommnisse im Bergbaubecken») bekannt wurde. Sämtliche Einwohner*innen der Region schlossen sich zusammen, um gegen Ausbeutung, Marginalisierung, Erwerbslosigkeit und ihre stiefmütterliche Behandlung durch die Politik vorzugehen.
Infolge dieser Umstände hat sich die Lage im Bergbaubecken weiter verschlechtert. Es ist zu einer völligen Einstellung der Phosphatproduktion und -ausfuhr in der gesamten Region gekommen. Darüber hinaus haben auch die Anlagen des tunesischen Chemiekomplexes in Gabes, Skhira, Sfax und Mdhila den Betrieb eingestellt.
Vor diesem Hintergrund und angesichts der systematisch destruktiven Politik der CPG liefert die Studie – und, darauf basierend, der vorliegende Text – eine eingehende Analyse der Region und unterbreitet Vorschläge für ein ganzheitliches Entwicklungsprogramm, das ohne Phosphatabbau auskommt. Dabei werden die spezifischen Merkmale der Region, ihre natürlichen Ressourcen und ihr menschliches Potenzial berücksichtigt.
1. Analyse der aktuellen Situation im Bergbaubecken und der Auswirkungen des Phosphatabbaus
Entwicklung ist keineswegs nur ein linearer Prozess der Wohlstandsproduktion an einem beliebigen Ort. Sie ist vielmehr Ergebnis des Zusammenspiels von natürlichem und menschlichem Potenzial in einem klar definierten und genau beschreibbaren Setting, und zwar derart, dass sich die Herstellung von Wohlstand mit den unmittelbaren Bedürfnissen der Menschen vor Ort in Einklang befindet.
Der historische Hintergrund der städtischen Entwicklung im Bergbaubecken
Das Bergbaubecken befindet sich im Südwesten Tunesiens und gehört zum Gouvernement Gafsa. Die Städte des Bergbaubeckens – Errdayef, Om Elaraies, Elmetlaoui und Elmdhila – liegen im Süden und Südosten des Gouvernements. Sie bilden seit über 130 Jahren das Zentrum des Phosphatabbaus im ganzen Land. Wie sind diese Bergbaustädte historisch entstanden und wie haben sie sich im Zuge des Phosphatabbaus und seines Niedergangs entwickelt?
Die Städte im Bergbaubecken haben keine sehr lange Geschichte, da ihre Entstehung mit der Entdeckung von Phosphatvorkommen und dem Beginn des Phosphatabbaus zusammenhängt. Mit anderen Worten: Diese Städte wurden durch das Phosphat geschaffen und sind sowohl in negativer als auch in positiver Weise mit ihm verbunden. Sie existierten vor 1881 nicht, und ihre heutigen Einwohner*innen waren früher Nomad*innen. Der Phosphatabbau war auch ein entscheidender Faktor für die Ansiedlung lokaler nomadischer Stämme zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts, obgleich das Ausmaß dieser Ansiedlung begrenzt blieb. Hing die Entstehung dieser Bergbaustädte in der Kolonialzeit mit dem Phosphat zusammen, so blieb dieser Zusammenhang auch nach der Unabhängigkeitserklärung Tunesiens im Jahr 1956 erhalten. Das Phosphat blieb die treibende Kraft hinter der Stadtentwicklung. Die Phosphatindustrie absorbierte die Arbeitskräfte der Städte und fungierte als Platzhalter für den Staat, der sich seit Beginn der Urbanisierung durch Abwesenheit auszeichnete.
Die Entstehung der Städte im Gafsa-Bergbaubecken kann als «goldenes Zeitalter» der frühen Phosphatindustrie bezeichnet werden. Es war eine Zeit enormer Investitionen und eines Aufbaus von Bergbauinfrastrukturen, der bis 1930 andauerte.
Die 1930er Jahre waren geprägt von einer Expansion neu gegründeter Städte, die mit der Ausweitung des Phosphatabbaus zusammenhing. Die Städte expandierten kreisförmig, entsprechend den Vorgaben europäischer Planung. Die Kolonialherren richteten die Städte im Bergbaubecken auch am Erfordernis der Unterbringung von Europäer*innen aus, die in die Region kamen, um in der Phosphatindustrie zu arbeiten. Der Architekturstil war europäisch. Es sollte eine Atmosphäre geschaffen werden, die an die Ursprungsstädte der europäischen Arbeiter*innen erinnerte. Die Europäer*innen sollten sich in Gegenden heimisch fühlen, die ursprünglich nicht für Siedlungen, Wohnungen oder Arbeit vorgesehen waren.
Die weltweite Finanzkrise von 1929, die in Tunesien bis 1956 andauerte, zeitigte erhebliche soziale Auswirkungen auf die Städte des Bergbaubeckens. Diese Auswirkungen ergaben sich zum einen aus dem Rückgang der Phosphatinvestitionen, zum anderen aus der anhaltenden Abwanderung in die neu gegründeten Städte. Die fortschreitende Zersiedelung der Bergbaustädte ging auf eine Reihe von Faktoren zurück, von denen der wichtigste der Wegzug sowohl der französischen Führungskräfte des Unternehmens als auch der in den Nachbarstädten lebenden Italiener*innen war. Die ausländischen Beschäftigten wurden durch einheimische ersetzt, die hauptsächlich von der tunesischen Küste sowie aus Gafsa und Ksar, nicht aber aus dem Bergbaubecken stammten. Die historische Untersuchung der Entstehung und Entwicklung der Städte des Bergbaubeckens zeigt, dass diese in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts von Wellen der Binnenwanderung und internationalen Migration geprägt waren, die sich erheblich auf die Bevölkerungsvielfalt und die kulturelle Vielfalt auswirkten.
Nach der Unabhängigkeit verließen die Kolonisator*innen das Land und hinterließen Häuser, Geschäfte, Tennisplätze, Kinos, Gärten und Parks, die zunächst ausschließlich für die europäischen Arbeiter*innen und Fachleute bestimmt waren. Nach deren Abreise ließ sich das neue Management der CPG dort nieder. Aufgrund der Abwesenheit des Staates in den Bergbaustädten, die dem Unternehmen ausgeliefert blieben, veralteten all diese Infrastrukturen. Sie verfielen und wurden unbrauchbar, nachdem die CPG nach und nach ihre soziale und wirtschaftliche Rolle aufgegeben hatte.
Die CPG spielte in wirtschaftlichen, sozialen, schulischen, kulturellen und sportlichen Belangen der Städte des Bergbaubeckens einst die zentrale Rolle. Die CPG beschäftigte die Einwohner*innen von vier Städten, versorgte sie mit Wasser und Strom, kostenlosem Nahverkehr sowie mit Lebensmitteln und lebensnotwendigen Gütern durch die Einrichtung eigener Geschäfte, die Anfang des 20. Jahrhunderts eröffnet wurden und bis Mitte der 1970er Jahre in Betrieb blieben.
Auswirkungen des Phosphatabbaus auf die Städte im Bergbaubecken
Die CPG hat also eine wichtige Rolle gespielt, die eigentlich der Staat hätte übernehmen müssen (obgleich dieser nicht gänzlich unbeteiligt blieb). Die Auswirkungen des seit 130 Jahren andauernden Phosphatabbaus auf die Umwelt und Gesundheit der Stadtbevölkerung sind nicht zu übersehen und lassen sich in vier Hauptbereiche unterteilen: natürliche Ressourcen (insbesondere Wasser), Landschaftsbild, Gesundheit und städtischer Raum.
Die allgemeine industrielle Infrastruktur des Bergbaubeckens ist nur schwach ausgeprägt und fehlt teilweise gänzlich. Phosphatabbau und -aufbereitung waren die vorherrschenden Aktivitäten in Bezug auf die Nutzung der Wasserressourcen. Die CPG nutzte Belüftungssysteme, um Phosphat vom Ganggestein zu trennen. Es handelt sich um ein hochgradig umweltschädigendes Verfahren, das für die Bevölkerung eine hohe Staubbelastung zur Folge hatte. Lungenkrankheiten sind in der Region sehr weit verbreitet.
Nachdem die Luftverschmutzung zu einer Katastrophe für die gesamte Region geworden war, begann die CPG Ende der 1970er Jahre – in Reaktion auf den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt im Bereich der Phosphataufbereitung – mit der Einrichtung und dem Ausbau von Phosphatreinigungsanlagen in allen Abbaustätten. Auch diese Technologie belastet jedoch die Umwelt.
Die negativen Auswirkungen der Phosphatreinigung betreffen vor allem die Wasserreserven. Die Phosphatreinigung geht nämlich mit einem hohen Wasserverbrauch einher, der schädlich ist, obgleich hauptsächlich Salzwasser genutzt wird. Hinzu kommt die Verschmutzung durch das schlammige Abwasser aus den Reinigungsanlagen. Die CPG nutzt die Wasservorräte der Region über 18 Tiefbrunnen, deren Pumpleistung auf etwa 715 Liter pro Sekunde geschätzt wird, was angesichts der Tiefenwasserreserven des Bergbaugebiets eine erhebliche Pumpleistung darstellt. Die Folge ist, dass die CPG jährlich etwa 72 Prozent der tiefen Grundwasserressourcen des Bergbaugebiets und etwa 48 Prozent der gesamten Wasservorkommen der Region verbraucht. Wenn die Wasserentnahme in diesem Umfang anhält, wird der Phosphatabbau in zwanzig Jahren nicht mehr möglich sein. Das Leben der Menschen in den Städten des Bergbaugebiets wird durch den Rückgang der lebenswichtigen regionalen Wasserressourcen bedroht, zusätzlich zur Verschmutzung des Grundwassers durch die Einleitung von Abwässern aus den Reinigungsanlagen in die natürliche Umgebung, insbesondere in die Wasserläufe. Nach den von der CPG veröffentlichten Daten und Statistiken wurden zwischen 1979 und 2000 mehr als 42 Millionen Tonnen Schlamm in die Flusskanäle des Bergbaugebiets eingeleitet. Für die nachfolgenden zehn Jahre bis 2010 wird die Zahl auf etwa 24 Millionen Tonnen geschätzt. Dabei handelt es sich um kontaminiertes Material in Mengen, die erhebliche Auswirkungen auf die ökologischen Systeme, einschließlich der Grundwasserneubildung, haben können. Der Schlamm stellt ein natürliches Hindernis für die Einsickerung von fließendem Wasser in den Grundwasserspiegel dar.
All dies wird erhebliche Auswirkungen auf die Erneuerung des Grundwassers haben, was mittel- und langfristig zu einer Verringerung der Wasserflusskapazität führen wird. Viele Gebiete sind von den Schlammablagerungen betroffen, insbesondere das Landwirtschaftsgebiet von Tebdit, wo zahlreiche Ernten vernichtet wurden und viele Obstbäume durch das kontaminierte Wasser Schaden nahmen. Hinzu kommt die Versteppung großer Landflächen, insbesondere während der Überschwemmungen von Oued Tebdit und Om El Arayes, die dazu führten, dass sich das schlammige Wasser über große Gebiete verteilte. Das schlammige Abwasser hat auch die sandigen Täler sowie Grundwasserbestände in Tebdit, Errdaief und Om El Arayes verschmutzt.
Was das Landschaftsbild angeht, gehört zum Phosphatabbau die Sprengung der geologischen Schichten, die die neun vorhandenen Phosphatablagerungen bedecken. Die beim Abbauverfahren gesprengten Berge stellen eine Staubbelastung und Verschmutzung dar. Die Sprengungen machen aus diesen Schichten ferner Geröll, das dann abgetragen und an andere Standorte gebracht werden kann. Dies bedeutet eine völlige Entstellung der Natur: Berge werden aus der Landschaft entfernt und durch Erd- und Steinhaufen ersetzt, die das Ergebnis von Explosionen sind. Den offiziellen Berichten der CPG zufolge schwanken die jährlich abgetragenen Mengen an Erde und Geröll, je nach der Verfügbarkeit von Rohphosphaten, zwischen 70 und 140 Millionen Tonnen. Diese Zahlen dürften eine realistische Vorstellung des Ausmaßes dieses Eingriffs in das Landschaftsbild vermitteln. Das Abbauverfahren verändert auch die Topografie der Abbaugebiete radikal und unwiderruflich, sodass topografische und geologische Karten überarbeitet werden müssen. Diese Auswirkungen betreffen nicht nur die ästhetischen Aspekte des Landschaftsbilds, sondern auch das wissenschaftliche und geologische Erbe, das künftigen Generationen hinterlassen wird.
Die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch den Phosphatabbau beschränkt sich jedoch nicht auf die Minen und die Sprengung von Bergen. Auch die Phosphatreinigungsanlagen haben erhebliche Auswirkungen auf die Bevölkerung und das städtische Gefüge der Region. Die Anlagen befinden sich inmitten besiedelter Gebiete und beeinträchtigen somit das Erscheinungsbild und die Möglichkeiten einer planmäßigen Expansion der Städte. Neben dem Schlammwasser, das in die Wasserläufe eingeleitet wird, produzieren diese Anlagen auch Verunreinigungen und feste Abfälle (größer als 2 mm), die sich jährlich auf etwa 1,1 Millionen Tonnen belaufen und in der Umgebung der Anlagen ansammeln. Das erhöht zum einen die Staubbelastung und wirkt sich zum anderen negativ auf das Stadtbild aus. Dies gilt insbesondere für die Reinigungsanlagen von El Metlaoui, Om El Arayes und El Mdhila, die sich in der Nähe von Stadtgebieten befinden.
Betroffen sind auch die Sicherheit und Stabilität von Wohnhäusern. Der über hundert Jahre unterirdisch betriebene Phosphatabbau hat unter den Wohnhäusern tiefe Hohlräume hinterlassen. Nachdem die CPG die Ausbeutung der unterirdischen Minen aufgegeben hatte, kam es zu keinerlei Prüfung der Stabilität der Hohlräume oder der Sicherheit der darüberliegenden baulichen Strukturen. Der erste Hauseinsturz ereignete sich Ende der 1990er Jahre in Errdaief über der unterirdischen Produktionslinie Z6, die durch die als Cité du Grand Maghreb oder «Cité Swafa» bekannte Stadt führt. Dieser Vorfall, bei dem mehr als zehn Luxuswohnungen zerstört wurden, warf erstmalig die Frage nach der Sicherheit baulicher Strukturen in den Städten des Bergbaubeckens auf.
Auch die gesundheitlichen Folgen des Bergbaus sind gravierender geworden. Sie betreffen nicht nur die Bergleute, sondern auch deren Angehörige und die städtische Bevölkerung insgesamt. Die seit den 1930er Jahren bis in die späten 1980er Jahre angewandte Technik der Phosphataufbereitung durch Belüftungsverfahren hat die Städte des Bergbaubeckens in Staubstädte par excellence verwandelt. Die dabei zum Einsatz gekommenen Anlagen stießen täglich Hunderte Tonnen dunklen Staubes aus, der auf die Häuser fiel und sich in die Atemluft von Erwachsenen und Kindern mischte. Dadurch waren die Einwohner*innen der Bergbaustädte besonders anfällig für Lungenerkrankungen, Allergien und andere Krankheiten, die mit der Luftverschmutzung zusammenhängen. Staublunge ist die in der Bevölkerung am weitesten verbreitete Krankheit. Das Wasser, das in den Bergbaugebieten zum Trinken bestimmt ist und aus tiefen unterirdischen Schichten gewonnen wird, verursacht bei den meisten Einwohner*innen Mundkrankheiten und Zahnverlust; deren Zähne nehmen bereits in jungen Jahren eine gelbliche Färbung an. Auch Nieren- und Harnwegserkrankungen, die auf die hohe Karbonat- und Fluoridkonzentration des Trinkwassers in den Bergbaustädten zurückgehen, sind weit verbreitet.
2. Möglichkeiten der Schadstoffbeseitigung sowie zur Entwicklung der Städte im Bergbaubecken
Ausgehend von der demografischen Struktur des Gouvernements Gafsa gilt es zunächst zu betonen, dass die Städte der Region nicht nur eine geografische und geologische, sondern auch eine wirtschaftliche und soziale Einheit bilden. Insofern sollte die Entwicklung des menschlichen Potenzials von Gafsa, Errdaiyef, El Metlaoui, El Mdhilla und Om El Arayes anhand ähnlicher Indikatoren ermittelt werden. Die lange Abwesenheit des Staates hat die gesamte Region von diesem Unternehmen abhängig gemacht, hinsichtlich der Beschäftigung sowie sozialer, kultureller und bildungspolitischer Unterstützung.
Um es noch deutlicher zu formulieren: Das Unternehmen war ein Staat im Staat. Sobald es sich aus sämtlichen Funktionen zurückziehen musste, die es historisch in der Region des Bergbaubeckens ausgeübt hatte, wurden alle Unzulänglichkeiten der bis dahin getroffenen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen erkennbar. Die Erwerbslosigkeit stieg stark an, und sämtliche sozialen und gesundheitlichen Dienstleistungen wurden zurückgefahren. Betroffen sind das Verkehrswesen, die Freizeitangebote, die Kultur, der Sport und alle Aspekte der sozialen Gerechtigkeit. Aufgrund der anhaltenden Abwesenheit des Staates gibt es keine Strukturen, die die bisher von der CPG ausgeführten Entwicklungsaufgaben übernehmen könnten.
In diesem Kontext stellt sich eine zentrale Frage: Bleibt das Bergbaugebiet hinsichtlich seiner weiteren Entwicklung und insbesondere des sozialen Fortschritts eine Geisel des Phosphats? Ist Phosphat die einzige Ressource, auf die zurückgegriffen werden kann, oder sind auch andere Ressourcen vorhanden, sodass der gegenwärtige Stillstand nur Ergebnis politischer Fehlentscheidungen ist?
Wasservorräte und landwirtschaftliche Flächen
Die Wasserressourcen des Bergbaubeckens bestehen ausschließlich aus Grundwasserreserven, da es kaum Niederschläge gibt und keine Stauseen oder Dämme zum Auffangen von Regenwasser vorhanden sind. Das bedeutet: Die gesamte Region deckt ihren Bedarf an Wasser für die Bevölkerung, Dienstleistungen und die Industrie aus dem Grundwasser der Region.
Die landwirtschaftlich nutzbare Fläche beträgt etwa 12.500 Hektar, von denen 4237 Hektar bewässert werden können. Bei Feldbesichtigungen vieler landwirtschaftlicher Flächen und insbesondere der bewässerten Flächenränder und nach langen Gesprächen mit vielen Landwirt*innen wurde festgestellt, dass diese landwirtschaftlichen Projekte, von denen die meisten Mitte der 1980er Jahre in Angriff genommen wurden, den Charakter des Gebiets um die Bergbaustädte verändert haben. War dieses Gebiet früher vom Phosphatabbau abhängig, so ist es nun in der Lage, seine wirtschaftlichen Aktivitäten zu diversifizieren. Die Projekte haben auch gezeigt, dass Investitionen in die Landwirtschaft erwerbslose Arbeitskräfte absorbieren und einen Wandel der wirtschaftlichen und sozialen Struktur der Städte bewirken können.
Aus wirtschaftlicher Sicht, unter dem Gesichtspunkt der Kosteneffizienz betrachtet, können diese landwirtschaftlichen Projekte als äußerst rentabel bezeichnet werden, da die meisten von ihnen im Laufe der Zeit expandiert sind. Einige haben einen Jahresumsatz von einer Million Dinar (etwa 300 000 Euro) erreicht. Die Rentabilität könnte noch gesteigert werden, wenn die landwirtschaftliche Tätigkeit durch eine verarbeitende Industrie und Dienstleistungen in der Region ergänzt würde. Auf diese Weise könnten eine Steigerung des direkten Einkommens der Landwirte und eine Erhöhung des Beschäftigungspotenzials der Bergbaustädte außerhalb der Phosphatindustrie ermöglicht werden.
Die landwirtschaftliche Tätigkeit ist in der Regel auch mit der Viehzucht verbunden, insbesondere der Schaf-, Ziegen- und Kamelzucht, wobei die beiden erstgenannten im Bergbaubecken am weitesten verbreitet sind. Es handelt sich um eine traditionelle Tätigkeit, deren Produkte für den eigenen und lokalen Verbrauch bestimmt sind. Einige Familien betreiben die Viehzucht als Hobby oder als ergänzende Tätigkeit, um das Einkommen zu erhöhen. Die Kamelzucht ist das Monopol von Familien, die in der Wüste oder in ländlichen Gebieten leben, und wird insbesondere in El Metlaoui und El Mdhilla intensiv praktiziert. Anhand von Feldbesichtigungen und offiziellen Zahlen der für die Viehzucht zuständigen Abteilungen der regionalen Kommission für landwirtschaftliche Entwicklung (CRDA) in Gafsa wird der Viehbestand in den Städten des Bergbaubeckens auf etwa 75.000 Schafe, 10.000 Ziegen und 3.500 Kamele geschätzt. Trotz dieser hohen Zahlen bleibt die wirtschaftliche und soziale Rentabilität niedrig. Gründe hierfür sind der geringe Viehbestand pro Züchter*in, die Marginalität des Sektors und der Mangel an notwendiger Unterstützung durch die zuständigen Stellen.
Baustoffe
Der Phosphatreichtum hat das Bergbaubecken für Forscher*innen, die sich mit Geologie, Entwicklung, Geografie und Topografie beschäftigen, interessant gemacht. In den vergangenen hundert Jahren sind in der Region zahlreiche Studien und teils sehr detaillierte Untersuchungen durchgeführt worden. Mit Blick auf geologische Eigenschaften, insbesondere in Bezug auf Phosphat und dessen Abbau, ist keine tunesische Region so intensiv erforscht worden wie Gafsa. Durch die Forschungsarbeiten sind auch viele regionale Ressourcen identifiziert worden, die für das Baugewerbe interessant sein könnten. Deren Nutzung ist bislang allerdings ausgeblieben – aufgrund der Dominanz des Phosphats, das als einziger natürlicher Rohstoff der Region wahrgenommen wird.
Anhand zahlreicher Studien und Untersuchungen, die im Gebiet des Bergbaubeckens durchgeführt wurden, und auf Grundlage der im Rahmen der Vorbereitung der Studie durchgeführten Feldarbeit können wir sagen, dass das Gebiet des Bergbaubeckens sehr reich an potenziellen Baustoffen ist. Das Baugewerbe und die vielen mit ihm zusammenhängenden wirtschaftlichen Aktivitäten könnten zur Entwicklung der Region beitragen, die Erwerbslosigkeit reduzieren und die Angewiesenheit auf die CPG verringern. Die wichtigsten Baustoffe, die im Gebiet reichlich vorhanden sind und in der Produktion eingesetzt werden könnten, sind sämtliche Arten von Kalkstein (Kalkstein, Dolomit, Kalk) sowie Ton, Gips und Sand in verschiedenen Beschaffenheiten und Farben.
Geologisch und ökologisch wertvolle Orte
Das Bergbaubecken ist jedoch nicht nur reich an natürlichen Ressourcen und Baustoffen; es weist auch zahlreiche Orte auf, die hinsichtlich ihrer ökologischen und geologischen Eigenschaften von wissenschaftlichem Interesse sind. Durch den unterirdischen Phosphatabbau entstanden zahlreiche Höhlen und unterirdische Stätte, die sich für den Öko- und Höhlentourismus eignen und viele in- und ausländische Besucher*innen anziehen könnten.
Bei der Thalaja-Stätte in Metlaoui etwa, wo 1895 zum ersten Mal Phosphat entdeckt wurde, handelt es sich um einen ökologisch und geologisch einzigartigen Ort. Er beherbergt sämtliche Phosphatverbindungen, was weltweit einmalig ist. Thalaja hat das Potenzial zu einem geologischen Lernort, an dem Studierende und Forscher*innen sämtliche geologischen Merkmale von Phosphaten anschaulich studieren könnten. Neben diesem wissenschaftlichen Aspekt ist Thalaja auch ökologisch bedeutsam – vor allem aufgrund der Thelja-Schlucht, einer Öffnung im Gebirge, die zum Thalaja-Fluss führt.
Wiederverwendbare und recycelbare Materialien
In der Region gibt es große Mengen Eisenschrott, wie ausrangierte Eisensäulen und ‑schienen, Drähte, die in der Produktion verwendet wurden, Hunderte von Geräten und Transportmitteln, die nicht mehr in Betrieb sind, sowie Eisenreste unterschiedlicher Größe und Verwendung. In den über die Städte des Bergbaubeckens verteilten Lagern und sonstigen Räumlichkeiten der CPG befinden sich, Schätzungen zufolge, 20.000 Tonnen Metallschrott.
Weitere wiederverwendbare Abfälle entstehen aus dem Gummi der vom Unternehmen genutzten Förderbänder. Die CPG verfügt über das umfassendste Netzwerk solcher Förderbänder und verbraucht jährlich etwa 2.000 bis 3.000 Tonnen davon. Die Abfälle könnten in Form von Granulat in den Öfen von Zementwerken eingesetzt werden.
Dekontaminierung des Bergbaubeckens
Die von der CPG seit mehr als 130 Jahren verursachte Umweltverschmutzung hat die Region ökologisch verwüstet. Jeder Aspekt der Umwelt hat Schaden genommen, vom Wasser und der Luft über das allgemeine Landschaftsbild bis hin zu den Bergen und Hochebenen. Hinzu kommt die Anhäufung riesiger Mengen von Abfällen und Abwässern in weiten Teilen der Städte im Bergbaubecken. Im Laufe der Zeit ist die Umweltverschmutzung zu einem erheblichen Entwicklungshemmnis geworden.
Die CPG ist dringend verpflichtet, ein umfassendes Programm zur Beseitigung der durch ihre Tätigkeit verursachten Verschmutzung auszuarbeiten und umzusetzen, um die natürliche und menschliche Umgebung wiederherzustellen. Dies sollte durch ein dreigliedriges Dekontaminationsprogramm erfolgen: Klärung verseuchter Abwässer; Aufarbeitung und Nutzung wiederverwertbarer Abfälle; Behebung der an überirdischen und unterirdischen Abbaustätten (etwa Bergbaustollen) entstandenen Umweltschäden.
3. Formulierung von Entwicklungsvorhaben
Nachdem die Studie gezeigt hat, dass es dem Bergbaubecken weder an natürlichen Ressourcen noch an Wasser für eine gerechte, ausgewogene und phosphatfreie Zukunft mangelt, besteht die größte Herausforderung darin, diese natürlichen Ressourcen und menschlichen Energien zu nutzen. Es geht darum, eine eigenständige Entwicklung herbeizuführen, die mit der Abhängigkeit vom Phosphat bricht und aus dem Fluch einen Segen macht. Die CPG ist nicht mehr in der Lage, die Rolle des Hauptarbeitgebers zu spielen. Sie kann auch nicht mehr die treibende Kraft der Entwicklung sein, da sie seit 1956 in Kontinuität zur Kolonialpolitik agiert, Fehlentscheidungen getroffen und eine Politik verfolgt hat, die darauf beruht, Phosphat und Wasser als Ressourcen zu behandeln, die es ohne Rücksicht auf die Folgen auszuschlachten gilt.
Es muss also ein anderer Weg eingeschlagen werden, um eine partizipativere, phosphatfreie Entwicklungsalternative zu schaffen. Diese sollte auf gründlicher Forschung beruhen und mit dem Potenzial der Region sowie mit den Bedürfnissen der Einwohner*innen in Einklang stehen. Außerdem sollte die geografische Grenzlage der Bergbaugebiete berücksichtigt werden. Aufgrund dieser Grenzlage könnten die Gebiete eine wichtige Rolle für die Entwicklung der gesamten Region spielen, auch über Tunesien hinaus.
Die Studie zeigt die Komponenten einer möglichen lokalen Entwicklung auf und benennt die – über die nicht phosphatgebundenen Rohstoffe und Entwicklungsperspektiven der CPG hinausgehenden – Ressourcen des Bergbaubeckens. Die Ergebnisse der Studie beruhen auf einem partizipatorischen Ansatz, also auf dem Dialog mit sämtlichen Beteiligten, einschließlich Gemeindeverwaltungen, Organisationen und zivilgesellschaftlichen Zusammenschlüssen vor Ort.
Allgemeine Ergebnisse der Umfrage
Die Studie beinhaltet auch die Befragung einer repräsentativen Stichprobe von Einwohner*innen der Städte des Bergbaubeckens. Diese Umfrage befasst sich mit den Entwicklungsherausforderungen, dem Bewusstsein für das phosphatfreie Entwicklungspotenzial und mit den Akteur*innen, die die Verantwortung für die künftige Entwicklung der Region übernehmen könnten, damit die Städte nicht mit der Einstellung der Bergbautätigkeit verschwinden. Nach Auswertung der Umfrage – deren Hauptfragen so konzipiert waren, dass sie eng mit den Zielen unserer Studie korrelierten – konnten wir Schlussfolgerungen ziehen, die im Folgenden dargestellt werden.
Über 98 Prozent der Befragten gaben an, dass alle Bergbaustädte ein Entwicklungsdefizit aufweisen. Nach ihrer Ansicht äußert sich dieses Defizit in grassierender Erwerbslosigkeit, Armut und Marginalisierung, sodass die Städte zu unattraktiven Orten geworden sind. Die CPG bleibt im Bewusstsein der Einwohner*innen der einzige Arbeitgeber in der Region. Einige jüngere Befragte brachten allerdings zum Ausdruck, dass das Unternehmen für sie keinerlei Bedeutung habe. Das liegt daran, dass diese jungen Menschen in einer Zeit aufwuchsen, in der das Phosphatunternehmen seine alte Rolle als Ersatz für den Staat eingebüßt hatte.
Neben der Ansicht, dass der Staat in den Städten abwesend oder aber machtlos und ineffektiv sei, äußern die Einwohner*innen die Einschätzung, dass die Behörden, Gewerkschaften und lokalen Eliten für die ausgebliebene Entwicklung der Region verantwortlich seien, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Dabei vertreten die meisten Befragten die Auffassung, die CPG sei nicht alleinverantwortlich für die aktuelle Lage.
Die Befragten sind sich auch einig, dass die Städte des Bergbaubeckens es auch ohne den Phosphatabbau zu Produktivität und Wohlstand bringen könnten, indem sie sich auf den Agrarsektor und die Nutzung von Baustoffen wie Sand, Ton, Kalk und Gips konzentrieren.
Auch dass die CPG ein wichtiger Akteur bei der phosphatfreien Entwicklung der Bergbaustädte bleiben könne, indem sie sich an der Entwicklung von neuen Projekten, etwa im Bereich wiederverwertbarer Ressourcen, beteilige, trifft unter den Befragten auf große Zustimmung. Die Verantwortung für die Finanzierung der Entwicklung liege sowohl beim Staat als auch beim Unternehmen, zumal es sich um ein Unternehmen in Staatsbesitz handele. Darüber hinaus sind die Befragten der Ansicht, der Privatsektor sei nicht in der Lage, regionale Entwicklungsprojekte durchzuführen und solle daher auch nicht an der Entwicklung der Region beteiligt werden – dies auch vor dem Hintergrund, dass der Privatsektor in der Region bislang nicht aktiv gewesen sei.
Eine große Zahl der Befragten begreift Protest als Mittel, den Staat zur Erfüllung seiner Entwicklungsverpflichtungen zu drängen. Dies zeigt den Vertrauensverlust der Einwohner*innen gegenüber dem Staat und seinen Behörden, auch wenn der Dialog als eines der wichtigsten Mittel gilt, um die Rolle der Bevölkerung bei der erfolgreichen Verwirklichung von Entwicklungsprojekten in den Städten des Bergbaubeckens zu stärken.
Die Ergebnisse zeigen auch, dass die sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen in den Städten des Bergbaubeckens von der traditionellen Gesellschaft bestimmt werden, da die meisten Vertreter*innen auf der Grundlage von Familienzugehörigkeit und Verwandtschaft gewählt werden. Die Befragten sind sich einig, dass die «Union générale tunisienne du travail» (UGTT) als der wichtigste tunesische Gewerkschaftsdachverband und die der UGTT angeschlossenen Gewerkschaften bei der Entwicklung der Region eine negative Rolle spielen. Die lokalen Behörden, die durch die 2018 gewählten Gemeinderäte vertreten werden, sollten nicht in die Entwicklung der Städte einbezogen werden. Obwohl die regionale Zivilgesellschaft noch in den Kinderschuhen steckt, sind die meisten Befragten in Errdaief, Om El Arayes und El Metlaoui der Ansicht, zivilgesellschaftliche Organisationen sollten bei der Entwicklung der Region eine Rolle spielen. Eine Ausnahme bildet hier Mdhila, wo ein hoher Prozentsatz der Befragten die gegenteilige Meinung vertritt. Diese Aussage könnte damit zusammenhängen, dass die Zivilgesellschaft in dieser Gegend bislang kaum aktiv ist.
Vorschläge für Entwicklungsprojekte
Die Studie schlägt eine Reihe von künstlerischen, entwicklungspolitischen und umweltbezogenen Projekten vor. Diese Vorschläge sollen als Ausgangspunkt für eine ernsthafte und fruchtbare Diskussion aller lokalen Akteur*innen dienen. Auf diese Weise will man eine Vision für eine ganzheitliche Entwicklung im Einklang mit dem natürlichen Potenzial der Region, den vorhandenen Humanressourcen und den unmittelbaren Bedürfnissen der Bevölkerung entwerfen.
Die Investitionen, die zu einer genuinen Entwicklung der Region führen würden, werden wie folgt beziffert: Baumaterialien: 710 Millionen Dinar; Landwirtschaft: 55 Millionen Dinar; fertigendes Gewerbe: 6 Millionen Dinar; Umwelt: 20,5 Millionen Dinar. Somit wird das gesamte Investitionspotenzial der nächsten fünf Jahre auf etwa 800 Millionen Dinar (rund 240 Millionen Euro) geschätzt. Damit könnten rund 3.000 Arbeitsplätze direkt und mehr als 4.500 indirekt geschaffen werden (neben der derzeitigen Zahl der Beschäftigten in landwirtschaftlichen und Umweltunternehmen, die in die Produktion von genuinem Wohlstand integriert sind, anstatt Arbeitslosengeld zu beziehen, dessen Finanzierung die Ressourcen der CPG beansprucht). Dies würde den Städten des Bergbaubeckens eine wirtschaftliche und soziale Dynamik verleihen und sie von schrumpfenden Städten zu Orten machen, die Menschen und Arbeitskräfte von außerhalb anziehen. Auf diese Weise könnte sich die Region allmählich von einem Entwicklungsmuster befreien, das allein vom Phosphat bestimmt wird.
Fazit
Schwerpunkte der Studie sind die Realität der Städte im Bergbaubecken, die historische Entstehung dieser Städte sowie der Zusammenhang zwischen ihrer Entstehung und der Entdeckung und dem Abbau von Phosphat darzustellen. Ebenfalls skizziert wird die Rolle, die das staatseigene Bergbauunternehmen CPG bis Mitte der 1980er Jahre gespielt hat.
Das Unternehmen bot fast allen, die Arbeit suchten, einen Arbeitsplatz. Es war für das Gesundheits- und Bildungswesen, den Verkehr, die Strom- und Wasserversorgung sowie für die Förderung von Sport, Kultur und Erholung zuständig. Es unterhielt auch die öffentlichen und kollektiven Einrichtungen der Städte. Es handelt sich um ein außergewöhnliches Unternehmen in außergewöhnlichen Städten, deren Arbeiter*innen den Bergen einen Wohlstand abringen, der nicht in der Region verbleibt.
Seit Mitte der 1980er Jahre hat die CPG jedoch alle ihre Verpflichtungen gegenüber den Städten und Einwohner*innen des Bergbaubeckens aufgegeben, um ein Strukturanpassungsprogramm umzusetzen, das die meisten öffentlichen Einrichtungen, die für Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität zuständig sind, einbezog. Dieser plötzliche und unüberlegte Rückzug hat eine große soziale und entwicklungspolitische Lücke hinterlassen. Auch an öffentlichen Investitionen und staatlicher Regulierung mangelte es nach diesem Kurswechsel. In den frühen 1990er Jahren zogen die Städte vor allem Rentner*innen, marginalisierte Personen, organisierte Kriminalität und Grenzschmuggel (sog. Cantara) an.
Damit die CPG eine Landschaft hinterlässt, von der alle profitieren, muss die Region sich vom Einfluss des Phosphats lösen und nach alternativen Entwicklungskapazitäten und -ressourcen suchen. So wird die Entwicklung des Bergbaubeckens ausgewogen und im Einklang mit all seinen Potenzialen verlaufen können – einschließlich des Phosphats, aber nicht darauf begrenzt.
Die Auswertung der in der Region durchgeführten geologischen, entwicklungspolitischen und wirtschaftlichen Untersuchungen, die Treffen mit den an der Entwicklung des Bergbaubeckens Beteiligten und die im Rahmen der Studie durchgeführte Feldforschung haben ergeben, dass die Region über erhebliche Potenziale verfügt. Ihre Unterentwicklung ist das zwangsläufige Ergebnis jahrzehntelanger ungerechter politischer Entscheidungen, wie sie die Behörden in ihrer teils absichtlichen, teils unabsichtlichen Verstrickung mit opportunistischen lokalen Eliten, bevormundenden Gewerkschaftsleitungen, Stammesstrukturen und dem Prinzip der Blutsbande getroffen haben. Dies hat die anhaltende Unterentwicklung der Bergbauregion zu einem mehrdimensionalen und strukturellen Problem gemacht.
Trotz alledem unterstrich die Bevölkerung in unserer Umfrage, dass eine Entwicklung ohne Phosphat möglich ist und die Region über wichtige natürliche und menschliche Eigenschaften verfügt, die es ihr ermöglichen, ein breit aufgestellter Entwicklungsstandort zu werden. Dieser würde Tunesien und seinen Nachbarländern eine neue Entwicklungsperspektive eröffnen, innerhalb derer der Staat und seine öffentlichen und finanziellen Institutionen als treibende Kräfte agieren. Der Privatsektor existiert im Bergbaubecken nicht und verfügt dort über keine Investitionstradition.
Es sollte auch betont werden, dass sich das Phosphat in der nächsten Entwicklungsphase nicht als Fluch für die Region darstellen wird, sondern als Segen. Das Phosphat muss zur treibenden Kraft einer Entwicklung werden, die über es selbst hinausweist. Die CPG wird dann über ihren bereits klischeehaft gewordenen Status als Staatssurrogat hinauswachsen und ihre Funktion als öffentliches Unternehmen, das Wohlstand schafft, wiederaufnehmen. Parallel dazu sollte der Staat seine Rolle in der Region in vollem Umfang wahrnehmen, wie er es auch in anderen Teilen des Landes tut.
Eine Entwicklung jenseits des Phosphats ist möglich, sofern der politische Wille vorhanden ist und die tunesischen Machthabenden ihre Sicht auf die CPG revidieren. Sie sollten diese nicht mehr nur als Cashcow, also als Quelle maximal auszuschöpfender Gewinne begreifen, sondern als ein wettbewerbsfähiges öffentliches Unternehmen, das Wohlstand für alle Menschen des Landes erwirtschaftet, vom Süden bis zum Norden.
Die Übersetzung stammt von Max Henninger & André Hansen für Gegensatz Translation Collective.