Die Zahl ist alarmierend: Einer aktuellen repräsentativen Umfrage zufolge sprechen sich gerade einmal 30 Prozent der Befragten für den Fortbestand des öffentlich- rechtlichen Rundfunks in der Bundesrepublik in der derzeitigen Form aus. Ein Drittel fordert die Zusammenlegung von ARD und ZDF, ein weiteres Drittel sogar die komplette Abschaffung.
Korruptionsfälle wie vor einigen Jahren beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) oder der jüngste Skandal um mutmaßliche Mittelverschwendung und Untreue beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) rücken die öffentlich-rechtlichen Medien immer wieder in ein schlechtes Licht. Zum Ansehensverlust trägt zudem die fortgesetzte Schmähung insbesondere aus dem konservativen Spektrum bei. Regelmäßiger Angriffspunkt für rechte Populist*innen ist dabei der Rundfunkbeitrag, der als «Zwangsgebühr» und vermeintlich überteuert dargestellt wird.
Aber auch unter Linken genießen die Öffentlich- Rechtlichen nicht durchweg Sympathien. Zählt doch zum Grundkanon linker Gesellschaftskritik ein distanziertes, häufig ambivalentes Verhältnis zum bürgerlichen Mediensystem. In der Kritik stehen etwa das private Eigentum an Zeitungen, Fernsehsendern und Internetplattformen, die zunehmende, durch Digitalisierungsschübe in jüngster Vergangenheit beschleunigte Unternehmenskonzentration sowie die Nähe von Medienakteur*innen zu Entscheidungsträger*innen in Wirtschaft und Politik. Seit Beginn des «Kriegs gegen den Terror» werden zudem vermehrte staatliche Eingriffe in die Informationsfreiheit beklagt.
Zugleich erscheint es aus linker Perspektive als notwendig, die Presse- und Meinungsfreiheit als zivilisatorischen Fortschritt und Grundvoraussetzung für das Funktionieren eines demokratischen Gemeinwesens gegen ihre Feinde zu verteidigen. Ihrem Auftrag entsprechend bieten die Öffentlich-Rechtlichen den Bürger*innen einen unverzichtbaren Zugang zu Informationen und tragen zur gesellschaftspolitischen Meinungsbildung bei. Die politische Rechte aber fährt massive Angriffe gegen vermeintliche «Lügenpresse» und «linksgrünversiffte» Medien, kapert einst emanzipatorische Vorstellungen einer bürgernahen Öffentlichkeit (Alternativmedien, Gegenöffentlichkeit) und geht, wenn einmal an der Macht, autoritär gegen Medienschaffende vor.
Der vorliegende Band unserer Reihe «luxemburg beiträge» versucht, das Dickicht aus Vorurteilen über und Mythen rund um ARD, ZDF & Co. zu lichten. Er reiht sich ein in die langjährige Beschäftigung der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit dem Thema – etwa zu Qualitätsansprüchen an den, zur sozialen Situation der freien Mitarbeitenden in den und der Notwendigkeit von Strukturreformen bei den Öffentlich-Rechtlichen. Das Werk des Autor*innentrios Mandy Tröger, Heiko Hilker und Jörg Langer soll die Leser*innen mit Fakten und Argumenten versorgen, mit denen verbreitete Vor- und Fehlurteile über die Arbeits- und Wirkungsweise von Medien korrigiert werden und die Legendenbildung von rechts zurückgedrängt werden können.
Henning Heine, Referent Publikationen/Kultur und Medien bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Inhalt
- Einleitung
- Glaubwürdigkeit von Medien und Medienvertrauen
- Objektivität und Unparteilichkeit des Rundfunkjournalismus
- Politische Einstellungen von Journalist*innen
- Die umstrittene Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
- Themen und Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
- Fernsehen und Radio ist nur noch etwas für Alte – die Zukunft liegt im «Digitalen»
- Kern- und Pflichtaufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Autor*innen
Mandy Tröger ist Walter-Benjamin-Stipendiatin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) an der Universität Tübingen. Sie promovierte 2018 in kritischer Medienund Kommunikationswissenschaft an der Universität Illinois. Ihre Forschungsinteressen sind Medien- und Kommunikationsgeschichte und kritische Medientheorie.
Heiko Hilker ist von Beruf Elektromonteur sowie Diplomingenieur für Informationstechnik. Er war von 1994 bis 2009 Abgeordneter der PDS/DIE LINKE im Sächsischen Landtag. Seit 1997 sitzt er im MDR-Rundfunkrat und ist einer der beiden Geschäftsführer des Dresdner Instituts für Medien, Bildung und Beratung. Mehr unter: www.dimbb.de.
Jörg Langer ist seit über 20 Jahren als Produzent und Herstellungsleiter im Bereich Film und Fernsehen tätig. Seit 2008 ist er Lehrbeauftragter an der Beuth-Hochschule für Technik in Berlin, wo er die Fächer Medienökonomie, Fernsehgeschichte sowie Film- und Fernsehproduktion unterrichtet. Er berät außerdem Produzent*innen und Filmemacher*innen sowie Verbände und Organisationen, die im Film- und TV-Geschäft tätig sind.