Publikation Wirtschafts- / Sozialpolitik - Koalition ohne Fortschritt - Verteilungskrise Übergewinne richtig besteuern

Ein Update zur Debatte über Krisengewinne und gewinngetriebene Inflation

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Reihe

Studien

Autor

Christoph Trautvetter,

Erschienen

Januar 2024

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Mit einer Übergewinnsteuer für die größten und profitabelsten Konzerne könnte Deutschland jährlich bis zu 40 Milliarden Euro mehr an Steuern einnehmen.

Christoph Trautvetter hat im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung die Gewinnentwicklung und Besteuerung großer Mineralölkonzerne und Stromproduzenten sowie weiterer Branchen (u.a. Banken, Logistikunternehmen, Automobilindustrie) für das Jahr 2022 analysiert.

Vor allem große Konzerne in konzentrierten Branchen haben 2022 Rekordrenditen erzielt. Beispiel Mineralölkonzerne: Nach den Berechnungen der Studie summierten sich die Übergewinne in Deutschland im Jahr 2022 auf etwa 70 Milliarden Euro. Allein die zehn analysierten Konzerne erzielten im Jahr 2022 weltweit eine Gewinnsteigerung von 320 Milliarden US-Dollar im Vergleich zu 2019. Dort, wo bereits Zahlen vorliegen, hat die von der EU beschlossene Übergewinnsteuer nur etwa zwei Prozent der Gewinnzuwächse abgeschöpft. Im Gegensatz dazu landete im Fall des Mineralölkonzerns Saudi Aramco etwa die Hälfte der Gewinnsteigerung über Sonderabgaben beim saudi-arabischen Staat.

Angesichts der Rekordrenditen und der seit Jahren zunehmenden Konzentration und Marktmacht plädiert die Studie deshalb dafür, langfristig hohe Gewinnmargen für die größten Konzerne dauerhaft und branchenübergreifend mit einer Übergewinnsteuer zu belegen. Eine solche Besteuerung könnte sich an Grundsätzen orientieren, die die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erarbeitet hat. Sie definiert Residual- bzw. Übergewinne im Gegensatz zu durchschnittlichen Routinegewinnen als Umsatzrentabilität von mehr als zehn Prozent in drei aufeinander folgenden Jahren. Für Konzerne mit einem Umsatz von mehr als 20 Milliarden Euro schlägt die OECD vor, einen Teil dieser Gewinne unter den Ländern entsprechend des jeweiligen Umsatzanteils neu zu verteilen. Nach Schätzungen der Studie gab es 2022 – inklusive der von der OECD ausgenommenen Banken und Mineralölkonzerne – etwa 200 solcher Unternehmen. Ihre Übergewinne beliefen sich auf rund 1.000 Milliarden Euro. Davon würden etwa 40 Milliarden Euro auf Deutschland entfallen. Ein angemessener Teil dieses Betrags sollte durch eine Übergewinnsteuer abgeschöpft werden.

Die größten und profitabelsten Konzerne zahlen trotz aller Reformen der letzten Jahre immer noch die niedrigsten Steuern.

Christoph Trautvetter

Eine Übergewinnsteuer kann unsere Gesellschaft widerstandsfähiger gegen die zahlreichen Krisen machen, mit denen wir konfrontiert sind. Die Zuspitzung
der ökologischen Krise sowie wachsende geopolitische Spannungen und Kriege werden auch künftig zu Lieferengpässen und Preisschocks führen. Dagegen müssen wir Vorsorge treffen: mit Preisbremsen für strategisch wichtige (Vor-)Produkte, um Inflationsspiralen von Anfang an abzubremsen, und mit steuerlichen Maßnahmen, um die Extraprofite solcher Preisschocks abzuschöpfen. Darüber hinaus brauchen wir eine dauerhafte Besteuerung der regelmäßigen Übergewinne großer Konzerne, die immer mehr Marktmacht besitzen. Die vorliegende Studie soll dazu beitragen, die Kämpfe für solche Maßnahmen voranzubringen.

Inhalt:

Einführung: Die Debatte um Rekordgewinne in der Krise: von Gierflation bis Scheingewinn

Mineralölkonzerne: Rekordgewinne seit Kriegsbeginn

  • Wie hoch waren die Übergewinne tatsächlich?
  • Welcher Anteil der Zusatzeinnahmen wurde durch Besteuerung abgeschöpft?
  • Welchen Einfluss hatten Gewinne und Steuern auf Investitionen?

Weitere Branchen und Unternehmen

  • Krisengewinner im Jahr 2022 aus globaler Perspektive
    • Deutsche Banken als Krisengewinner der Zinswende
    • Bisher keine bedeutenden Krisengewinne in der deutschen Rüstungsindustrie
  • Deutschlands große (Krisen-)Gewinner im Jahr 2022
    • Weiterhin Rekordgewinne: die deutsche Autoindustrie
    • Gewinner Nummer 1: Hapag-Lloyd und die Logistikunternehmen
  • Konzentrationsprozesse und Preisaufschläge in weiteren Branchen
    • Nahrungsmittelindustrie und Lebensmittelhandel: Inflationstreiber Nummer 1
    • Hoch konzentrierte und regulierte Dienstleistungsbereiche

Rekordgewinne dauerhaft höher besteuern

Exkurs: Kartellrechtsreform als Alternative

Autor:

Christoph Trautvetter ist Koordinator des Netzwerks Steuergerechtigkeit und Referent für die Themenbereiche Unternehmensteuern, Internationale Steuergerechtigkeit und Schattenfinanz. Zuvor hat er unter anderem für Teach First, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und im Europaparlament gearbeitet. Er hat einen Master in Public Policy von der Berliner Hertie School und einen Bachelor in Philosophy & Economics der Universität Bayreuth.