Mit der Handreichung von Florian Höllen zur linken gewerkschaftlichen Landschaft Indiens beginnt die Rosa Luxemburg Stiftung für Südasien eine Reihe unter dem Titel: »Thought Factory«. Der Reihentitel wurde bewusst Englisch gewählt, weil in der Folge sowohl deutsche, als auch englische Texte erscheinen werden. Englisch klingt modern und der Begriff wird auch im deutschsprachigen Europa sofort verstanden werden. Herkömmlich werden solche Papiere gerne ’Arbeitspapiere’ (working papers) genannt. In Deutschland ist der Terminus »Denkfabrik« inzwischen in Industrie- und Wirtschaftskreisen Mode geworden. Das könnte linke Akteure abschrecken, hier aber ins Angelsächsische versetzt – dazu noch auf dem südindischen Subkontinent verwandt, transportiert der Titel ein Flair, dass deutlich einen Arbeits- und Prozesscharakter anzeigt. Selten werden in Deutschland ‘Gedankenwelten’ und ’Fabrikation‘ zusammen gedacht – wer ‘in den Höhen des Geistes‘ schwebt, will gewöhnlich von den Mühen der Produktion nichts wissen. Wir aber fühlen uns der Arbeitswelt nahe und so ist es kein Zufall, dass wir die neue Reihe mit einem Text zu Indiens Gewerkschaften eröffnen.
In dieser Serie soll es nicht darum gehen hochwissenschaftliche – womöglich gar abgehobene, der Wirklichkeit thematisch oder sprachlich entrückte – Arbeiten zur Schau zu stellen. Stattdessen möchten wir Arbeits- und Denkergebnisse von uns, unseren Praktikanten und unserem Umfeld in kleiner Auflage und als PDF veröffentlichen, um einer notwendigerweise beschränkten Zahl an Interessierten die Möglichkeit zu bieten, unser Material zu nutzen um weiter zu forschen, denken und mit uns in einen Austauschprozess zu treten. Auf dem Gebiet der Wissenschaft gelten solche Papiere meist in gewissem Sinne als ‘vorwissenschaftlich’ – häufig tragen sie den Vermerk: „Bitte nicht ohne ausdrückliche Genehmigung des Autors zitieren“. Auch bei unseren Texten verschwimmt zuweilen und ganz bewusst die Grenze zur Wissenschaftlichkeit. Teilweise geben sie auch erzählend lebensnahe Begegnungen wieder. Dies wird beispielsweise in einer folgenden Ausgabe zum linken indischen Gewerkschaftsdachverband NTUI deutlich werden. Dass es das jüngste Mitglied des Vereins der Rosa Luxemburg Stiftung ist, das den Auftakt macht, freut mich dabei besonders. Florian Höllen (Jg. 1985), ehemaliger Stipendiat der Stiftung und langjähriges aktives Mitglied der PDS/LINKEN, hat die großartigen Freiräume und Chancen des Studiums wertvoll genutzt und 2009 ein Auslandssemester in Indiens Industriemetropole Pune absolviert. Im Vorfeld seiner Reise haben wir uns getroffen und gemeinsam überlegt, ob sein Auslandsstudium nicht auch für das kommende Südasien-Büro der Stiftung sinnvoll genutzt werden könnte – es konnte!
Florians Interesse an internationalen Fragestellungen ist ungebremst und nach einem Praktikum bei der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den internationalen Organisationen in Rom (u. a. Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), World Food Programme (WFP) ) im Jahr 2010 war er für ein weiteres Auslandssemester an der Universität Genf und am selbständigen Graduate Institute of International and Development Studies. Nach seinem Masterabschluss an der Universität Göttingen promoviert er ebendort am Centre for Modern Indian Studies zum Thema: "A Social History of Land Acquisition in 20th Century India" (Arbeitstitel). Seit April 2011 ist er einer der Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Friedens- und Internationale Politik der LINKEN.
Indiens Arbeiterklasse ist – entsprechend der Ausdehnung des Landes – riesig und an Gewerkschaften herrscht wahrlich kein Mangel. Man schätzt dass in Indien deutlich mehr als die 70.000 registrierten Einzelgewerkschaften (meist Betriebsgewerkschaften) existieren. Viele davon, bei weitem aber nicht alle, sind in einem der großen Gewerkschaftsdachverbände organisiert. Vier davon haben nicht nur eine ‘linke‘ Vergangenheit, sondern sind auch heute maßgeblich im linken Mainstream anzutreffen. Dieser Text soll zum besseren Verständnis ihrer Herkunft und Arbeitsweise beitragen.
Carsten Krinn
Regionaler Repräsentant der RLS in Südasien
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