»Wenn du ein Flüchtling bist und du stirbst, stellt niemand Fragen,
aber um anderswo leben zu können, werden dir tausende Fragen gestellt.«
Unglücks- und Todesfälle an der Grenze gehören leider zu den täglichen Erfahrungen von Migrant_innen, die einen sicheren Hafen zu erreichen suchen. Die massive Aufrüstung der europäischen Grenze zielt darauf ab, „unerwünschte“
Menschen ohne Papiere fernzuhalten und nur die Fittesten überleben zu lassen – um die Lücken in den Niedriglohnsektoren des europäischen Arbeitsmarktes aufzufüllen. In Zusammenarbeit mit nationalen Behörden erhöht und verstärkt die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX die Zäune und Mauern, die uns umgeben. Sie kontrolliert und überwacht die Grenzen und verlagert sie nach
außen, in die Anrainerstaaten Europas wie die Türkei, Marokko, Tunesien usw. So wurden Abschiebungen vertraglich geregelt und riesige Flüchtlingsinternierungslager an den Toren Europas errichtet.
Mit einer Reihe von Rückübernahmeabkommen reicht die EU-Strategie der Vorverlagerung der Grenze bis tief nach Afrika und Asien hinein. Diese Migrationspolitik, die auf Ausschluss abzielt, nimmt an Schärfe zu, aber wie ein afrikanischer Flüchtling es ausgedrückt hat: »Niemand kann den Regen stoppen!«
Solange Menschen gezwungen sind, ihre Heimatländer wegen Kriegen, Unterdrückung, Armut und Hunger zu verlassen, solange die Ungleichheit nicht
aufhört und Ausbeutung viele verarmen lässt, während nur wenige reich werden,
so lange wird es Migrant_innen geben, die in all jenen Ländern ankommen
werden, die zumindest ein klein wenig Schutz und eine geringe Hoffnung auf
eine Zukunft für die Fliehenden bieten können – manchmal in Europa, aber
hauptsächlich in den jeweiligen Nachbarländern, die am häufigsten Schutz
und Unterstützung anbieten. Ohne einen triftigen Grund setzt niemand sein
Leben aufs Spiel. Denn der Versuch, eine Vielzahl von Grenzen zu überwinden, darunter die Grenzen der Festung Europa, bedeutet genau dies: Ein gewaltiges tödliches Risiko!
Es ist ein langer Weg, der bei Tag und Nacht genommen werden muss: kilometerlange Fußmärsche in Hitze und Kälte, über Berge und Flüsse, (versteckt) in, auf und unter überfüllten LKW’s und Autos ohne Frischluftzufuhr, auf Seepassagen bei jedem Wetter, in Schiffswracks oder kleinen Schlauchbooten oder auf Fußmärschen durch Minenfelder. Das Überwinden der Grenze nach Griechenland und von Griechenland in andere europäische Länder ist nur einer von vielen Schritten. Ebenso sind die traurigen Geschichten, die wir hier erzählen, nur ein paar wenige unzähliger, von denen wir viele nie hören werden.
veröffentlicht im Dezember 2012
von Marion Bayer, Salinia Stroux, Marily Stroux, Chrissa Wilkens,
Regina Mantanika und Reimer Dohrn
Infomobil/ Welcome to Europe
Fotos: Salinia Stroux, Chrissa Wilkens, Hinrich Schultze, Marily Stroux
Grafik: Lilli Birnstingl
Übersetzung auf Deutsch: Christiane Woelky
Download: infomobile.w2eu.net
Kontakt: infomobile.w2eu@gmail.com
Gefördert durch die Rosa Luxemburg Stiftung.