Der internationale Bereich (Zentrum für internationalen Dialog und Zusammenarbeit/ZID) der Rosa-Luxemburg-Stiftung wird sich zukünftig mehr als bisher mit den politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen in muslimisch geprägten Ländern beschäftigen können. Und dies nicht nur in Kooperation mit regionalen Partnerorganisationen von der Zentrale in Berlin aus, sondern auch durch verstärkte Präsenz vor Ort.
Ein Grund dafür sind die stabilen Zuwendungen des Bundeshaushaltes für die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Aufgrund der Wahlergebnisse der Partei DIE LINKE, insbesondere bei der letzten Bundestagswahl, kann nun das weltweite Netzwerk von Regionalbüros konsolidiert und ausgebaut werden. Seit den Anfängen des Arabischen Frühlings hat es den Wunsch gegeben, neben den bereits bestehenden Stiftungsbüros in Ramallah und Tel Aviv sowie den Dependancen in Süd-, West- und Ostafrika auch ein Büro für die Region Nordafrika aufzubauen. Hausinterne finanzielle Umschichtungen ermöglichten es, dieses im Oktober 2014 in Tunis zu eröffnen.
Zusammen mit verschiedenen Kooperationspartnern vor Ort sollen von den Regionalbüros Informationen gesammelt, Analysen erstellt, Diskussionen angestoßen und Aktivitäten koordiniert werden. Grundlage dafür sind selbstverständlich die Leitlinien der Rosa-Luxemburg-Stiftung und des ZID, in denen es unter anderem heißt: «Wir handeln internationalistisch, basierend auf unseren Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen und denen unserer Partnerinnen und Partner weltweit. Solidarisch-kritischer Austausch über gemeinsame Herausforderungen wie auch über divergierende Interessen ist für uns die Grundlage von Dialog und gleichberechtigter Zusammenarbeit.» Ein offener Dialog im politischen Raum basiert für uns als linke politische Stiftung auf gemeinsamen Werten, die auch eine Mosaiklinke teilt, ja vielleicht gerade weiterentwickelt hat.
Zu den Grundlagen eines modernen, demokratischen und sozialistischen Staates gehören auch einige Errungenschaften der Französischen Revolution, so die Gewaltenteilung, die Erkenntnis und Umsetzung der Trennung von Kirche und Staat sowie die Anerkennung der individuellen Rechte, wie sie etwa in der Erklärung der Menschenrechte mit ihrer sich bis heute weiter entwickelnden universellen Bedeutung und ihrer weltweiten Anerkennung zum Ausdruck kommen. Auf dieser Basis suchen wir in der Regionen Diskussions- und Kooperationspartner.
Liberté, egalité und fraternité waren die Losungen der Französischen Revolution. Die sozialen Bedingungen und Kämpfe waren historisch immer die treibende Kraft für Veränderungen. Von Paris 1789 bis zum Mauerfall 1989 hat es in Deutschland allerdings 200 Jahre zur Umsetzung dieser Losungen gebraucht. Die demokratischen und sozialen Bewegungen, die Arbeitervereine und linken Parteien haben in dieser Zeit viele Opfer bringen müssen. Und die politischen Errungenschaften müssen auch heute immer wieder neu erstritten werden. Menschenrechte in ihrer allgemeinen und universellen Bedeutung und Akzeptanz auf Europa zu reduzieren wäre ebenso unhistorisch, wie sie durch kulturelle Unterschiede zu relativieren.
Das gilt auch in Bezug auf die historische Erkenntnis der notwendigen Trennung von Kirche und Staat für die Entwicklung demokratischer und sozialistischer Gesellschaften. Das zielt nicht auf eine bestimmte Religion und ist auch kein Spezifikum der Auseinandersetzung mit dem politischen Islam, mit der sich der vorliegende Materialien-Band beschäftigt und der eine Diskussion in der Stiftung und ihrem Umfeld weiter intensivieren soll. So veröffentlichte das Zentrum für internationalen Dialog und Zusammenarbeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung im April 2014 eine Broschüre von Alikber Alikberov und Arne C. Seifert mit dem Titel «Religion und Transformation in Zentralasien und Südkaukasus» und eröffnete hiermit die Diskussion zu diesem Thema. Einen Beitrag zu einer grundsätzlichen Diskussion liefern die beiden hier veröffentlichten, konträren Artikel zur Frage der Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit mit Akteuren des politischen Islam. Die Autoren sind Peter Schäfer, Leiter des Nordafrika-Büros der Stiftung in Tunis, und unser Stiftungsmitglied und Vertrauensdozent Werner Ruf.
Berlin, im Dezember 2014
Wilfried Telkämper, Direktor des Zentrums für internationalen Dialog und Zusammenarbeit (ZID) der Rosa-Luxemburg-Stiftung