Der Reichtum in der Gesellschaft ist gewachsen, die Ungleichheit auch, in Deutschland wie überall in den sogenannten Industrieländern. Den größten Teil des wachsenden Kuchens verleibt sich das oberste Prozent der Gesellschaft ein. Seit Ausbruch der Krise weckt dies die Empörung der unteren 99 Prozent. Die Schweiz hat nun nach einer Volksabstimmung eine gesetzliche Begrenzung von Managergehältern eingeführt. Zahlreiche Initiativen in anderen Ländern folgen diesem Beispiel. Inzwischen wird die Diskussion auch durch die Europäische Union befeuert.
Die Schärfe, mit der die Auseinandersetzung geführt wird, zeigt, dass es immer weniger Verständnis für die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich gibt. Eine stark ungleiche Einkommensverteilung gefährdet aber nicht nur den sozialen Frieden in einer Gesellschaft, sie ist auch eine Wachstumsbremse.
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund wurden mittlerweile zahlreiche Initiativen ergriffen, derartige Missstände für die Zukunft auszuschließen. Ziel dieser Regulierungen ist es in erster Linie, die Nachhaltigkeit und Stabilität der Finanzbranche zu sichern. Verteilungsgerechtigkeit spielt eine untergeordnete Rolle.
In Deutschland setzt die Einflussnahme auf die Vergütung der Vorstände von börsennotierten Aktiengesellschaften Anteilseigentum voraus. Kurzum: Die EigentümerInnen bestimmen die Vorstandsgehälter. Dies wirft wichtige Fragen auf, insbesondere die, wie sichergestellt werden kann, dass Großanleger wie Fondsgesellschaften diese Mitspracherechte nicht zum weiteren Ausbau ihrer Macht in dem ohnehin durch zahlreiche Rechtsgeschäfte verflochtenen Unternehmenssektor nutzen.
Inzwischen sind mehrere Vorschläge zur Ausgestaltung von Spitzengehältern in der Diskussion, darunter die nominale Deckelung von Einkommen durch eine Obergrenze. Dies ist jedoch ein wenig zielführender Ansatz zur Umverteilung, da er zwangsläufig Ausweichverhalten provozieren würde. Dies gilt umso mehr, wenn nur bestimmte Einkommensarten, etwa Einkommen aus nicht selbstständiger Tätigkeit, gedeckelt werden.
Eine sinnvolle Debatte um Verteilungsgerechtigkeit muss alle Formen von Einkommen einbeziehen und darf insbesondere Gewinneinkommen – aber auch die Vermögensverteilung – nicht ausblenden. Notwendig ist daher eine an Umverteilungszielen orientierte Steuerpolitik. Hohe Einkommen sollten mit höheren Grenzsteuersätzen belastet werden. So würden Reiche in einem stärkeren Maße als bisher an der Finanzierung der Staatsaufgaben beteiligt. Ansatzpunkte zu einer solchen Steuerpolitik sind die Einkommensteuer und die Vermögensteuer. Darüber hinaus ist eine zeitlich befristete Vermögensabgabe denkbar.
Doch selbst wenn die BezieherInnen hoher Einkommen so besteuert werden, dass die Ungleichheit in der Gesellschaft signifikant sinkt, haben die BezieherInnen niedriger Einkommen noch nicht zwangsläufig mehr Geld zur Verfügung. Um gesellschaftliche Ungleichheit wirksam zu vermindern, ist vor allem eine Einkommenserhöhung in den unteren Einkommensdezilen notwendig. Dazu kann die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohnes nachhaltig beitragen.
Mechthild Schrooten ist Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Bremen mit den Arbeitsschwerpunkten Internationale und Europäische Integration, Geld, Banken und Staat. Sie fungiert als Sprecherin der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, die jährlich das «Memorandum» herausgibt.