Publikation Staat / Demokratie - Parteien / Wahlanalysen Ausgewählte Ergebnisse der Repräsentativen Wahlstatistik zur Bundestagswahl 2013

Wahlbeteiligung – Wahlergebnis der LINKEN – Politische Lager mit Blick auf Piratenpartei und AfD. Analyse von Horst Kahrs.

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Online-Publ.

Erschienen

März 2014

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Die „Repräsentative Bundestagswahlstatistik 2013“ wurde gemäß Auftrag des »Gesetzes über die allgemeine und die repräsentative Wahlstatistik« (Wahlstatistikgesetz) in 2809 repräsentativ ausgewählten Wahlbezirken (von rund 90.000 Wahlbezirken) der Bundestagswahl 2013 durchgeführt. Darunter befanden sich 327 Briefwahlbezirke. Ergebnisse und methodische Hinweise sowie die Zusammensetzung der Stichprobe nach Ländern sind in den Informationen des Bundeswahlleiters, Heft 4: Wahlbeteiligung und Stimmabgabe der Männer und Frauen nach Altersgruppen veröffentlicht bzw. über die Internetseite (www.bundeswahlleiter.de) des Bundeswahlleiters abrufbar. [...]

In diesem Text werden Ergebnisse der repräsentativen Wahlstatistik zu drei Themenkomplexen zusammengetragen:

  • Wahlbeteiligung
  • Wahlergebnis der Partei DIE LINKE
  • Politische Lager und außerparlamentarische Stimmen mit besonderem Blick auf Piratenpartei und »Alternative für Deutschland« 

Die weitergehende Analyse und Kommentierung der Befunde erfolgt zurückhaltend und soll weiteren Diskussionen vorbehalten bleiben. In die Auswahl und Interpretation der Daten in diesem Text sind gleichwohl einige Hypothesen eingeflossen, die hier kurz genannt seien:

  1. Der Rückgang der Wahlbeteiligung hat neben der sozialen Seite (Stichworte:  »sozial gespaltene Demokratie«), auf die in diesem Text nicht weiter eingegangen wird, eine demografische Schieflage: Er ist bei jüngeren Wahlberechtigten weitaus stärker als bei älteren. Da die älteren Wählergruppen absolut größeres Gewicht für Erfolg und Misserfolg haben, drohen Sichtweisen, Einstellungen, Sprechweisen und Werte der jüngeren Generation an den Rand gedrängt zu werden, worauf diese mit weiterer Entfremdung gegenüber dem professionellen Politikbetrieb reagieren (können) – oder mit der Wahl neuer Parteien. Die Piratenpartei ist eine solche Partei, die bei unter 35jährigen hohe Zustimmung erhält, insgesamt aber als wieder marginalisierte Kraft erscheint.
  2. Die Parteien des »linken Lagers« - aus Sicht der Wahlbevölkerung macht es noch Sinn, davon zu sprechen - haben eine historische Niederlage erlitten. Sozialökologische Transformationsprozesse, die mehr sein wollen als Anpassungsprozesse an veränderte ökonomische Verwertungsbedingungen bzw. als eine Reformulierung von globalisierten Verwertungsstrategien, die also emanzipatorische Potentiale neuer Technologien freilegen wollen, sind ins Hintertreffen geraten. Strukturell mehrheitsfähig erscheint ein »linkes Lager« in Konfrontation mit einem »bürgerlichen Lager« nur dann wieder, wenn die Grünen nicht das Lager wechseln und gleichzeitig die Erwartungen und Einstellungen der jungen Piratenpartei-Wähler_innen positiv verarbeitet werden. Gelingt dies nicht, droht dem »linken Lager« eine schleichende thematische und personelle »Ver-Alterung«.
  3. Wie bei keiner anderen Wahl blieben 2013 gültige Stimmen außerparlamentarisch. Im Kern handelt es sich dabei um Stimmen aus verschiedenen liberalen und libertären Strömungen in der bundesdeutschen Gesellschaft, die teilweise ein Bündnis mit rechtspopulistischen und rechtsradikalen Einstellungen (und Parteiungen) eingegangen sind bzw. zugelassen haben. Diese Stimmen sind zukünftig umkämpfte Stimmen, denn: Diese Wähler_innen wollen partizipieren wollen, sie werden entweder bei entsprechenden Anpassungsleistungen von den vier etablierten Parteien angezogen oder aber sie münden in der Etablierung einer neuen bzw. alten Partei. Mehrheitlich handelt es sich dabei im Stimmen, die ihr Interesse an Themen bekundet haben, die auf politischen Themenskala eher rechts als links angesiedelt sind. Die außerparlamentarische Opposition ist bis auf weiteres eher rechts.
  4. Den augenscheinlichen Erosionsprozessen der etablierten Parteiendemokratie ist durch mehr Dialog und Partizipation, weniger Sperrklauseln und mehr direkte Demokratie usw. nicht beizukommen. Denn es handelt sich um eine tiefergehende Entfremdung zwischen professionalisierter Politik und lebensweltlichem Alltag, Alltagsbewusstsein, die bereits die Ebene der Sprache, der über Sprache vermittelten Weltsichten und Einstellungen erreicht hat. Neben der Klassenspaltung in der demokratichen Beteiligung, die bereits wieder Vorstellungen der Durchsetzung elitärer Interessen über direktdemokratische Formen nährt, handelt es sich um eine durch die mediale Aufmerksamkeitsökonomie und die digitalen Technologien vertiefte Krise des Politischen und des Demokratischen.