Wenn Wahlen etwas ändern können, ist zu wissen wichtig, wie Entscheidungen für eine Partei zustande kommen. Hierfür gibt es zwei Arten von Erklärungen.
Zum einen kann die Entscheidungsfindung bei politischen Wahlen als kognitiver Prozess beschrieben werden, bei dem Affinitäten zwischen den eigenen Einstellungen und den Versprechungen der Parteien berechnet werden. Der Wähler wählt dann die seinen politischen Überzeugungen am nächsten stehende Partei. Zum andern kann man die Entscheidungsfindung bei politischen Wahlen als einen Ausdruck der Persönlichkeit, mit anderen Worten des Charakters des Wählers beschreiben. Das bekannteste Beispiel einer solchen Beschreibung ist die Theorie von Adorno et al., nach der konservative politische Einstellungen Ausdruck eines autoritären Charakters seien.
Im Folgenden geht es um die Frage, welche der beiden Beschreibungen besser ist. Wie lässt sich besser vorhersagen, was eine Person wählen wird, wenn man um ihre Charaktereigenschaften weiß, oder um ihre politischen Überzeugungen? Dazu sollen die Ergebnisse des World Value Surveys analysiert werden, einer demoskopischen Befragung, bei der ausführlich sowohl nach Persönlichkeitseigenschaften als auch nach den politischen Einstellungen gefragt wird. Der World Value Survey ist ein Projekt, bei dem seit den 1980er Jahren etwa alle zwei Jahre Befragungen in mehr als hundert verschiedenen Ländern durchgeführt werden. Die Ergebnisse können im Internet heruntergeladen werden.
Manfred Nikita Wettler ist Professor für Kognitive Psychologie an der Kolumbianischen Nationaluniversität Bogotá und an der Universität Paderborn.