Zwei Jahre hat es gedauert, bis Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles den Referentenentwurf ihres lange angekündigten Gesetzentwurfs gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen vorlegte. Der Entwurf enttäuscht insbesondere betriebliche Interessenvertreter und Gewerkschaften. Zwar sieht der DGB in den vorgesehenen Regelungen zur Höchstüberlassung und zur gleichen Bezahlung der Leiharbeit „...einen ersten, wenn auch noch unzureichenden Schritt, um die Situation der Leiharbeitnehmer zu verbessern und den Missbrauch der Leiharbeit einzudämmen“. Dagegen kritisiert DIE LINKE, dass schlechtere Arbeitsbedingungen und systematischer Missbrauch bei Leiharbeit und Werkverträgen bestehen bleiben und durch die Große Koalition gefestigt werden.
Einer der renommiertesten Arbeitsrechtsexperten des Landes und lange beim Vorstand der IG Metall tätig legt nun mit seinem Gutachten eine umfassende Bewertung vor. Er kritisiert unter anderem massiv die im Referentenentwurf vorgesehene dauerhafte Besetzung von Stammarbeitsplätzen mit LeiharbeitnehmerInnen. Das widerspreche der überwiegenden Rechtsmeinung und Rechtsprechung. Denn bereits mit der ersten Änderung des Arbeitnehmer-Überlassungsgesetzes habe die Bundesregierung bei einer Vielzahl von Vorschriften das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht an die weiterreichende europäische Leiharbeitsrichtlinie angepasst.
Thomas Händel, MdEP und stellvertretender Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Einleitung:
Im Koalitionsvertrag ist unter anderem vereinbart, durch Änderungen beim Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) die Arbeitnehmerüberlassung auf ihre Kernfunktion als flexibles Beschäftigungsinstrument zurückzuführen, und Missbräuche beim Einsatz von Arbeitnehmern auf werk- und dienstvertraglicher Grundlage zu unterbinden. Zur Umsetzung dieser Vorgaben hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 16.11.2015 einen Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze (im Folgenden: RE) veröffentlicht. Ungeachtet dieses Entwurfs befindet sich der Gesetzentwurf des Bundesrats zur Bekämpfung des Missbrauchs von Werkverträgen und zur Verhinderung der Umgehung von arbeitsrechtlichen Verpflichtungen im Gesetzgebungsverfahren. Das Regelungsziel beider Entwürfe ist weitgehend identisch. Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen weichen dagegen zum Teil erheblich voneinander ab. Insofern ist bemerkenswert, dass die von der Bundesregierung angekündigte Stellungnahme zum Gesetzentwurf des Bundesrats bislang ausgeblieben und auch im RE nicht enthalten ist. Im Folgenden sollen die beiden Entwürfe darauf überprüft werden, ob sie den Anforderungen an eine Neuregelung der Arbeitnehmerüberlassung und sonstiger Formen der Fremdfirmenarbeit Rechnung tragen.
Inhalt:
A. Änderungen des AÜG (Art. 1 RE)
1. Defizite bei der Umsetzung der RL 2008/104/EG zur Leiharbeit; 2. Änderungen bei § 1 AÜG; 3. Neuregelung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 1 Nr. 3 RE); 4. Unwirksamkeit von Verträgen (§ 9 Nr. 1, 1a, 1b und 2 RE/Art. 1 Nr. 4 RE); 5. Fingiertes Arbeitsverhältnis zum Entleiher (§ 10 Abs. 1 bis 3 RE/ Art. 1 Nr.5 RE); 6. Rechtsfolgen bei unzulässigem Weiterverleih (§1 Abs. 1 S.3/ § 10a/ § 16 Abs. 1 Nr. 1b RE/Art. 1 Nr. 6 RE); 7. Informationspflichten des Verleihers (§ 11 Abs. 2 S. 4 RE); 8. Einsatzverbot bei Arbeitskämpfen im Entleiherbetrieb (§ 11 Abs. 5 RE/Art. 1 Nr. 7 b) RE) ; 9. Regelungen zum Arbeitnehmerüberlassungsvertrag (§ 1 Abs. 1 S. 5 und 6 und § 12 Abs. 1 S. 2 RE/ Art. 1 Nr. 1 b) ee) und Nr. 8 RE); 10. Auskunftsanspruch des Leiharbeitnehmers (§ 13 RE/Art. 1 Nr. 9 RE); 11. Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern beim Entleiher bei den Schwellenwerten von Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung ( 14 Abs. 2 S. 2 RE/Art. 1 Nr. 10 RE); 12 Ordnungswidrigkeiten (§ 16 RE/Art. 1 Nr. 11 RE); 13. Übergangsvorschrift (§ 19 RE/Art. 1 Nr. 13 RE)
B. Änderungen des BGB (§ 611a BGB RE/Art. 2 RE)
C. Änderungen des BetrVG (Art. 3 RE)
1. Informationsrechte § 80 Abs. 2 BetrVG; 2. Personalplanung und Fremdfirmeneinsatz (§ 92 Abs.1 S. 1 BetrVG RE); 3. Defizite des Referentenentwurfs
D. Änderung der SchwarzArbG und des SGB IV, Bekanntmachungserlaubnis und Inkrafttreten (Art. 4 bis 7 RE)