11. Oktober 2019 Workshop Plattformkapitalismus und die Krise der sozialen Reproduktion

Information

Veranstaltungsort

Rosa-Luxemburg-Stiftung
R. 739
Franz-Mehring-Platz 1
10243 Berlin

Zeit

11.10.2019, 10:00 - 16:30 Uhr

Themenbereiche

Arbeit / Gewerkschaften, Geschlechterverhältnisse, Digitaler Wandel, Digitalisierung der Arbeit

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Digitale Plattformen verändern nicht nur Produktionsverhältnisse, sondern auch das Feld der sozialen Reproduktion. Plattformen wie helpling.com und care.com etwa vermitteln Haushalts-, Pflege- und Betreuungsdienstleistungen und intervenieren damit in zentrale Bereiche der sozialen Reproduktion. Sie verschieben Sorgearbeit raus aus dem ‚privaten‘ Bereich familiärer Zuständigkeit. Zugleich aber wird diese zu einer bezahlten Dienstleistung für diejenigen, die es sich leisten können. Andere müssen nach neuen flexiblen Kombinationsmöglichkeiten von Lohnarbeit und unbezahlter Sorgearbeit suchen.

Doch auch andere Plattform-Typen der sogenannten Gig Economy haben einen, wenn auch eher verdeckten, Einfluss auf die Reorganisation der sozialen Reproduktion und der ihr innewohnenden vergeschlechtlichten Arbeitsteilung: So zum Beispiel Crowdwork-Plattformen, die digitale Arbeit an Menschen vor ihren heimischen Computern vermitteln. Eine neue Form der digitalen Heimarbeit, die insbesondere Menschen entgegenkommt, die zum Beispiel aufgrund von Pflegearbeit an ihr Zuhause gebunden sind. Viele Crowdworker verbinden ihre Plattformarbeit mit Sorgetätigkeiten und versuchen, zusätzliches Einkommen für sich selbst oder ihren Haushalt zu erwirtschaften – darunter nicht überraschend auch zahlreiche Frauen*. Crowdwork gewinnt also insbesondere in solchen Kontexten an Bedeutung, in denen ohnehin kein oder ein mangelhaftes öffentliches Gesundheits- oder Rentensystem existiert; wo der Abbau öffentlich finanzierter sozialer Infrastrukturen, die Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge und die Externalisierung von Sorgearbeit zunehmen – und präsentiert sich hier als ideale Lösung.

Wenn auch selten unter dieser Perspektive diskutiert, so steht der Aufstieg digitaler Plattformen also im Kontext einer multidimensionalen Krise der sozialen Reproduktion. Der Abbau staatlicher Leistungen im Bereich der sozialen Reproduktion führt an vielen Stellen einerseits dazu, dass Sorgearbeit nicht mehr vorrangig allein im Bereich familiärer Zuständigkeit verbleibt; andererseits werden die Lücken der Sorge, die im Zuge der Vermarktlichung von Care entstehen, schließlich doch prekär, schlecht bezahlt oder unbezahlt sowie überproportional von Frauen* kompensiert. Wie oben angedeutet, spielen digitale Plattformen in beiden Bewegungen eine Rolle: Sie bieten flexible und günstige Reproduktionsarbeit für Haushalte, die sich diese leisten können; oder präsentieren sich als ideale Lösung für diejenigen, die Sorgearbeit und Erwerb im Haushalt kombinieren.

Der Workshop versucht sich an einer ersten Vermessung dieses Verhältnisses. In einem ersten Schritt diskutieren wir die Krise der sozialen Reproduktion in ihren theoretischen und empirischen Dimensionen. Wie lässt sich dieser Begriff gesellschaftstheoretisch fassen und empirisch und historisch anwenden? Zweitens werfen wir einen Blick auf den Aufstieg digitaler Plattformen im Kontext der Gig Economy/Plattformökonomie. Was macht Plattformen wie Helpling oder care.com besonders und wie ist ihre Bedeutung für Arbeitsverhältnisse und die politische Ökonomie des digitalen Kapitalismus einzuschätzen? Drittens fragen wir nach den Zusammenhängen: Was lässt sich aus der Perspektive der sozialen Reproduktion über den Aufstieg digitaler Plattformen lernen? Und was sagen uns umgekehrt diese Plattformen über die Krise der sozialen Reproduktion und ihre verschiedenen Bearbeitungsformen? Abschließend beleuchten wir mögliche Gegenentwürfe zur kommerziellen Nutzung von Plattformen. Das primäre Ziel des Workshops ist der Einstieg in eine Diskussion und der Austausch über theoretische und empirische Perspektiven, mit Blick auf mögliche weitere wissenschaftliche und politische Arbeit in dem Feld.

Programm

Einstieg und Begrüßung: Moritz Altenried (Leuphana) und Julia Dück (IfG)

Theoretische Vermessung

Julia Dück (IfG): Zu Begriff und Krise der sozialen Reproduktion

Empirische Schlaglichter

Franziska Baum (ArbeitGestalten): Care Gig Work in sozialen Dienstleistungen

Lisa Bor (Tu Berlin): Helpling doesn’t help – Auslagerung von Hausarbeit über digitale Plattformen

Mira Wallis (Leuphana): Digitale Heimarbeit auf Crowdwork-Plattformen – Zu neuen Kombinationen von Lohnarbeit und Care

Alternativen und Gegenentwürfe

Jonas Pentzien und Clara Wolff (Institut für ökologische Wirtschaftsforschung): Platform Coops – Alternativen für eine gemeinwohlorientierte Plattformökonomie?

Anmeldung

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Standort

Kontakt

Julia Dück

Referentin soziale Infrastruktur und verbindende Klassenpolitik, Rosa-Luxemburg-Stiftung

Telefon: +49 30 44310 559