20. August 2023 Seminar «Die Bodenschätze des Kapitalismus: Was ist Infrastruktur?»

Das 20. Bildungsseminar in der Reihe Villa Rossa

Information

Veranstaltungsort

Villa Palagione

Zeit

20.08.2023, 10:00 - 26.08.2023, 16:00 Uhr

Themenbereiche

Globalisierung, Commons / Soziale Infrastruktur, Gesellschaftstheorie, Kapitalismusanalyse, Sozialökologischer Umbau

Zugeordnete Dateien

«Die Bodenschätze des Kapitalismus: Was ist Infrastruktur?»
Foto: Villa Palagione Centro Interculturale

 

Veranstaltungsort: Bildungszentrum Centro Interculturale Villa Palagione Loc. Palagione bei Volterra (Italien)

Zeit: 20. August 2023 bis zum 26. August 2023

Träger: Eine Veranstaltung der Rosa Luxemburg Stiftung in Zusammenarbeit mit der Stiftung GegenStand (Marburg) und dem ver.di Bildungswerk im Lande Hessen (Frankfurt)

Themenbereiche: Kapitalismusanalyse / Soziale Infrastrukturen / Infrastruktur und -politik / Geopolitik / Geschichte / Gesellschaftstheorie / Geschlechterverhältnisse / Sozialökologischer Umbau / Alltag / Grüne Infrastruktur / Infrastruktur des Militärischen / Infrastruktur als Friedenspolitik / Die Infrastruktur: ein feministischer Blick

Kosten / Teilnahmebeitrag: Auf Anfrage

Kontakt: Seminarleitung: Rainer Rilling – E-Mail: Rilling@outlook.de / Godela Linde – E-Mail: Godelalinde@gmx.de

Zum Programm:

1875 ist in Frankreich für einen ganz besonderen Schatz ein Wort erfunden worden, das aus der Verknüpfung von «infra» (Unterhalb) und «structura» (Zusammenführung) entstand. Gemeint war ein Unterbau (französisch infrastructure), der sich auf die Urbarmachung von Böden und die Beseitigung von Unterschieden durch Messung (Nivellement) im Eisenbahnbau und dann auch der Einrichtungen zur Versorgung etwa mit Wasser, Strom bzw. Energie (Heizung, Licht) und Entsorgung sowie den dazu notwendigen Leitungs-, Straßen und Schienensysteme bezog. Aus ihrer Vorgeschichte wurde dann ein frühes und flottes Kleinkind des Kapitalismus.

Es ging um die Schaffung von Zugängen zu materiellen Dingen und Ressourcen des Alltags und ihre Nutzung. Infrastrukturen stehen letztlich für die Bedingungen des alltäglichen Lebens, also um Wasser, Rohstoffe, Sand, Beton, Metall, Rohre, Kanäle, Netze, Luft, Räume, Energie, Strom, Treibstoff, Heizung, Ernährung, Lebensmittel, Bauten, Wohnen, Straßen, Brücken, Transport, Mobilität oder Entsorgung, aber auch um ausgreifende nicht-materielle Bereiche wie Sorge, Bildung, Gesundheit, Kommunikation oder Kultur als kollektive Güter oder Dienstleistungen.

Diese vielfältigen Elemente und Beziehungen der «Lebensadern unserer Gesellschaft» (van Laak) werden erfunden, hergestellt, arrangiert, beständig oder auch zerstört, neu gemacht, also repariert, weiterentwickelt oder überholt, dann ersetzt, historisiert, sie verschwanden und wurden vergessen. Doch mittlerweile wurden sie europäisch, international, global.

Derlei Bodenschätze, diese Infrastrukturen also galten und gelten vielfach weiterhin als fremde, bloß technische, langweilige, gewöhnliche, normale, oft unsichtbare, graue, dauerhafte und daher selbstverständliche Dinge, die nur dann plötzlich zur Geltung kommen, wenn sie in Krisen, Katastrophen oder Kriegen ihre Wirkung, Konnektivität, Funktion und womöglich sogar auch noch Profitabilität verlieren. Dann werden sie plötzlich relevant und ihre vielfältige Schlüsselrolle im Alltag wurde sichtbar. Infrastrukturen gibt es heutzutage immer und überall, so bemühte sich zum Beispiel das knapp 16seitige Beschlusspapier der Ampel von Ende März 2023 («Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung») gleich 44mal um den Begriff.

Infrastrukturen sind ausgreifend und ihre private und öffentliche Wirkungsmacht existiert von Peripherien bis in global operierende Zentren, die – wie gegenwärtig – sich zu planetar konkurrierende oder kooperierende Machtblöcke ausbilden. Gegenwärtig sind Infrastrukturen somit zwar gleichsam allgegenwärtig, aber ihre jeweilige Bedeutung ist oft völlig unklar, Charakter, Format, Reichweite, Zwecke oder Konflikte sind häufig diffus. Mehr noch: etwas als Infrastruktur zu etikettieren und dadurch erfolgreich ins mediale oder politische Spiel zu bringen ist oftmals Garant für Bedeutung, Spielräume, Optionen, Macht.

Bei der diesjährigen «Villa Rossa» wird eine Reihe von Themen diskutiert wie:

  • Infrastruktur als «Bodenschätze des Kapitalismus» – technische und versorgende Infrastrukturpolitiken und ihre Akteure und Konflikte
  • Unvollendet: Die Entdeckung der grünen Infrastruktur
  • Die Entstehung, Geschichte und Praxis der Infrastrukturen des Militärischen und:
  • Infrastrukturpolitik als Friedenspolitik?
  • Chinas Belt and Road-Initiative: Infrastruktur als Geopolitik?
  • Infrastruktur der Villa Palagione. Infrastruktur verstehen vor Ort.
  • Politische Konflikte um Infrastruktur in Italien
  • Die Infrastruktur – ein weiblicher Blick
  • Beton. Massenkonstruktionswaffe des Kapitalismus)
  • Ökologischen Transformation und gewerkschaftliche Interessenpolitik in der «neuen Welt imperialer Geopolitik»

Mit: Hans-Jürgen Bieling, Günther Bachmann, Jürgen Scheffran, Felix Wemheuer, Meiting Zhu, Andrea Theiß, Godela Linde, Silke Nötzel, Marianne Kolter, Hans-Jürgen Urban, Jürgen Bönig u.a.. Erfahrungsgemäß ist die Tagung rasch ausgebucht. Wir bemühen uns darum, dass die Veranstaltung wie in den Vorjahren als Bildungsurlaub anerkannt wird. Wer an einer Teilnahme interessiert ist, möge ausschließlich per Mail Godela Linde (Mail: godelalinde@gmx.de) oder Rainer Rilling (Mail: rilling@outlook.de) kontaktieren.

 

Kontakt

Prof. Dr. Rainer Rilling

Fellow, Rosa-Luxemburg-Stiftung