Im September 1970 gewann Salvador Allende an der Spitze des linken Parteienbündnisses Unidad Popular die Präsidentschaftswahlen in Chile. Der knappe Sieg an den Urnen ebnete den Weg für ein einzigartiges Projekt: ein gerechteres Chile mit Hilfe eines demokratischen Sozialismus aufzubauen. Dieser „chilenische Weg“ – eine friedliche Revolution auf Grundlage der Verfassung, schrittweise Landreformen, Verstaatlichung der Wirtschaft und eine umfassende Veränderung der politischen Kultur – löste eine Welle internationaler Solidarität aus, auch hier in Deutschland. Rund 1.000 Tage währte der Versuch, eine Gesellschaft voller Unterschiede tiefgreifend zu verändern, bis ein von den USA unterstützter Militärputsch am 11. September 1973 dem Experiment ein jähes Ende setzte.
Der Putsch, der sich dieses Jahr zum 50. Mal jährt, führte in eine 17-jährige Militärdiktatur, deren repressive neoliberale Umstrukturierung Chile bis heute prägt. Wir blicken zurück und fragen zugleich, wie die Ereignisse damals die Verhältnisse von heute beeinflussen. Die sozialen Proteste, die im Oktober 2019 ganz Chile ergriffen haben, und der darauffolgende Verfassungsprozess zeigen einerseits, dass die Erinnerung an die Utopie der Allende-Jahre noch lebendig ist, andererseits, wie stark das neoliberale Denken und die Verfassung der Diktatur beständige Realitäten geschaffen haben. Wie damals scheint die Hoffnung in Chile mit dem Ausgang des Referendums und der rechten Mehrheit im neuen Verfassungskonvent auch heute wieder enttäuscht zu werden. Darüber und über die Schlüsse, die sie aus ihren verschiedenen Perspektiven für das Heute und Morgen sozialer Kämpfe ziehen, wollen wir mit unseren Gästen sprechen.
Gäste:
- José Giribás Marambio war beim Militärputsch Fabrikarbeiter in Santiago de Chile, musste wegen seiner Sympathie für die Allende-Regierung 1973 das Land verlassen und emigrierte nach West-Berlin, wo er zum Fotografen wurde. Am 7.9. wird eine von Giribás kuratierte Chile-Ausstellung im Willy-Brandt-Haus in Berlin eröffnet.
- Carolina Vilches gehört zur Umweltschutzgruppe Modatima (Movimiento de Defensa por el Acceso al Agua, la Tierra y la Protección del Medioambiente). Die Aktivistin Vilches war gewähltes Mitglied der ersten verfassungsgebenden Versammlung, deren Entwurf für eine neue progressive Verfassung im September 2022 von einer Mehrheit der Chilen:innen abgelehnt wurde.
- Lidia Yáñez ist in der Feministischen Koordination des 8. März (CF8M) im Komitee für feministische Erinnerungsarbeit und Menschenrechte. Sie war aktiv im feministischen Generalstreik und forscht derzeit zur Beziehung zwischen Erinnerung, sozialen Bewegungen und Repression.
- Moderiert wird die Veranstaltung von Bernd Pickert, Lateinamerika-Redakteur der taz.
Eintritt frei. Spenden erbeten.
Die Veranstaltung in der Kantine wird live auf YouTube gestreamt.
Eine Kooperationsveranstaltung mit der taz panter Stiftung und der Stiftung Umverteilen!
Livestream
Standort
Kontakt
Caroline Kim
Referentin Lateinamerika/Projektmanagerin Anden, Rosa-Luxemburg-Stiftung
E-Mail: caroline.kim@rosalux.org
Telefon: +49 30 44310 442