Nach dem 9. Oktober 2019, dem Anschlag auf die Synagoge und den KiezDöner in Halle (Saale) haben Jüdinnen*Juden um Sichtbarkeit gekämpft. Etliche (junge) jüdische Stimmen traten in die Öffentlichkeit, um auf ihre Lebenswirklichkeit aufmerksam zu machen, um auf die Bedrohung durch den immer offener und gewaltvoller zutage tretenden Antisemitismus aufmerksam zu machen. Dabei richtete man die Kritik auch am staatlichen (Nicht-)Handeln aus. Gerade im Kontext des 9. Oktobers wurden Missstände des noch recht jungen Phänomens staatlicher Antisemitismusbekämpfung offensichtlich. Die Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 und die offene Drohung gegen Jüdinnen*Juden weltweit hat diese Entwicklung zum Teil umgekehrt. Die Gefahr, die mit Sichtbarkeit verbunden war, steigerte sich noch einmal. Viele Jüdinnen*Juden mühten sich nun um Unsichtbarkeit. Neben der Gefahr durch die extreme Rechte und ihren parlamentarischen Arm, der Umfrage- und Wahlerfolge erzielte, rückte nun auch noch einmal der Antisemitismus in der politischen Linken in den Fokus. Die Fakten sprachen eine eindeutige Sprache: Antisemitismus ist eine deutsche Kontinuität und ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Doch politischen Debatten fehlte es häufig an dieser Klarheit, Antisemitismus wurde oft als Problem bestimmter Gruppen erklärt. Kann Antisemitismusforschung und -kritik hier weiterhelfen? Kann sie die Komplexität erklären? Diesen Fragen nähert sich Monty Ott, politischer Schriftsteller und Politik- und Religionswissenschaftler, in seinem Vortrag an.
Zur Person:
Monty Ott ist politischer Schriftsteller sowie Politik- und Religionswissenschaftler. Er publiziert regelmäßig zu tagespolitischen Themen und beschäftigt sich in seinen Beiträgen mit Antisemitismus, Erinnerungskultur, Intersektionalität und Queerness. Seit über einem Jahrzehnt engagiert er sich in der antisemitismuskritischen Bildungsarbeit. Anfang 2023 ist sein gemeinsam mit Ruben Gerczikow verfasster Reportageband »›Wir lassen uns nicht unterkriegen‹ – Junge jüdische Politik in Deutschland« erschienen.
Zur Lecture Series:
Die ab 2024 jährlich vom Förderverein für Interdisziplinäre Antisemitismusforschung Trier e.V. und der Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung (IIA) organisierte „Moishe Postone Lecture“ möchte in der Tradition des Namensgebers Plattform für Positionen, Debattenbeiträge und Forschungsergebnisse sein, die zugleich gesellschafts- wie antisemitismuskritisch ausgerichtet sind. Die Vorträge sollen damit einer kritischen Antisemitismusforschung Raum geben, die über den akademischen Diskurs hinaus gesellschaftspolitisch interveniert. Im Rahmenprogramm des Vortrags werden zudem die Arbeit der IIA des letzten Jahres sowie ihre anstehenden Projekte vorgestellt. Über die eingeladenen Referent:innen für die jährlichen Vorträge entscheidet die Mitgliedschaft des Fördervereins. Bei Interesse an einer Mitgliedschaft, die direkt die Arbeit der IIA unterstützt, wenden Sie sich an iia@uni-trier.de.
Livestream-Link:
https://www.youtube.com/watch?v=cudb6UmuUeE