"Revolution": Kaum ein Begriff hat die soziale, politische und intellektuelle Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts so geprägt wie dieser. Mit der "Französischen" und "Industriellen Revolution" sowie den "(natur)wissenschaftlichen" Revolutionen und den künstlerischen Avantgarden seit Ende des 19. Jahrhunderts war der Revolutionsbegriff nicht mehr aus den sozialen Auseinandersetzungen und dem intellektuellen Bewusstsein wegzudenken. "Revolution" wurde im Sinne eines radikalen Bruchs mit dem Alten und der explosiven Schöpfung neuer Welten einerseits als die emanzipierende bzw. innovative Praxis betrachtet. Andererseits und konträr dazu wurde seit dem frühen 19. Jahrhundert das Bild der sozialen Revolution als Prozess sinnloser Zerstörung, als Auflösung aller Ordnung, als Beginn gesellschaftlichen Niedergangs gezeichnet.Mit der Welle "revolutionärer" Ablösungen der staatssozialistischen Herrschaftsregime in Mittel- und Osteuropa 1988-1990 wurde laut neo-konservativen und neo-liberalen, ja selbst bestimmten links-liberalen Kreisen die Epoche politischer bzw. sozialer Revolutionen weltgeschichtlich abgeschlossen. Weder in der "Dritten Welt" noch im saturierten und demokratischen Westen seien heute Revolutionen im klassischen Sinne denkbar und schon gar nicht erfolgreich zu realisieren. Von dieser "De-Revolutionierung" müsse freilich die Sphäre wissenschaftlicher und technologischer Revolutionen ausgenommen werden, die fortfahren, unsere "natürliche" und soziale Welt umzukrempeln. Ein bisher wenig beachtetes "linkes" Pendant zu diesem Diskurs scheint in Konzepten vorzuliegen, die Revolutionen primär oder ausschließlich in das "Reich der Zeichen" verbannen und sich damit ebenfalls von der Idee klassischer politischer bzw. sozialer Revolutionen zu verabschieden scheinen.
will sich diesen Brüchen, Ambivalenzen, Widersprüchen und neuen Anstößen in der wissenschaftlichen und politisch-praktischen Diskussion stellen. Dabei sollen Perspektiven sozialer, politischer und kultureller Revolutionierungen im 21. Jahrhundert im Zentrum stehen.
Was zeichnet revolutionäre Handlung gegenüber anderen Praxisformen aus? Was können Voraussetzungen, Subjekte bzw. Akteure und (nicht-intendierte) Ergebnisse revolutionärer Praxis bzw. der Revolutionierung ganzer Gesellschaften sein? Wo liegen mögliche Schwerpunkte revolutionären Handelns im 21. Jahrhundert? In welche Diskursformationen finden sich Revolutionen eingebettet bzw. welche begründen sie mit? Wo liegen ihre Traditionen, Mobilisierungspotentiale und Fluchtpunkte?
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Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Institut für Soziologie,
Prof. Dr. R. Kollmorgen
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e-mail: Raj.Kollmorgen@GSE-W.Uni-Magdeburg.de
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