Horst Dietzels Bilder zeigen Menschen in einer unübersichtlichen Welt und einem abstrakt gehaltenen Umfeld. Sie streben nach «oben», stehen vor dem Absturz oder sind schon gefallen, befinden sich im Spannungsfeld von Ideal und Wirklichkeit. Es sind immer wieder die gleichen Figuren, die jeweils in einem anderen Umfeld in anderer Weise agieren.
Am Donnerstag, den 16. Oktober fand im Salon der Rosa-Luxemburg-Stiftung die Ausstellungsstellungseröffnung «Zwiespältig» statt. Die Arbeiten des Berliner Künstlers Horst Dietzel werden bis Samstag, den 15. November vor den Seminarräumen im 1. Stock der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin zu sehen sein.
Horst Dietzel wurde 1943 in Eisenach/Thüringen geboren. Nach dem Abitur studierte er in den 1960er Jahren Kunsterziehung und Geschichte an der Humboldt-Universität Berlin. Seitdem wohnt er im Stadtbezirk Prenzlauer Berg. Er arbeitete in der Zukunftskommission der Stiftung mit. Er gehört dem Gesprächskreis Parteien und soziale Bewegung an. Bereits 2003 stellte Dietzel in der Rosa-Luxemburg-Stiftung aus. Damals präsentierte er seine Bilder zu «Hanns-Eisler op.8».
Dr. Effi Böhlke begrüßte die Gäste der Vernissage im Namen der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Jazz-Posaunist Johannes Bauer begleitete die Veranstaltung musikalisch. Am Rande der Ausstellungseröffnung sprach Ulrike Hempel mit dem Maler Horst Dietzel:
Was bedeutet es Ihnen, heute hier eine Ausstellung in der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu eröffnen?
Ja, es bedeutet zweierlei: Zum Ersten ist es ein bekannter Ort für mich, an dem ich vor allem viel diskutiert habe und einiges veröffentlicht habe. Und das Zweite ist, dass ich hier eben auch mit meiner Kunst mal auftreten kann, nicht nur schriftlich. Das ist eine völlig andere Art, die ich aber schon sehr lange betreibe. Hier in den Seminarräumen erwarte ich dann auch, dass bei den nächsten Gesprächskreisen und ähnlichen Veranstaltungen die Bilder auch entsprechend betrachtet werden.
Was erwartet denn den Besucher oder die Besucherin, die zu Seminaren gehen?
Ja, ich hoffe vor allem, wenn jetzt mal eine Pause ist, Zeit zwischen den Veranstaltungen ist, dass sich die Leute überhaupt einlassen: Sich genauer mal mit einem oder zwei Bildern befassen und nicht daran nur vorbeigehen. Und wenn sie gucken, dann doch die eine oder andere Intuition bekommen, was könnten die Bilder aussagen. Und auch etwas Nachdenkliches mitnehmen.
Die Ausstellung heißt «Zwiespältig»?
Zwiespältig heißt für mich vor allem bei diesen Bildern, dass das Leben eben nicht so gradlinig verläuft, sondern, dass viel Aufwärts dabei ist, aber auch Abwärts. Und, dass man sowohl das Eine wie das Andere gut bewältigt. Einerseits nicht überheblich wird und andererseits auch Tiefen gut durchschreiten kann. Zwiespältig ist eben das Eine und das Andere.
Hat Ihnen persönlich das Malen geholfen, die Zwiespältigkeit des Lebens nicht zu bewältigen, aber besser zu durchschreiten?
Auf jeden Fall. Das macht viel aus, wenn man sich zurückziehen kann ins Atelier und dann mit sich alleine ist, aber dann versucht einiges zu schaffen. Man muss nicht immer an große Dinge denken dabei, aber es gibt eine gewisse Ausgeglichenheit und auch Zufriedenheit. Andererseits auch die ein oder andere Schwierigkeit, wenn man nicht zufrieden ist. Aber, wenn man nach ein, zwei Tagen oder drei, vier Wochen nochmal an so ein Bild geht, entdeckt man, dass man es doch noch zu einem guten Ende führen kann.
Wie lange haben Sie denn an diesen Bildern, die jetzt hier ausgestellt werden, gearbeitet?
Das ist sehr unterschiedlich. Einige habe ich angefangen und dann liegenlassen und dann nochmal nach einem Jahr oder einem halben Jahr dran gearbeitet, wie bei den kleineren Arbeiten. Bei den größeren kommt es drauf an. Man legt so ein Bild einem Tag an – also ich mache das so – und dann am nächsten Tag oder am übernächsten Tag versuche ich, daran weiter zu arbeiten, so dass es im Verlaufe von ein, zwei Tagen oder auch einer Woche fertig ist.
Sie haben vorhin in der Einführung der Vernissage gesagt, dass Sie auch mit Vogelsand gearbeitet haben?
Naja, es sind vor allem Acrylfarben und wenn man dann einen bestimmten Effekt erzielen will, nimmt man entweder Erde oder eben Vogelsand dazu. Es gibt auch fertige Pasten, die sind nur wesentlich teurer. Und dann kriegt man so einen körnigen Charakter in den Bildern. Bei manchen Bildern ist das so gewollt und auch so gekommen. Damit war ich dann auch relativ zufrieden. Ansonsten mache ich sehr gern Collagen. Ich habe eine ganze Sammlung von Schnipseln von verschiedenen Papieren zu Hause, die ich dann je nach dem, was zum Bild passt, auch einsetze. Das sind farbige Schnipsel, es sind zerschnittene Papierbilder, die dann schon von vornherein einen gewissen Reiz haben. Das sieht man ja auch recht deutlich. Und zum Teil auch Papiere, die ein bisschen durchscheinen … Also, so ein Wechselspiel. Aber das sind jahrelange Erfahrungen, mit diesen verschiedenen Materialien zu arbeiten. Das kann man nicht so einfach von heute auf morgen machen.
Sie sind in Thüringen geboren, leben aber schon seit vielen Jahren in Berlin: Was bedeutet Ihnen denn der Prenzlauer Berg?
Das ist meine Heimat, seitdem ich mit 18 Jahren nach Berlin gekommen bin, am 13. August 1961, frühmorgens wollte ich Friedrichstraße nach Potsdam zu meinen Onkel. Das ging dann nicht mehr … Ja, dann habe ich ein Jahr als Küchentransportarbeiter an der Humboldt-Uni gearbeitet, gleichzeitig war ich schon vorematrikuliert. Die Uni hatte damals Probleme mit Arbeitskräften. Und dann mit dem Beginn des Studiums, also ein Jahr später, seitdem wohne ich im Prenzlauer Berg. Erst im Hinterhaus, ich hab‘ da alles durch. Das hat ein wunderbares Fluidum gehabt. Diese Hinterhöfe im Prenzlauer Berg! Dieses Morbide, was ja jetzt verteufelt wird. Aber es hat auch, vom künstlerischen Standpunkt her, seinen Reiz.
Heute ist das anders. Ich habe ja viele Berlin-Bilder gemalt, vor allem Prenzlauer Berg. Nach der Wende, die ersten waren noch grau, dann habe ich zunehmend Farbigkeit in die Bilder gebracht, entsprechend der Realität. Das ist weiterhin ein Strang meiner Arbeit, die Bilder Prenzlauer Berg und Berlin.
Die Menschen, die ich auf Ihren Bildern gesehen habe, sehen aber sehr verloren aus …
Ja, die sind verloren, aber das ist hier bewusst so gemacht. Das sind keine direkten Prenzlauer-Berg-Bilder. Das Milieu im Prenzlauer Berg ist ja sehr verschieden und hat sich so gewandelt. Ich habe auch viele Bilder gemacht, schon vor zehn, fünfzehn Jahren mit diesen Café-Szenen und den Schirmen und das Bunte und Farbige …Davon sind jetzt hier nur zwei zu sehen und auch sehr abstrakt gehalten. Aber es gibt auch welche, wo man konkret sieht, wo man ist. Dieses Fluidum gab es ja früher so auf den Straßen nicht. Außerdem sind das heute viele junge Mütter, die dann tagsüber da sitzen und viele, die zugezogen sind in meiner Gegend. Wir sind nur noch wenige Altmieter.
Vielen Dank für das Gespräch.