Dokumentation Vom Willen zu überleben

Alicja Gawlikowska über ihr Buch «Ich habe nie eine Heldin aus mir gemacht»

Information

Veranstaltungsort

Rosa-Luxemburg-Stiftung
Franz-Mehring-Platz 1
10243 Berlin

Zeit

04.05.2017

Veranstalter

Johanna Bussemer,

Mit

Alicja Gawlikowska, Insa Eschebach, Andrea Genest

Was muss ein Buch, fast 70 Jahre nach Befreiung des Konzentrationslagers Ravensbrück veröffentlicht, Neues über diese Zeit erzählen, wenn Insa Eschebach, Leiterin der heutigen KZ-Gedenkstätte, resümiert, dieser Band sei «sehr wichtig» für die Sozialgeschichte von Ravensbrück. Sie, die beruflich sehr viel Erinnerungsliteratur lese, fühle sich geradezu bezaubert vom Erzählton des Werkes, der an den des Schriftstellers Imre Kertesz heranreiche. Dagmar Enkelmann, Vorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung, ergänzte, dass das Buch nicht nur über die Mühen und Entbehrungen im KZ berichte, sondern auch über die kleinen Freuden und den Zusammenhalt der Insassinnen.

Jede dritte Frau, die im KZ Ravensbrück eingesperrt worden war, ist aus Polen dorthin verschleppt worden, erinnerte Enkelmann. Die Frauen mussten unter grausamen Bedingungen leben und Zwangsarbeit leisten, unter anderem für Siemens. Sie erlitten medizinische Experimente, Folter und Hinrichtungen. Dafür ist, kritisiert die RLS-Vorsitzende, nach dem Krieg nur ein Teil der Täter tatsächlich juristisch zur Verantwortung gezogen worden.

Das Werk, dem Enkelmanns wie Eschebachs Begeisterung gilt, war bereits 2014 in Polen erschienen und wurde nun unter dem Titel «Ich habe nie eine Heldin aus mir gemacht» im Metropol-Verlag in deutscher Übersetzung veröffentlicht. Am 4. Mai wurde es im Salon der Rosa-Luxemburg-Stiftung durch Alicija Gawlikowska, Insa Eschebach und die Politologin Andrea Genest, moderiert von Johanna Bussemer (Leiterin des Europareferats der RLS) mehr als 70 interessierten Gästen vorgestellt.

In Warschau als Widerstands-Aktivistin gefangengenommen, wurde Alicja Gawlikowska ein halbes Jahr später 1941 ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. In ihrem Buch erzählt die hochbetagte, aber hellwache Gawlikowska im Gespräch mit dem Journalisten Dariusz Zaborek von ihrem Leben, schildert ihr Engagement in der Polnischen Heimatarmee im besetzten Warschau, ihre Erfahrungen im Konzentrationslager und ihr Leben als Ärztin im späteren Polen.

Bei der Vorstellung des Buchs im RLS-Salon betonte Gawlikowska, dass es ihr darum gehe, auch die Erinnerung an die menschlichen Situationen wachzuhalten, an die überlebenswichtige gegenseitige Hilfe, die es im Lager unter den Frauen gegeben habe, nicht nur zwischen den Polinnen, sondern auch zu deutschen Frauen, Österreicherinnen, Französinnen und vielen anderen. Dieser starke Wille, der Nachwelt Zeugnis abzulegen, bewegt sie auch dazu, trotz ihres hohen Alters weiterhin über ihre Erfahrungen zu berichten – insbesondere auch als Zeitzeugin im Gespräch mit Schülerinnen und Schülern. So beantwortete sie auch bei der Buchvorstellung zahlreiche interessierte Fragen von Kindern und Jugendlichen zu ihrem Leben. 

Im rbb Kulturradio wurde das Buch von Alicja Gawlikowska «Ich habe nie eine Heldin aus mir gemacht» vorgestellt.