Dokumentation Zehn Jahre nach dem Putsch: Unangefochtene Militärherrschaft in Ägypten?

Podiumsdiskussion zum 10. Jahrestag von Präsident al-Sisis Militärputsch

Information

Zeit

05.07.2023

Themenbereiche

Partizipation / Bürgerrechte, Krieg / Frieden, Nordafrika

Am 3. Juli 2013 putschte sich Ägyptens Militär unter dem damaligen Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisi zurück an die Macht und bereitete damit der intensiven, aber kurzen demokratischen Übergangsphase nach der ägyptischen Revolution von 2011 ein jähes und blutiges Ende. Der demokratisch gewählte, aber in anti-revolutionärer Manier regierende Präsident Mohamed Mursi wurde entmachtet und verhaftet, und eine von der Armee kontrollierte Marionettenregierung installiert.

Geschickt hatte sich das neu formierte alte Regime die dem Militärputsch vorangegangenen Massenproteste gegen Mursi zu nutzen gemacht, sich als Retter des Landes in Szene gesetzt und in Eiltempo die alten Herrschaftsverhältnisse restauriert. Nachdem der Militär- und Polizeiapparat im Sommer 2013 mit Gewalt gegen Mursis islamistische Kräfte vorgegangen war und ein Massaker nach dem anderen in Kairos Straßen verübt hatte, ließ das al-Sisi-Regime in kürzester Zeit Demonstrationen in Ägypten verbieten und geht seither mit eiserner Faust gegen jedwede Form von Dissidenz in und außerhalb des Landes vor.

Ägyptens linke, liberale und islamistische Opposition ist heute demoralisiert, inhaftiert oder ins Exil geflohen. Während zehntausende Menschen aus politischen Gründen in ägyptischen Gefängnissen sitzen, werden Meinungs-, Presse-, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit seit 2013 systematisch und in einer Intensität unterdrückt wie niemals zuvor. Ägypten lässt sich derweil auch aus explizitem Eigeninteresse seit 2016 als Vorposten Europas in der Migrationsabwehr einspannen, Flüchtende zu tausenden verhaften und abschieben und profitiert dabei von milliardenschweren Rüstungslieferungen aus dem Westen und polizeilichen Ausrüstungshilfen und Trainings aus Deutschland, Italien oder Frankreich.

Im Rahmen der Podiumsdiskussion möchten wir Bilanz über die jüngsten Entwicklungen im Land ziehen und einen Ausblick wagen. Diskutieren möchten wir mit:

  • Sanaa Seif, ägyptisch-britische Filmemacherin, Aktivistin und Schwester des seit 2013 fast durchgängig in Ägypten inhaftierten Bloggers und Revolutionärs Alaa Abdel Fattah. Seif, ihre Familie und ägyptische Oppositionelle hatten rund um die COP27 2022 in Scharm el-Scheich mit massiver Öffentlichkeitsarbeit versucht, das Sisi-Regime zur Freilassung Abdel Fattahs zu bewegen – bisher vergeblich. Seif war unter al-Sisis Regime drei mal inhaftiert, zuletzt 2020 bis 2021.
  • Hossam Hamalawy, ägyptischer Journalist und Aktivist. Er lebt derzeit in Berlin, war an der Arbeiter*innenbewegung in Ägypten beteiligt und einer der Organisatoren der Revolution 2011. Er hat kürzlich seine Doktorarbeit über die Rolle von Ägyptens Sicherheitsbehörden nach dem Putsch von 2013 fertig gestellt. Über die politischen Entwicklungen seit dem Putsch hat er vor kurzem eine ausführliche Analyse veröffentlicht.
  • Muhammad al-Kashef, Menschenrechtsanwalt und politischer Berater mit einem Fokus auf Migrationspolitik und Grenzkontrolle. Er ist Mitglied von Migreurop und Watch-The-Med und Mitbegründer des Refugee Solidarity Movements in Ägypten und zudem involviert in verschiedene Graswurzelbewegungen.

Moderation: Sofian Philip Naceur, ehemaliger freier Ägypten-Korrespondent und Journalist und seit 2021 Mitarbeiter des Nordafrikabüros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tunis, Tunesien.

Die Veranstaltung findet auf Englisch statt und wird in Kooperation mit medico international organisiert.

Ten Years after the Coup: Uncontested Military Rule in Egypt?

Dauer

1:07:46