Frauenaufbruch – Feministischer Aufbruch

Am 16. November 1989 beschloss der Bundesvorstand des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD) eine «grundlegende Erneuerung des DFD und eine Rückkehr zu den parteineutralen Wurzeln».

Beitrag von Ursula Schröter

Am 3. März 1990 einigten sich die 660 Delegierten eines außerordentlichen Bundeskongresses nach kontroversen Debatten auf Erhalt der Organisation, gleichzeitig auf neue Arbeitsinhalte und neue Arbeitsformen. Das bedeutete u. a.: Umstellung auf ehrenamtliche Arbeit und Entlassung aller Hauptamtlichen, Gründung von Landesverbänden bereits im Juni/Juli, Kampf um Finanzierung der 186 Frauenzentren, nicht zuletzt Auseinandersetzungen mit der Treuhandanstalt. Erst seit dem 17. September 1992 durfte sich der dfb e. V. als handlungsfrei und schuldenfrei bezeichnen. Vorausgegangen waren zähe juristische Kämpfe und schließlich am 17. Mai 1992 die entscheidende Verhandlung, während der mehr als 400 dfb-Frauen aus allen neuen Bundesländern das Gerichtsgebäude besetzt hielten.

1993 wurde der dfb e.V. Mitglied im Deutschen Frauenrat. Seine Vorsitzende wurde Präsidentin der Europäischen Frauenlobby. Er gründete ein juristisch selbständiges Sozialwerk, beteiligte sich im Sommer 1995 am NGO-Forum der IV. Weltfrauenkonferenz in Peking und schrieb seitdem mit an den Alternativberichten zur staatlichen CEDAW-Berichterstattung an die UNO.

Die Frauenorganisation war 1947 aus den antifaschistischen Frauenausschüssen aller Besatzungszonen hervorgegangen und gehörte seit 1948 zur heute noch bestehenden IDFF (Internationale Demokratische Frauenföderation). In der BRD wurde sie 1957 verboten (mit damals 28.000 Mitgliedern). In der DDR gab sie – ebenso wie die anderen Massenorganisationen – 1964 die ursprünglich postulierte Parteienunabhängigkeit per Statut auf.

Im kämpferischen Herbst 1989 genoss die Organisation bei den meist jungen „Frauenbewegten“ wenig Sympathien. Auf der Demo am 4. November waren die drei Buchstaben mit „Dienstbar – Folgsam – Dumpf“ übersetzt worden, dazu der unmissverständliche Hinweis: Schluss mit DFD. Es hieß, die Frauenorganisation hätte damit die Quittung für jahrelanges Kochen und Stricken erhalten. In der taz vom 2. Dezember war von weiblichen Wendehälsen die Rede, die den Aufbruch nicht verpassen wollen. In den Debatten auf dem legendären Frauentreffen in der Berliner Volksbühne am 3. Dezember kam der DFD jedenfalls schlecht weg. Hier beschlossen die mehr als 1200 Frauen die Gründung eines Unabhängigen Frauenverbandes – der dann auch bis 1998 bestand.    

Das Manifest der „unabhängigen“ Frauen jedoch fand auch im DFD Zustimmung, einschließlich des Aufrufes „Wider Vereinigung“. Als sich herausstellte, dass dieser Aufruf keine Chance hatte – Hans-Dietrich Genscher überbrachte bekanntlich schon zwei Tage nach dem kraftvollen Volksbühne-Treffen Michail S. Gorbatschow den Zehn-Punkte-Plan Kohls – orientierte der DFD auf einen vor allem in Ostdeutschland wirksamen Frauenverein auf der Basis des Grundgesetzes.

Ergänzende Literatur:

- Anne Hampele, Der Unabhängige Frauenverband, In: Helmut Müller-Enbergs, Marianne Schulz, Jan Wielgohs (Hrsg.) Von der Illegalität ins Parlament. Werdegang und Konzepte der neuen Bürgerbewegungen, Ch. Links Verlag Berlin 1991

- Gabriele Lindner, Öffentlichkeitsreaktionen auf die Arbeit des Zentralen Rundes Tisches der DDR. Eine Nichtzulassung: der DFD, ungedruckt (Manuskript in den Händen der Autorin), 1993

- Marion Herrmann, Demokratischer Frauenbund e.V., Vorstellungen und Betätigung zur demokratischen Bewältigung politischer Konflikte im deutschen Einigungsprozess, Analyse: Mai 1995, Forschungsstelle für historische und sozialwissenschaftliche Studien des Unabhängigen Instituts für Friedens- und Konfliktforschung (UIFK), Berlin 1995

- Eva Rohmann, Wendezeiten – Zeitenwende. Vom DFD zum dfb. Eine Dokumentation – das Jahr der Wende, trafo Verlag Berlin 1995

Barbara Koelges, Der Demokratische Frauenbund. Von der DDR-Massenorganisation zum modernen politischen Frauenverband, Westdeutscher Verlag Wiesbaden 2001

- Ursula Schröter und Eva Rohmann, Demokratischer Frauenbund Deutschlands, in: Die Parteien und Organisationen der DDR. Ein Handbuch, herausgegeben von Gerd-Rüdiger Stephan, Andreas Herbst, Christine Krauss, Daniel Küchenmeister, Detlef Nakath, Karl Dietz Verlag Berlin 2002, S. 500 – 529

Ursula Schröter, Vom DFD zum dfb e.V., in Topographie und Mobilität in der deutschen Frauenbewegung, herausgegeben von Irina Hundt und Ilse Kischlat, Deutscher Staatsbürgerinnenverband, Berlin 2002, S. 138 – 147

- Ursula Schröter, Demokratischer Frauenbund Deutschlands und seine Auslandsarbeit. Weltoffenheit in einer geschlossenen Gesellschaft? In: Über Grenzen hinweg…, herausgegeben von Irina Hundt, Deutscher Staatsbürgerinnenverband, Berlin 2002, S. 154 – 163

- Ursula Schröter, Die DDR-Frauenorganisation im Rückblick, in: dies./Renate Ullrich/Rainer Ferchland, Patriarchat in der DDR. Nachträgliche Entdeckungen in DFD-Dokumenten, DEFA-Dokumentarfilmen und soziologischen Befragungen, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Texte 65, Karl Dietz Verlag Berlin, 2009, S. 11 – 63 https://www.rosalux.de/publikation/id/941/patriarchat-in-der-ddr/

- Schäfer, Eva (Hrsg.) (2011). Frauenaufbruch ’89: was wir wollten - was wir wurden, Berlin: Dietz https://www.rosalux.de/publikation/id/5237/frauenaufbruch-89/

(Mit freundlicher Unterstützung der Tageszeitung neues deutschland und ihres online-Archivs.)