Ken Henshaw
Ken Henshaw
Ken Henshaw - Nigeria
Aktivist bei Social Action Nigeria
«Für mich sieht es so aus, als ob diese Verhandlungen gar kein Ergebnis haben sollen, als ob man auf gar nichts Konkretes abzielt.»
30. November 2015, auf dem Konferenzgelände der COP21 in Paris Le Bourget | Ken Henshaw über die Diskussionen zum Gipfelauftakt, die fatalen Auswirkungen des UN-Waldschutzmechanismus REDD und die Verbindung zwischen Ölindustrie und nigerianischer Regierung
Ken Henshaw ist Mitglied der RLS-Delegation in Paris. Hier stellt er seine Arbeit für Social Action Nigeria vor. [mehr...]
RLS: Ken, der Gipfel hat begonnen. Wie nimmst du die Diskussionen wahr, die hier laufen?
- «Ich hatte wirklich hohe Erwartungen an den Gipfel. Jetzt aber bin ich überrascht, welche Nachrichten hier in Paris dominieren. Das sind nicht die Nachrichten, die dominieren sollten. Hier haben sich 150 Staats- und Regierungschefs versammelt. Da müsste die Idee doch eigentlich sein, genau jetzt über das Klima zu sprechen. Aber das passiert nicht. Das Hauptthema der Medien ist der Terrorismus, und selbst wenn es in den Medien um die UN-Klimakonferenz geht, geht es um Protestierenden auf den Straßen und dass sie Tränengas abbekommen haben. Es geht auch darum, dass US-Präsident Obama den türkischen Präsidenten treffen wird oder dass es eine Möglichkeit gibt, mit Putin zu sprechen.
Wir hören vor allem eine Menge über das ganze Beiwerk, eine Menge über andere Aspekte internationaler Politik. Für mich sieht das so aus, als ob die Staatschefs und Delegationsleiter - die ja eigentlich hier sind, um über den Klimawandel zu diskutieren - immer Wichtigeres als den Klimawandel haben, über das sie reden müssen. Das beunruhigt mich wirklich. Denn für mich sieht das so aus, als ob diese Verhandlungen gar kein Ergebnis haben sollen, als ob man auf gar nichts Konkretes abzielt. Der Klimawandel muss viel ernsthafter angegangen werden, als das jetzt gerade der Fall ist. Wenn das mit den Nachrichten, die ich auf BBC oder CNN oder anderswo sehe, so weitergeht, dann bin ich sehr pessimistisch.»
Was macht eure Organisation zum Thema Klimawandel?
- «Social Action Nigera befasst sich vor allem damit, wie die eingeführten Marktmechanismen im globalen Klimaschutz umgesetzt werden. Was uns umtreibt, ist die Tatsachen, dass diese Mechanismen die Probleme überhaupt nicht lösen, sondern stattdessen selbst Probleme verursachen.
- Zum Beispiel hat die Regierung von Nigeria im Cross River State ein großes Waldgebiet für den Waldschutzmechanismus REDD vorgesehen. Wir haben uns sehr genau angesehen, was die Regierung dort vorhat. Dabei ist klar geworden, dass die Umsetzung von REDD die Rechte der lokalen Bevölkerung verletzt, das heißt Rechte auf Zugang zu ihren Lebensgrundlagen. Wir sehen Fälle, wo die Bevölkerung bestimmte Gebiete verlassen muss, ihnen nicht erlaubt wird, ihre Anbauflächen auszuweiten oder weiterhin Häuser zu bauen und Landwirtschaft zu betreiben, bestimmte Dinge zu ernten oder überhaupt in die Wälder zu gehen. Damit aber werden ihnen vollkommen die Lebensgrundlagen genommen, weil die Regierung so sehr daran interessiert ist, REDD umzusetzen.
Wir lesen aus dem Verhalten des nigerianischen Staates heraus, dass REDD nicht implementiert wird, um das Klima schützen. Die gesamte Diskussion um REDD im Cross River State dreht sich nur um Emissionszertifikate. Die Regierung des Bundesstaates und die nationale Regierung erhoffen sich Profite aus den Emissionszertifikaten, das ist der einzige Anreiz für sie.
Dagegen sind die Communities in Nigeria wirklich daran interessiert, den Wald zu schützen, unter anderem auch, weil er CO2 absorbiert. Sie sehen sich selbst als Beschützer des Planeten für die kommenden Generationen. Die Sicht der Regierung aber ist eine völlig andere, obwohl jeder weiß, dass die Rechte und die Lebensgrundlagen der Communities durch die Implementierung von REDD ernsthaft bedroht sind.»
Was ist denn eigentlich die Position der nigerianischen Regierungsdelegation in diesen Verhandlungen?
- «Es gibt da ein Dokument, das die nigerianische Regierung vorgelegt hat. Aber ich denke, egal wie dieses Dokument aussieht, es sollte zumindest der Tatsache Rechnung tragen, dass das Niger-Delta im Moment einer der emmissionsintensivsten Orte der Welt ist. Im gesamten Niger-Delta wird routinemäßig Gas abgefackelt. Dabei gäbe es durchaus Alternativen dazu. So verheerend wie die Ölförderung insgesamt ist, gäbe es doch Methoden, die Verschmutzung zumindest zu reduzieren.
Die Regierung aber lässt das Abfackeln einfach zu. Und das, obwohl das höchste Bundesgericht schon 2005 entschieden hat, dass das Abfackeln von Gasen illegal ist. Das Einzige, was die Regierung tut, ist lächerliche Bußgelder gegen die Ölfirmen zu verhängen. Das Ganze ist ein großes Joint Venture von Ölfirmen und nigerianischer Regierung, wobei die Regierung der größte Anteilseigner ist. Sie akzeptiert das Abfackeln in Nigeria, gleichzeitig gibt sie vor, die globale Erderwärmung zu bekämpfen.
Man kann doch nicht einerseits behaupten, die Erderwärmung zu bekämpfen und andererseits zulassen, dass das Abfackeln immer weiter geht - ohne irgendein Datum für die Beendigung dieser Praxis, ohne irgendeinen Plan, überhaupt jemals damit aufzuhören. Das ist eine Farce. Jegliches Dokument der nigerianischen Regierung, das hier auf dem Tisch liegt und kein Ende für die Gas-Abfackelung vorsieht, hat hier auf dem Gipfel nichts zu suchen.»
Danke für das Interview, Ken.