Video | Nordafrika, Soziale Bewegungen / Organisierung, Algerien, Livestream Drei Jahre Hirak-Bewegung in Algerien

Zwischen politischer Repression, Hoffnung auf eine neue Protestwelle und sozialer Misere

Drei Jahre Hirak-Bewegung in Algerien

Eigentlich wollte Algeriens autoritär regierendes Regime im Frühling 2019 in klassischer Business-as-Usual-Manier Abelaziz Bouteflika für eine fünfte Amtszeit in Algier installieren. Doch Algeriens Jugend machte der herrschenden Klasse einen Strich durch die Rechnung und ging auf die Straße. Und wie! Die ersten Spontanproteste gegen Bouteflika und das hinter ihm stehende Geflecht aus Militärs, Staatsbürokratie und privaten Geschäftseliten mauserten sich schnell zu einer beeindruckenden Massenbewegung, die das gesamte Land und fast sämtliche sozialen Schichten erfasste. Bouteflika musste kurz darauf auf Druck der Straße zurücktreten, doch die Proteste gingen weiter, hatte doch das Militär die Macht übernommen.

Erst der Ausbruch der Covid19-Pandemie zwang die Protestbewegung Hirak ihre allwöchentlichen Demonstrationen nach 13 Monaten ununterbrochener Massenmobilisierung einzustellen – eine gesundheitspolitisch notwendige, aber für den Hirak verhängnisvolle Entscheidung. Seit Anfang 2020 nutzt das wieder fest im Sattel sitzende Regime die Pandemie konsequent aus und geht gegen Hirak und Opposition vor. Dissident*innen, Aktivist*innen und Journalist*innen werden verhaftet, Oppositionsparteien und NGOs verboten. Das Regime hat erfolgreich eine Konterrevolution in Gang gesetzt und Opposition und Hirak in die Defensive gedrängt. Die von der Bevölkerung 2019 erkämpften Freiheiten sind einer fragilen Stille in Algeriens Straßen gewichen – zumindest vorerst. Denn soziale Ungleichheiten, Wirtschaftskrise und politische Repression lassen den Unmut auf das autoritäre Militärregime im Land abermals steigen.

Anlässlich des dritten Jahrestages des Massenaufstandes 2019 wollen wir Bilanz ziehen, über die Perspektiven des Hirak sprechen und darüber diskutieren, warum der Hirak das Regime nur in die Enge treiben, aber nicht stürzen konnte. Mit Prof. Dr. Rachid Ouaissa (Universität Marburg, MECAM Tunis), Dr. Isabelle Werenfels (SWP Berlin), Salah Ayoub (Hirak Berlin) und Sofian Philip Naceur (RLS Nordafrika, Journalist). Moderation: Naoual Belakhdar (Politikwissenschaftlerin)

Diese Podiumsdiskussion ist der Auftakt einer Veranstaltungsreihe der Rosa-Luxemburg-Stiftung anlässlich des 60. Jahrestages der Unabhängigkeit Algeriens von Frankreich 1962.