Dokumentation Die neue Bewegung von rechts – Bericht der Tagung am 29. April 2017 in Potsdam

Information

Zeit

Themenbereiche

Rassismus / Neonazismus

Abschließende Podikumsdiskussion (v.l.n.r.): Prof. Dr. Christoph Kopke, Prof. Dr. Iman Attia, Jonas Frykman (Moderation, Aktionsbündnis Brandenburg), Martin Osinski, Isabelle Vandré, Jörg Gleisenstein.

Am 29. April kamen auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg und des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit Brandenburg e.V. etwa 70 Teilnehmer*innen nach Potsdam in die Freizeit- und Begegnungsstätte „Treffpunkt Freizeit“, um sich über Themen, Akteure und Strategien der neuen rechten Bewegung zu informieren, sich auszutauschen und um gemeinsam zu diskutieren, wie wir eine offene und demokratische Gesellschaft nicht nur verteidigen, sondern auch stärken können.

Im eröffnenden Vortrag analysierte die Rassismusforscherin Prof. Dr. Iman Attia (Alice-Salomon-Hochschule, Berlin) den antimuslimischen Rassismus als ein wesentliches Merkmal der neuen Bewegung von rechts. Jener antimuslimische Rassismus dürfe dabei nicht nur isoliert als Haltung der Rechten, sondern müsse vielmehr als gesamtgesellschaftliches Phänomen betrachtet werden. Insbesondere stereotype Vorstellungen und Ressentiments über ‚den Islam’ seien sehr verbreitet und führen dazu, dass Muslimen permanent das Gefühl gegeben werde, fremd zu sein und nicht zur Gesellschaft dazu zu gehören. Im Anschluss erläuterte der Sozialwissenschaftler und Theologe David Begrich (Miteinander e.V., Magdeburg) in seinen Ausführungen das Public-Relation-Konzept der Alternative für Deutschland (AfD). Zumindest auf der Ebene der Repräsentation der Partei sei die Kommunikationsstrategie keineswegs auf eine sachliche Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner angelegt, weshalb es auch kontraproduktiv sei, AfD-Spitzenpersonal ständig in Talkshows bzw. auf andere öffentliche Podien einzuladen oder auf jede Provokation mit einer ausführlichen öffentlichen Debatte zu reagieren. In seinen Ausführungen plädierte David Begrich für einen selbstbewussten und offensiven Umgang mit der AfD.

Nach der Mittagspause verteilten sich die anwesenden Teilnehmer*innen auf vier Workshops. In ihnen wurde kritisch über den „Kulturkampf von rechts“ am Beispiel der Identitären Bewegung diskutiert (Dr. Christoph Schulze, Politikwissenschaftler, Moses Mendelssohn Zentrum Potsdam), populäre „Feindbilder und Verschwörungsdenken“ der rechten Bewegung ausgeleuchtet (Prof. Christoph Kopke, Politikwissenschaftler, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin), für „Rechte Kommunikationsstrategien im digitalen Raum“ sensibilisiert (Christina Thumann, Sprach- und Kulturwissenschaftlerin, Potsdam) sowie „Rechte Konzepte von Gemeinschaft und Demokratie“ erörtert (PD Dr. Gideon Botsch, Politikwissenschaftler, Moses Mendelssohn Zentrum Potsdam).

Auf der abschließenden Podiumsdiskussion debattierten Isabelle Vandré (MdL, DIE LINKE), Jörg Gleisenstein (Bündnis 90/Die Grünen), Martin Osinski (Aktionsbündnis “Neuruppin bleibt bunt”), Prof. Dr. Christoph Kopke und Prof. Dr. Iman Attia über mögliche Gegenstrategien in Politik und Wissenschaft. Trotz ihrer Minderheitenpositionen helfe es nicht, die angestoßenen Gesellschaftsdiskussionen von rechts zu ignorieren. Jedoch sollte man in der Auseinandersetzung nicht „über jedes Stöckchen springen, dass die AfD hinhalte“, so Christoph Kopke. Wichtig gegen diese Bewegung in der Öffentlichkeit ist demokratisch-zivilgesellschaftliches Engagement. Dies bestätigte auch Martin Osinski, der seit vielen Jahren Proteste gegen rechts im lokalen Bündnis „Neuruppin bleibt bunt“ organisiert und die dabei gewonnenen Erfahrungen reflektierte. Von den Teilnehmenden wurden viele Fragen aufgeworfen: Wie kann das gesellschaftliche Engagement gegen rechts weiter gestärkt werden und welche Bedeutung kommt dabei eigentlich der sozialen Frage zu? Reicht ein antifaschistisches Engagement, das sich ausschließlich gegen die verschiedenen Organisationen der rechten Bewegung richtet oder müssten nicht viel mehr die gesamtgesellschaftlichen Zustände in den Blick genommen werden? Sollte Engagement gegen rechts also den Kampf gegen Armut, Ausgrenzung und Diskriminierung beinhalten? Diese und weitere Fragen werden uns auch in Zukunft noch weiter beschäftigen.