Nachricht | Demokratischer Sozialismus Rosa-Luxemburg-Stiftung in NRW geht neue Wege

von Peter Bathke

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Peter Bathke,

Peter Bathke ist Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRWMit dem Schwung des Essener Sozialkongresses, auf dem im Dezember letzten Jahres  über 110 Interessierte lebhaft über »Soziale Demontage und Möglichkeiten des Widerstands« debattierten, ging die nordrhein-westfälische RLS ins Jahr 2004. So fanden im Verlauf des ersten Halbjahres 14 von der Stiftung direkt organisierte Veranstaltungen in 5 verschiedenen Städten des Ruhrgebiets und des Rheinlands mit ca. 350 TeilnehmerInnen statt. Hinzu kamen zahlreiche Veranstaltungen der drei Rosa-Luxemburg-Clubs in Bielefeld, Dortmund / Bochum und Wuppertal. Außerdem waren die RLS, die RLS-NRW und der RL-Club Dortmund Mitveranstalter des von LabourNet initiierten Kongresses »Die Kosten rebellieren. Internationale Versammlung zu Prekarisierung und Migration« Ende Juni in Dortmund. Auf der Jahreshauptversammlung der RLS-NRW am 13. März 2004 ging es um das künftige Profil der Landesstiftung und wurde ein neunköpfiger Vorstand neu gewählt. Wesentlich gestärkt wurde die Effektivität der Landesstiftung mit der Arbeitsaufnahme der Bildungsreferentin Susanne Spindler im Duisburger Büro ab dem 1. Januar 2004.

Inzwischen steht das Veranstaltungsprogramm für das zweite Halbjahr 2004 und gibt es erste Projekte für 2005. Das Halbjahresprogramm kann auf der Home page www.rls-nrw.de abgerufen werden. Neu für das Bildungsangebot der nächsten sechs Monate sind folgende High lights:

Erstens wird in Fortsetzung des Essener Sozialkongresses für den 23. Oktober 2004 in Köln ein europäischer Sozialkongress unter dem Motto »Zerstörung des Sozialstaats und Widerstand in Europa« organisiert. Auf diesem Kongress werden erstmals auf einer Veranstaltung der RLS NRW neben ReferentInnen aus Deutschland WissenschaftlerInnen, Gewerkschafter, Aktivisten der neuen sozialen Bewegungen und linke Abgeordnete des Europa-Parlaments aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden auftreten. So erwarten wir Marie-Paule Connan von der Euromarsch-Bewegung Belgien, Harald Werner vom PDS-Bundesvorstand, Christoph Aguiton von attac Paris, Werner Rügemer von transparency international, Köln, Angela Klein von der deutschen Koordination Euromärsche, Klaus Dräger, Mitarbeiter der linken Fraktion im Europa-Parlament GUE/NGL, Christian Christen vom wissenschaftlichen Beirat attac Berlin, Tobias Michel, ver.di-Betriebsrat Essen, Sabine Leidig von der Geschäftsführung attac Deutschland, Frankfurt/Main, Elisabeth Gauthier, Espaces Marx, Paris, Eric Meijer, Abgeordneter der Sozialistischen Partei der Niederlande in der GUE/NGL aus Rotterdam, Horst Schmitthenner, Beauftragter Soziale Bewegung der IG Metall, Frankfurt/Main.

Inhaltlich behandelt werden alle Kernfragen der Sozialpolitik von »Europa in schlechter Verfassung« und »Alternative Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik in Europa« über öffentliche Daseinsvorsorge, Arbeitslosigkeit, Renten und Gesundheitswesen bis hin zur »Suche nach den Subjekten politischer Veränderung«. Um allen TeilnehmerInnen die Chance zu geben, die gesamte Breite der Referate und Diskussion zu verfolgen sowie aktiv daran teilzunehmen, wird der Kongress zweisprachig – in Deutsch und Französisch – abgehalten.

Mit diesem Kongress, so hoffen wir, wird das Profil der nordrhein-westfälischen RLS als kompetenter Ansprechpartner für Sozialpolitik in Westeuropa im Rahmen des bundesweiten RLS-Stiftungsverbundes geschärft.

Zweitens versteht sich die RLS NRW als Dienstleister für die Aneignung kapitalismuskritischer und sozialistischer Theorie sowie des theoretischen Handwerkszeugs für öffentliches politisches Auftreten und Kommunalpolitik. Unser Angebot richtet sich an Gliederungen der PDS, im Besonderen an solid und die PDS-Jugend, an  linke KommunalpolitikerInnen und an GewerkschafterInnen.

Neu an diesem Angebot ist, dass wir Seminar-Blöcke zu zwei Themenbereichen erarbeitet haben, die bei uns abrufbar sind. Diese können über unsere Geschäftsstelle in Duisburg quasi gebucht werden! Dabei stellt die RLS NRW die ReferentInnen und finanziert sie (Honorar und Fahrtkosten), während der Veranstalter in einer beliebigen Stadt von NRW die örtlichen Kosten wie Raummiete und evtl. Verpflegung/Übernachtung der TeilnehmerInnen deckt.

Bei den Seminarblöcken handelt es sich zum einem um einen »Schnupperkurs Sozialistische Theorie« und zum anderen um eine Schulungsreihe »Grundlagen der politischen Kommunikation«. Der »Schnupperkurs« ist konzipiert als Seminar-Angebot an zwei Wochenenden, jeweils von Freitag bis Sonntag – Seminar A »Grundlagen«, Seminar B »Weiterentwicklungen«. Das Ziel des Kurses besteht darin, anhand weniger Textbeispiele einen ersten Einblick in sozialistische Theorie zu geben.

Begonnen wird im Seminar »Grundlagen« mit drei Texten von Marx, die die verschiedenen Facetten sozialistischer Theorie beleuchten sollen: 1. Gesellschaftsanalyse/Philosophie: Vorwort der Kritik der Politischen Ökonomie; 2. Politische Theorie/Politisches Handeln: Kapitel 1. des Kommunistischen Manifests; 3. Kritik der Politischen Ökonomie: Textauszug aus dem Kapital. Informiert werden soll über die Richtungsstreite in der deutschen Sozialdemokratie Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts.

Das zweite Seminar »Weiterentwicklungen« soll Texte von TheoretikerInnen des 20. Jahrhunderts behandeln, die sich als MarxistInnen sehen , oder, wie Bourdieu, Marxsche Überlegungen in ihre Analysen einbeziehen. Gelesen werden sollen Auszüge aus Lenins Staat und Revolution, Rosa Luxemburgs Die Russische Revolution und Pierre Bordieus Die feinen Unterschiede. Gesprochen werden soll über Antonio Gramscis Hegenomie-Begriff und Enrico Berlinguers Eurokommunismus und die marxistische Theorie in der alten Bundesrepublik. Aufgelockert werden sollen die Debatten durch Spaziergänge zu historischen Plätzen der Arbeiter- und demokratischen Bewegung, zu Denkmälern und Museen in den jeweiligen Städten.

Die Schulungsreihe »Grundlagen der politischen Kommunikation« ist in drei Tagesseminare/Module  gegliedert, die nacheinander oder an verschiedenen Wochenenden stattfinden können. Methodische Aspekte sollen diese Reihe prägen, indem etwa nach entsprechenden inhaltlichen Einführungen der ReferentInnen praktische Übungen durch alle TeilnehmerInnen ausgeführt werden. Dies bedingt, dass pro Seminar nicht mehr als 8 Personen teilnehmen sollten.

Dem ersten Modul Presse- und Öffentlichkeitsarbeit liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der Umgang mit Medien eine der Schlüsselqualifiktionen ist, von denen der Erfolg politischer Arbeit abhängt. Die Mehrheit der Bevölkerung ist nur über die Medien zu erreichen. Gelernt wird dabei das unterschiedliche Herangehen an »unabhängige« Medien (Tageszeitungen, Radio, Fernsehen), die über Politik berichten, und an eigene Medien (Flugblätter, Broschüren, Zeitungen, Internetseiten).

Beim zweiten Modul »Der öffentliche Auftritt« wird davon ausgegangen, dass Reden halten oder die Teilnahme an Podiumsdiskussionen für viele eine schwierige Herausforderung bedeuten. Folglich müssen unterschiedliche Momente bedacht werden: Wer ist die Zielgruppe? Was will ich erreichen? Welche Rahmenbedingungen muss ich beachten? Was erwarten die ZuhörerInnen? Dieses Seminar soll dazu beitragen, Sicherheit im öffentlichen Auftritt zu vermitteln.

Das dritte Modul Moderation und Integration räumt der internen Kommunikation den gleichen Stellenwert für den Erfolg politischer Arbeit ein wie der Arbeit in der Öffentlichkeit. Linke Organisationen sind selten homogen. Unterschiedliche Ziele, Arbeitsschwerpunkte und Herangehensweisen müssen in Einklang gebracht werden. Moderationstechniken und -strategien können helfen, schwierige Situationen besser zu überstehen.

Die oben beschriebenen Dienstleistungsangebote sind bereits oder werden jetzt als Pilotprojekte getestet. So ist die Schulungsreihe »Grundlagen der politischen Kommunikation« Ende Juni/Anfang Juli 2004 erfolgreich in Duisburg gelaufen. Eine erste Buchung eines der Module mit individuellem Zuschnitt liegt vom PDS-Kreisverband Recklinghausen für den 22. August vor. Der Schnupperkurs sozialistische Theorie soll das erste Mal im Herbst 2004 für junge Leute in Wuppertal stattfinden.

Drittens stellt sich die Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW strategischen Fragen linker Landespolitik. Dem soll ein Kongress im Januar 2005, voraussichtlich in Dortmund, zum Thema »Möglichkeiten und Grenzen linker Politik in NRW« dienen. Gegenwärtig wird an der Konzeption für diesen Kongress gearbeitet. Gedacht ist bisher an folgende Schwerpunkte:

  • Welches sind die Auswirkungen von Hartz IV und anderer »Reformen« der Schröder-Agenda 2010 auf die soziale Lage der Menschen in NRW?
  • Wie lässt sich der Widerstand gegen den neoliberalen Systemwechsel in der Sozialpolitik so organisieren, dass angesichts des Mitgliederschwunds der Gewerkschaften und der Stagnation von attac und Sozialforum neue Menschen für den Widerstand gewonnen werden und dieser über das traditionelle linke Klientel hinausgeht?
  • Welche Struktur sollte die linke Strategiedebatte im Spannungsfeld von Systemopposition und Gestaltungsanspruch haben?

Der zeitliche Bogen des Kongresses soll über das nächste Jahrzehnt – von der Gegenwart bis zum Jahr 2015 – gespannt werden, um zu  vermeiden, dass man sich in taktischen Geplänkeln zur Tagespolitik verliert.

Als Gastgeber wird die Stiftung alle Kräfte in NRW einladen, die Interesse an einer solchen Strategiedebatte haben: die PDS, verschiedene linke Gruppen, die »Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit«, das »Bündnis soziale Bewegung NRW«, attac, das Sozialforum, Gewerkschaften wie ver.di, IG Metall und andere.

Zielstellung des Kongresses soll es sein, den überzeugenden Nachweis zu erbringen: Es gibt in der nordrhein-westfälischen Landespolitik eine reale Alternative; es gibt keinen Grund, sich erneut in der Scheinalternative rot/grün versus schwarz/gelb fangen zu lassen; es gibt Kräfte in NRW, die eine andere Landesentwicklung  konzipieren und umsetzen können!

Die Vorbereitung dieses Kongresses sehen wir als einen Prozess schöpferischer Diskussion, die bereits im Gange ist und nach dem Januar 2005 auf jeden Fall fortgeführt werden soll. In diesem Kontext sei darauf verwiesen, dass die RLS NRW am Montag, dem 6. September 2004, anlässlich einer Mitgliederversammlung in ihrem Büro in Duisburg zu einer offenen Diskussion zum Thema »Die Wahlalternative 2006 und das Verhältnis der RLS NRW zu ihr« einlädt. Auch hier sind alle Interessierten willkommen.