Nachricht | Amerikas - International / Transnational Politische Theorie des Sozialismus

Mit einem Seminar an der Universität des brasilianischen Bundestaates São Paulo setzt die RLS ihr internationales Konferenzprogramm zu Rosa Luxemburg fort.

Auf dem Podium: Gert Peuckert, Direktor der IRLS, Eli Pimenta, Moderator, Isabel Loureiro und Marcos del Roio, Professor an der UNESP und Koordinator des wissenschaftlichen Seminars [v.l.n.r.]

Dass der Name der deutschen Revolutionärin Rosa Luxemburg in Brasilien einen guten Klang hat, davon konnte man sich erneut anlässlich eines dreitägigen Seminars der UNESP – der Staatlichen Universität des Bundessstaates São Paulo an deren Campus in Marilías – überzeugen. Die RLS hatte dort die Schirmherrschaft und Finanzierung des Seminarteils zu Rosa Luxemburg übernommen.

Die Universitäten mit fast 50.000 Mitarbeitern und Studenten prägen das Bild dieser Stadt von fast 200.000 Einwohnern im Inland dieses Bundesstaates São Paulo. Die Philosophische Fakultät dieser Universität hat schon in der Vergangenheit eine Reihe von fachlich anerkannten Seminaren und wissenschaftlichen Konferenzen zu den Klassikern des Marxismus organisiert und verfügt über eine Gruppe von qualifizierten und landesweit bekannten Wissenschaftlern, die sich dieser Aufgabe verschrieben haben. Leider findet man im Hochschulbereich im heutigen Brasilien immer weniger Räume, die Gelegenheit bieten, über die Theorien des Sozialismus wissenschaftlich zu debattieren.
 
Um so höher ist diese Initiative der UNESP zu bewerten, ein wissenschaftliches Seminar zu diesem Thema vom 29. bis 31.08. durchzuführen und den über Dreihundert –  vor allem jugendlichen – Teilnehmern,  einen Raum zur politischen Debatte über den Sozialismus zu bieten. Rundtischdebatten fanden zu Marx, Lenin, Rosa Luxemburg, Gramsci und zu den beiden ungarischen linken Theorikern Lukacz und Meszaros statt. Das Interesse der Teilnehmer war groß und die Debatten sehr lebhaft, und dass nicht zuletzt infolge der gegenwärtigen  politischen Auseinandersetzungen um die Korruptionsaffäre und die Krise der PT und der Linken in Brasilien.
 
Auch der Seminarteil zu Rosa machte da keine Ausnahme und stellte einen aktuellen Bezug zu den sozialen Bewegungen wie der Landlosenbewegung MST her, den Isabel Loureiro, anerkannte Wissenschaftlerin und Präsidentin unserer Stiftung in Brasilien, in ihrem Beitrag anschaulich erklärte und darstellte. Der Koordinator der Veranstaltung, Marcos del Roio, konzentrierte sich in seinem Beitrag auf die historischen Verdienste von Rosa hinsichtlich ihres Beitrags zu Fragen des Verhältnisses von  Partei zu revolutionären Massen und Aktionen, zu Reform und Revolution und zur Theorie und Praxis des demokratischen Sozialismus.

Der Direktor des Instituts Rosa Luxemburg Stiftung in Brasilien, Gert Peuckert, berichtete über die internationalen Konferenzen zur Luxemburg-Forschung, die die Stiftung zuvor etwa in Russland und Südafrika durchgeführt hat. Die RLS fühlt sich in besonderem Masse verpflichtet, das politische Erbe ihrer Namensgeberin in der internationalen Tätigkeit der bisher vier existierenden Auslandsbüros in Moskau, Warschau, Johannesburg und São Paulo bekannt zu machen und zu verbreiten. Auf dem lateinamerikanischen Kontinent fand eine Veranstaltung zum Werk von Rosa Luxemburg auf dem Weltsozialforum in Porto Alegre im Januar 2005 statt und Ende Oktober 2005 wird ein internationales Seminar in Zusammenarbeit mit den Projektpartnern FISYP und CLACSO in Buenos Aires durchgeführt.

Das Seminar gab auch Gelegenheit, zu den neuen Entwicklungen in Deutschland im Vorfeld der vorgezogenen Wahlen und der Bildung eines neuen Linksbündnisses zu informieren. Aus den Reaktionen der Teilnehmer wurde deutlich, dass große Informationsdefizite zu diesen jüngsten politischen Prozessen in Deutschland bestehen und die brasilianischen Massenmedien dazu faktisch nicht berichten. Von einigen der jugendlichen Teilnehmer wurde in der anschließend geführten lebhaften Debatte das Fehlen einer Transformationsstrategie der Linken in Brasilien kritisiert.
Marcos del Roio schloss die Diskussion mit dem Fazit ab, dass die Neuformierung („Refundação“) der Linken im 21. Jahrhundert nicht nur die Hauptaufgabe in Brasilien, sondern weltweit darstelle.

(Gert Peuckert)