»Neunzig Jahre nach ihrer Ermordung, und ausgerechnet jetzt, da die isralische Linke geschlagen und gedemütigt aus den Wahlen hervorgegangen ist, unternehmen Politiker und Intellektuelle beider Länder den Versuch, eine neue Dimension der 'Roten Rosa' zu erschließen«. So kommentierte die liberale israelische Tageszeitung Haaretz die gerade publizierte Neuausgabe der hebräischen Übersetzung der Briefe Rosa Luxemburgs. Dieses »ausgerechnet jetzt« ließe sich nach den dramatischen Verlusten der parlamentarischen Linken bei den Knesset-Wahlen im Februar nicht nur auf die von der RLS geförderte Luxemburg-Edition beziehen, sondern ebenso gut auf das gerade eröffnete Israel-Büro der Stiftung.
Kurz nach dessen Pendant in Ramallah weihte die RLS am 12. März ihr Büro in Tel Aviv mit einem Symposium zum Thema »Das Vermächtnis Rosa Luxemburgs für deutsche und israelische Linke« ein. Die mit mehr als 200 Teilnehmern sehr gut besuchte Veranstaltung widmete sich dem Leben und Wirken der jüdischen Revolutionärin und Internationalistin, ging den Spuren Rosa Luxemburgs in Israel und Palästina nach und beschäftigte sich mit ihrer Bedeutung für heutige Linke.
LINKE-Abgeordnete und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau sprach auf dem Symposium zum Thema »‘Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden‘ – Rosa Luxemburg und die heutige deutsche Linke« und kam zu dem Schluss: „Diese Botschaft haben wir – habe ich – gelernt. Freiheit ist aber immer auch die Freiheit der anders Lebenden. Denn wenn sie kein Privileg, sondern ein universelles Menschenrecht ist, dann lässt sie sich auch nicht von den globalen sozialen und ökologischen Entwicklungen trennen.» Sie schlussfolgerte: »Man darf soziale Rechte und individuelle Freiheits- und Bürgerrechte nicht hierarchisieren.«
Botschafter Harald Kindermann bei seiner Grußansprache, rechts Büroleiterin Angelika Timm und RLS-Geschäftsführer Florian Weis.
Zur Eröffnung des Symposiums hatte der deutsche Botschafter in Israel, Harald Kindermann, in seiner Grußansprache festgestellt, dass mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung nunmehr die parteinahen Stiftungen aller Bundestagsparteien mit eigenen Büros in Israel vertreten seien. Die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht im Januar 1919 sei ein barbarischer Akt und zugleich ein zentrales Ereignis gewesen, der deutlichen Einfluss auf die politischen Verhältnisse in der Weimarer Republik hatte. Schließlich sei Weimar an der fehlenden Bereitschaft zur Verteidigung der Demokratie gescheitert.
RLS-Geschäftsführer Florian Weis stellte in seinem Grußwort die Arbeit der Rosa Luxemburg Stiftung vor und verwies darauf, dass es bei der Linken in Deutschland und in Israel ein großes Interesse am Erfahrungsaustausch gäbe. Thematischer Mittelpunkt der gegenwärtigen Arbeit der Stiftung sei neben der Beschäftigung mit der eigenen Geschichte und den Traditionslinien die Analyse der ökonomischen Krise und die Beantwortung der Frage, was heute links und sozialistisch sei.
In zwei historisch angelegten Panels des Symposium beschäftigten sich Annelies Laschitza (Berlin) und Ludger Heid (Duisburg) mit Leben und Werk Rosa Luxemburgs sowie weiterer jüdischer Politiker in den deutschen Linksparteien bis 1933.
Die Literaturwissenschaftlerin Natascha Gordinsky (Jerusalem) stellte die von Lea Goldberg übersetzte hebräische Ausgabe von Rosa Luxemburgs „Briefe aus dem Gefängnis“ und deren Rezeption in Israel vor. Anlass dafür war die vom Israel-Büro der RLS besorgte Neuauflage dieses Bandes, der zur Büroeröffnung präsentiert werden konnte.
An der Debatte zu aktuellen Fragen der Rosa-Luxemburg-Rezeption in Israel und in der israelischen Linken beteiligten sich die ehemaligen bzw. aktuellen Knesset-Abgeordneten Shulamit Aloni, Yair Zaban, Tamar Gozansky und Dov Khenin sowie die Historiker und Politikwissenschaftler Moshe Zuckermann, Barbara Swirski, Gadi Algasi und Moshe Zimmermann.
In ihrem Schlusswort betonte die Leiterin des neuen Israel-Büros Angelika Timm, dass sie es als Aufgabe ansehe, in Israel Kenntnisse über Deutschland und die deutsche Linke in Israel zu vermitteln, eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der israelischen Zivilgesellschaft anzustreben und darüber hinaus zur Entwicklung eines realistischen Israelbildes in Deutschland beizutragen.
(Bericht: Detlef Nakath, RLS Brandenburg)
Presse: »A red, red Rosa (not to mention green and pink)« (Haaretz, 11.3.2009)
Text zur Eröffnung von Angelika Timm, Leiterin des RLS-Auslandsbüros in Tel Aviv