Was heißt für dich Feminismus?
Feminismus bedeutet für mich möglichst viel Kollektivität bei möglichst viel Individualität. Ich wünsche mir ein selbstbestimmtes, unabhängiges Leben in einer freien Gesellschaft. Und genau das wünsche ich allen Menschen auch. Diese Weltsicht ist für mich ganz stark an rassismuskritisches, antikapitalistisches und feministisches Denken und Handeln geknüpft und vollzieht sich auf vielen verschiedenen Ebenen.
Ich denke, dass Kultur so ein großes Kollektiv wie eine Gesellschaft verbinden kann. Musik, Filme, Literatur, Serien, Comics, Computerspiele, Sport, Kleidung usw. haben das Potential, Brücken zu schlagen zwischen Menschen und deren emotionaler Verfasstheit und politischen Positionen. Deswegen ist auch meine Musik untrennbar mit Feminismus verbunden.
Du positionierst dich mit deiner Musik gegen Sexismus und Homophobie. Wen erreichst du damit?
Alle, die es hören - was auch immer sie mit meiner Musik machen. In den letzten zehn Jahren hat sich eine queerfeministische Subszene herausgebildet, die wächst und auch hier und da Verbindungen in den musikalischen Mainstream zulässt. Das kann nicht schaden. Von Jahr zu Jahr kommen immer mehr Menschen auf die Konzerte. Das liegt sicherlich auch an der inhaltlichen Ausrichtung. Ich finde es schön, wenn Songs zu Referenzen werden und in den Biographien von Menschen einen Platz einnehmen. Diejenigen, die das, was ich mache, kritisch sehen, bestätigen damit die Relevanz nicht minder. Wie heißt es so schön: We are here, we are queer - get used to it.
Wie können feministische Themen in den gesamtgesellschaftlichen Diskurs integriert werden?
Es gibt unzählige Anknüpfungspunkte. Naheliegenderweise sind die Parlamente dafür zuständig, Minderheiten- und Menschenrechte anständig zu implementieren und dafür zu sorgen, dass Gesetzgebung auch gelebte Praxis wird.
Hier greift alles, was ins kulturelle und soziale Leben gehört. Ich glaube fest daran, dass in jedem Kinderreim, jedem Schulbuch, jedem Uni-Curriculum, in jedem Sportverein, auf jeder Weihnachtsfeier, in jeder Staatsoper, in jeder Reality-Doku, in jedem Gottesdienst, auf jeder Hochzeitsfeier, bei jeder YouTube-Session Platz ist für feministisches Wachstum. Gesprächsanlässe sind genügend da und Lernen ist eine schöne Erfahrung. Wenn die Vermittlung ohne Druck und trotzdem klar erfolgt, ist das die halbe Miete.
Woran fehlt’s?
Wenn sich mehr Menschen als Multiplikator*innen verstehen und sich öfter für Themen der Antidiskriminierung stark machen würden, dann wäre schon eine Menge gewonnen. Grundsätzlich ist ein Miteinander für gesellschaftliche Bildung besser als ein Gegeneinander. Was nicht bedeutet, dass man jedem rechten Unsinn eine Plattform bieten und sich in diese Richtung anschlussfähig zu machen braucht. Menschen sind zur Veränderung fähig, das ist eine große Hoffnung.
Feminismus für alle?
Klar ist Feminismus für alle. Bei Feminismus geht es um Geschlechtergerechtigkeit. Das bedeutet, dass alle davon angesprochen sind und sich demnach auch daran beteiligen können. Feminismus als Frauenthema zu deklarieren, greift definitiv zu kurz. Sicherlich sind die feministischen Praxen derjenigen, die von Sexismus betroffen sind, anders als derjenigen, von denen Sexismus strukturell ausgeht. Nichtsdestotrotz sind die Schnittmengen groß.
Wer braucht heute eine linke Feminismus-Debatte?
Alle, die nicht zulassen wollen, dass Feminismus zum neoliberalen Feelgood-Projekt wird. Alle, die nicht wollen, dass Rechte feministische Themen vereinnahmen und für eine rassistische Agenda instrumentalisieren.
Feminismus ist ein emanzipatorisches und inklusives Unterfangen und damit per se links.
Das Interview führte Ulrike Hempel, Rosa-Luxemburg-Stiftung.
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