Der Vorsitzende Richter fragt sich, warum in den Akten der Genehmigungsbehörden wohl kein einziger Vermerk zu Gesprächen mit dem damaligen HK-Vertreter zu finden ist. Und im Wirtschaftsministerium war offenbar nicht immer klar, was denn nun genau genehmigt worden war und was nicht.
Ein Bericht vom 5. Prozesstag am 14. Juni 2018.
Vernehmung des Chefermittlers
Der Zeuge Stefan G. war einer der leitenden Beamten des Zollkriminalamtes in den Ermittlungen gegen HK, er hat auch die Durchsuchung bei HK in 2010 geleitet und maßgeblich den Abschlussbericht geschrieben. Er sagte, dass das Zollkriminalamt schon seit 2008 Hinweise verfolgte, nach denen HK-Waffen in Gebieten aufgetaucht sind, für die es keine Genehmigung gab. So ein G36-Gewehr in Georgien, aber auch schon zu Mexiko. Er, G., habe dann bei der Staatsanwaltschaft Rottweil angeregt, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, was dann auch geschehen sei. Dann sei die Anzeige von Holger Rothbauer bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart dazu gekommen und das ZKA sei dann von Stuttgart mit den Ermittlungen beauftragt worden.
Zum Status der Endverbleibserklärungen – der zentralen Frage bei diesem Prozess – sagte G., soweit er das von Herrn Warnken im BMWi erfahren habe, gelte die Genehmigung nur im Zusammenhang mit der vorgelegten Endverbleibserklärung. Sie sei integraler Bestandteil der Antragstellung und der anschließenden Genehmigung.
In einer Genehmigung hieß es in der Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) ausdrücklich «genehmigt, aber nicht zur Verwendung in Jalisco», während die Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) das so nicht gesagt haben. Warum das so gewesen sei müsse der Richter schon die Genehmigungsbehörde selbst fragen.
In den Genehmigungsunterlagen sei erkennbar gewesen, dass in einzelnen Fällen die Endverbleibserklärungen (EVE) ausgetauscht worden seien. Es sei aber nicht immer klar gewesen, welche der EVEs am Ende Gegenstand der Genehmigungserteilung waren. Das ließ sich allerdings manchmal über die parallelen außenwirtschaftsrechtlichen Genehmigungen aus dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) aufklären. Tatsächlich seien einzelne EVE, die in den BAFA-Unterlagen enthalten waren, nicht in den BMWi-Akten enthalten. Laut G. sind die BAFA-Genehmigungen (nach dem AWG) offenbar vor allem dann detaillierter, wenn keine KWKG-Genehmigung vorliegt, so dass sich das BAFA nicht an die KWKG-Genehmigung «dranhängen» kann und folglich die AWG-Genehmigung für sich alleine stehen muss.
Auf Nachfrage des Richters sagte G., er könne aber nicht beurteilen, ob die Akten vollständig seien. Er habe aber in einem Vermerk dokumentiert, dass es scheinbare Lücken in den Akten gibt. Worauf der Vorsitzende Richter anmerkte, er teile diese Auffassung. In den Akten sei kein einziger Gesprächsvermerk drin über ein Gespräch mit Peter B. und jetzt frage er sich: Wieso?
Und dann kam die wohl bemerkenswerteste Passage des bisherigen Verfahrens. Der Zeuge G. sagte auf Nachfrage, es seien nicht bei allen Genehmigungsbescheiden auch die EVE mit dabei gewesen. In mindestens einem Fall ist nicht gelungen zu rekonstruieren, was überhaupt genehmigt worden war. Da habe eine EVE für Guerrero vorgelegen, obwohl alle immer davon ausgegangen waren, dass für Guerrero gar keine Genehmigungen erteilt worden waren. Herr Warnken vom BMWi sei darauf angesprochen worden und habe dann gemeint, «ja, dann müsste das vielleicht doch genehmigt worden sein». Der Vorsitzende Richter fasst zusammen: «Für den Fall müssen wir festhalten, dass in der damaligen Vernehmung das BMWi letztendlich anhand der Aktenlage des BMWi nicht sagen konnte, was genehmigt ist und was nicht.» Antwort G.: «So sehe ich das, ja.»
Es ging dann noch um die mögliche Endverbleibskontrolle vor Ort. Dazu hat Warnken vom BMWi offenbar in der Vernehmung folgenden Passus zu Protokoll gegeben: «Die Möglichkeit der Überprüfung einer solchen Einschränkung ist problematisch und entzieht sich den Einflussmöglichkeiten des BMWi und damit der Bundesregierung. Ob dies verwaltungsrechtlich zulässig ist, wurde bis dato nicht problematisiert, da in diesen Fällen die Genehmigungen erteilt wurden und es ist durchaus vorstellbar, dass es völkerrechtliche Probleme aufwerfen könnte.»
Seine Vernehmung der HK-Waffenvorführer Josef K. und Robert H. fasst der Zeuge G. so zusammen: Es habe auch in Jalisco und Guerrero je eine Einweisung gegeben. Das seien keine Verkaufsveranstaltungen gewesen, sondern die Polizisten vor Orten hatten die Waffen schon ausgeliefert bekommen und es habe sich um konkrete waffentechnische Einweisungen gehandelt. Im Schlussbericht des Zollkriminalamtes heißt es wörtlich: Das Vorführteam habe «im Tatzeitraum mehrfach solche Einweisungen in Mexiko durchgeführt, auch in Bundesstaaten, die nicht mit den G36 beliefert werden durften.» Der Zeuge G. fügt noch hinzu, dass sich das mit Unterlagen belegen lasse, so bestätigen Reisekostenabrechnungen Aufenthalte in den entsprechenden Bundesstaaten.
Auch G. stellte – wie schon sein Mitarbeiter beim letzten Prozesstag – fest, dass bei HK im Wesentlichen eine «schlüssige Papierlage» erstellt worden sei. Für ihn sei der Eindruck entstanden, dass nicht der tatsächliche Bedarf ausschlaggebend für die EVE war, sondern die Frage, was man angeben sollte, damit es kein Problem bei der Genehmigungserteilung gibt. So stand einmal der Bundesstaat ursprünglich nur mit 20 Waffen auf der Liste, nach der Streichung des Bundesstaates Chihuahua mit 450 Waffen standen dann für Puebla 470 Waffen auf der EVE. Nachträglich konnten sie anhand der inner-mexikanischen Rechnungen nachvollziehen, dass aus der Lieferung mit den 470 für Puebla vorgesehenen Waffen keine einzige Waffe tatsächlich an Puebla gegangen ist.
Der Staatsanwalt führt den Angeklagten Peter B. vor
Am Ende wurde es noch mal ganz anders interessant. Der Staatsanwalt greift die Behauptung des Angeklagten Peter B. an, dass aus dessen Sicht die EVE gar nicht Teil der Genehmigungen seien. Denn Peter B. habe im Jahr 2010, vor Beginn der vorliegenden Ermittlungen, gegenüber einem Mitarbeiter des Kartellamtes ausdrücklich (und nachweislich eines Aktenvermerkes) gesagt, dass die Belieferung einzelner Bundesstaaten mittlerweile nicht mehr von der Ausfuhrgenehmigung gedeckt sei.
Das Prinzip «Alt für Neu» funktioniert nicht
Der Angeklagte Peter B. wurde vom Vorsitzenden Richter zum Prinzip «Alt für Neu» befragt. Dieses Prinzip sieht vor, dass ein Empfängerland von deutschen Kleinwaffen alte Waffen vernichtet und dafür die Lieferung der neuen Waffen genehmigt bekommt. Die Logik: So würde durch die deutschen Waffenexporte kein Mehr an Waffen geschaffen werden, sondern lediglich Waffen ersetzt werden. In der Praxis war schon immer fraglich, ob das überhaupt gemacht wird. Peter B. hatte dazu einige sehr klare Aussagen beizusteuern. Er betonte, dass die Behörden immer darauf gedrängt haben, dass das Prinzip durchgeführt und überall propagiert wird. Aber durchsetzbar sei das nicht gewesen. Der Anwalt von Peter B. ergänzte, dass die Bundesregierung es gewusst habe, dass man das Prinzip «Alt für Neu» nicht zur Bedingung machen kann, und hat das Prinzip deshalb auf eine Bitte reduziert, dass HK das bei den Vertragspartnern durchsetzen solle.
Ausblick
Am 19. Juni 2018 steht ein Zeuge des Auswärtigen Amtes (9:45 Uhr) auf dem Programm. Zeugen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie sind am 10. und 12. Juli geladen.